“Cassin” an der Westlichen Zinne

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Die Drei Zinnen sind die bekanntesten, fotogensten und begehrtestes Kletterziele der Dolomiten. Nicht umsonst haben sich hier so berühmte Erstbegeher wie Paul Preuß, Emilio Comici, Ricardo Cassin, Dietrich Hasse, Lothar Brandler, Christoph Hainz, Stefan Glowacz, Kurt Albert, Alexander Huber usw. mit ihren schwierigen Routen verewigt.

Das 40 Meter ausladende „Große Dach“ an der Westlichen Zinne Nordwand ist eine der beeindruckendsten Felsformationen der Alpen und vielleicht das größte Dach der Welt? Es wurde 1968 von der Allgäuer Bergfilm-Legende Gerhard Baur mit den Brüdern Erich und Walter Rudolph 1968 in der „Eisenzeit“ in technischer Kletterei erstbegangen. 2001 durchstieg Alexander Huber die überhängenden Wandzone in seiner Route „Bellavista“ im 11. Grad. Und er setzte noch eins drauf: In einer Winter-Solo-Erstbegung entstand „Pan Aroma“, ebenfalls im 11. Grad, die er 2007 rotpunkt durchstieg. Vielleicht die schwerste Alpine Kletterroute der Alpen?

Der große vielbegangene Klassiker an der Westlichen Zinne ist jedoch die „Cassin“, in den 30er-Jahren von vielen Seilschaften heiß umkämpft, sie galt damals als eines der letzten „großen Probleme“ der Alpen. Im Sommer 1935 unternahm die Bayerische Seilschaft Sepp Meindl und Hans Hintermaier erste Erkundungen und bewachten daraufhin die Wand. Die Italiener Cassin (auch die Spinne vun Lecco genannt) und Ratti schlichen sich im Nebel an ihnen vorbei und bezwangen die Nordwand nach 3 Tagen in kühner Schwerstarbeit. Meindl und Hintermaier empfingen sie anschließend auf dem Gipfel mit Getränken und wiederholten die Tour später als zweite Seilschaft. In den 90er-Jahren wurde die Tour im 8. Grad das erste mal frei geklettert, 2002 stieg der Innsbrucker Much Mayr ein und durchstieg sie im Alleingang rotpunkt onsight.

Das erste Drittel der Cassin führt durch dolomitentypischen gelben Fels, sehr griffig und relativ schön zu beklettern. Die ersten Seillängen sind aufgrund der vielen Rißspuren mit Normalhaken gut gesichert, für den 4. bzw. 5. Dolomitengrad jedoch ziemlich steil. Es folgt das Herzstück, der berühmte 100-Meter-Quergang über dem „Großen Dach“, der an Ausgesetztheit kaum zu überbieten ist. Es gibt in den Alpen sicher nur wenige solch exclusive Seillängen. Die obere, für mich die weitaus anspruchsvollere Wandhälfte, besticht durch schwierige Orientierung, wenig Hakenmaterial bzw. Absicherungsmöglichkeiten und viel Freikletterei. Man bewegt sich am besten immer links der Schlucht, um die häufigen Wasserstreifen zu umgehen. In der letzten Seillänge hält man sich nach wieder nach rechts, um auf das Ringband zu gelangen. Hier wird meist nach rechts aus der Wand gequert, da der Gipfelaufbau etwas brüchig ist.

Die „Cassin“ wird wie die „Comici“ an der Großen Zinne an schönen Sommertagen international belagert, deshalb sollte man schon möglichst zeitig am Einstieg stehen, um dem Stau zu entweichen. Wir beobachteten am Vortag eine Seilschaft, die um 17 Uhr in der Gipfelschlucht längere Zeit nach dem Weiterweg suchte. Wer hier in die Nacht kommt, biwakiert sehr ungemütlich …

Schwierigkeit

Die Dolomitenbewertung kann nicht mit der modernen Skala verglichen werden. Deshalb realistisch betrachtet: Immer wieder +/- 5, häufig 6, die schwersten Stellen 7 – 8. (6+ A0 obligatorisch). Kletterlänge ca. 650 m.

Absicherung

Im unteren Drittel ausreichend Normalhaken, die im Zeitalter der mobilen Absicherung sicher nicht mehr werden. Der lange Quergang ist relativ gut gesichert, einige alte Seilstücke, um an den nächsten Haken zu gelangen. In der Gipfelschlucht sind pro Seillänge 1 – 2 Normalhaken vorhanden, dazwischen kann gelegentlich mobil entschärft werden. An den Standplätzen befinden sich meist mehrere Normalhaken mit Schlingen, und kaum zu glauben: vereinzelt auch Bohrhaken. Zur Sicherheit der Bergführer?

Material

Doppelseil, 12 Exen, Schlingen, Keile und Friends, Abseilausrüstung für den Abstieg

Zeitbedarf

Zustieg: 1, 5 Stunden
Kletterzeit: 7 – 9 Stunden
Abstieg: 1,5 – 2 Stunden

Zustieg

Von der Auronzo Hütte zum Paternsattel und nach links entlang den Nordwänden hinüber zur Westlichen Zinne. Der Einstieg befindet sich am oberen Ende des markanten Schuttkegels. Ca. 1,5 Stunden von der Auronzo Hütte

Abstieg

Vom Ringband auf die Südseite der Westlichen Zinne. Entlang der schwachen Markierungen und Steinmännern hinauf zum Gipfel bzw. zurück zum Wandfuß (gelegentliche Abseilstellen).

Übernachtung

In der Auronzo Hütte bzw. auf deren Parkplätzt im Auto bzw. Biwak

Zufahrt

Von Misurina zur Mautstelle und weiter zu den Parkplätzen bei der Auronzo Hütte

Topos

Kletterführer Dolomiten Band Nord, www.loboedition.de
www.bergsteigen.com

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1 Gedanke zu „“Cassin” an der Westlichen Zinne“

  1. Die Cassin wurde bereits in der Mitte der 70-er Jahre frei geklettert. (Rotpunkt) Nur die Seillänge vor dem Quergang geht dabei über den sechsten Grad hinaus. Ob man danach noch VI zu bewältigen hat, ist diskussionswürdig. Oberhalb der überhängenden Seillänge nach dem Quergang kann man über mehr als den V- und V+-ten Grad ebenfalls verschiedener Meinung sein – besonders wenn man diese mit der (korrekten) Bewertung der ersten 5 Längen vergleicht. Bei der angegebenen Kletterzeit sind die vielen Anwärter berücksichtigt, die Wartezeiten in der Tour bewirken. Hat man besonders im Herbst einmal freie ‘Fahrt’ sollte es doch flotter gehen.

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