“Das Rote Auge” am Kenzenkopf

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Ein Bericht von Fabian Bendlin

Schon lange hatte ich ein Auge auf den Überhang in der Kenzenkopf-Südwand direkt unter dem Gipfel geworfen … aber irgendwie erschien die Wand mir immer recht kurz und brüchig … mal abgesehen von der enormen Steilheit – mir liefen die Arme schon beim Gedanken an einen Durchstieg zu.

Im Juni habe ich dann entdeckt, dass Pat Schwarzmann eine Neutour direkt daneben eingerichtet hat. Jetzt hatte ich einen guten Grund mal hinzulaufen. Nachdem ich am Wandfuß und ein paar Stunden darauf auch durch die „Besser leben mit M“ geklettert war, waren zwei Irrtümer ausgeräumt: Die Wand ist gar nicht so kurz und der Fels ist viel, viel besser als er von weitem scheint. Damit wurde das Projekt scharf geschalten.

Allerdings hat es erst das nahende Saisonende und der erste Schnee geschafft, dass wir (Andi und ich) uns wirklich mit Bohrmaschine, Klemmgeräten, Bohrhaken und und und … auf den Weg gemacht haben. Und so ging es an einem kalten Samstagmorgen mit dem Radl zur Kenzenhütte und durch den Schnee weiter zur sonnenbeschienenen Wand.

Das Ziel: die logischste Linie mit dem besten Fels komplett aus dem Klettern raus einzubohren.

Der Wandfuß ist relativ breit und flach, aber trotzdem bekommt Andi einen Standplatzhaken bevor ich in die erste Länge starte. Und so geht’s dahin. Die erste Länge stellt keine größeren Schwierigkeiten dar. In der 2ten Länge sieht es dann schon anders aus. Nach ein paar interessanten Zügen an kompaktem Fels hören die Henkel auf und es wird steil. Nach einigen Versuchen kämpfte ich mich über ein Boulderproblem, was sich als Schlüsselstelle der Tour entpuppen sollte.

Am 2ten Stand angekommen teilte mir Andi mit, dass er nicht nachsteigen möchte. Da ich selber auch schon müde Arme hatte, bohrte ich noch den Stand – bekam etwas Staub ins Auge – und entschied mich noch ein bisschen weiterzuklettern. 2 Haken gingen noch im nun sehr überhängenden Fels, bevor ich entgültig platt war. Außerdem brannte mein Auge, in welchem wohl immer noch Bohrstaub war, immer stärker. Wir seilten also ab und setzten noch einen zusätzlichen Haken in der ersten Länge.

Bis ich am Wandfuß ankam schmerzte mein Auge bereits kaum erträglich. Während Andi zusammenpackte, beruhigte ich mich und mein Auge soweit, dass ich zumindest noch Absteigen konnte. An der Kenzenhütte tauschte ich mein Fahrrad dann mit Andi’s Bergwachtkollegen gegen einen Beifahrerplatz im Bergwachtauto. Die weitere Abendplanung war dann klar: Andi fuhr mich nach Weilheim zum Augenarzt, welcher mir den Splitter aus dem Auge entfernte. Danke Dr. Bayer!

Ein Satz von Herr Dr. Bayer blieb besonders bei mir hängen: „Du kannst morgen wieder alles machen!“

Also, neuer Tag neues Glück, ich startete wieder Richtung Kenzenhütte, diesmal mit Moritz. Wir überschreiteten den Gipfel des Kenzenkopf und seilten von oben zum obersten Standplatz um uns nicht wieder über den Boulder quälen zu müssen. Ich habe trotzdem zur Erleichterung eine Schlinge in den Haken über der Schlüsselstelle ghängt um sie A0 zu ermöglichen. Die dritte Länge bleibt steil und anstrengend, auch wenn die Griffe groß und gut sind.

Die Zustiegsaktion hat viel Zeit gekostet und wir entschieden nach Erreichen des Standplatzes, nach der dritten Länge eine Einkehr in der Hütte der letzten, leichteren Länge vorzuziehen und seilten ab.

Am darauffolgenden Wochenende war das Wetter wieder hervorragend und ich konnte Philip aus dem Stubaital überzeugen den weiten Weg zu fahren, um mit mir in die Tour einzusteigen. Den Zustieg zur Hütte bewältigten wir mit dem Bus – das erste Mal in meinem Leben, dass ich nicht mit dem Fahrrad hochgefahren bin … eine Premiere. Eine Premiere veranstaltete auch Philip: die erste Rotpunktbegehung der Schlüssellänge im dritten Versuch, Gratulation und Hut ab! Die dritte Länge fühlte sich immer noch sehr anstrengend und steil an, aber es waren noch genug Körner übrig um die letzte Länge einzubohren. Oben angekommen genossen wir den Erfolg und richteten anschließend beim Abseilen noch eine schöne, schnelle und sichere Abseilpisten ein.

Siegestrunken genehmigen wir uns ein Bier am Wandfuß bevor es ins Tal und zum Pizzaessen geht.

Zitat von Philip als Fazit: „A richtig coole Tour!“

Und der Tourenname ist auch klar: “Das Rote Auge

Zustieg von der Kenzenhütte

Dem Wanderweg Richtung Kenzensattel folgen, unter der Kenzenkopf Südwand im Gipfelbereich rechts das Geröllfeld hinauf, geschickt durch das Schrofengelände eher rechts und durch eine kleine grasige Rinne zur auffallend glatten Platte rechts unter dem großen Überhang.


Routenbeschreibung

1te Seillänge:

Entlang einer sehr schmalen Rampe bis zu kurzem Überhang und über diesen auf eine Platte, weiter nach rechts zum Stand.
25 Meter, 5 Bohrhaken, 7-

2te Seillänge:

An Kante hinauf und über eine Platte nach links an die Schuppe. Darüber hinweg auf Absatz und an Verschneidung und über kleinen Überhang auf Band und hinauf zum Stand.
25 Meter, 6 Bohrhaken, 9-/7(A0)

3te Seillänge:

Durch die überhängende Verschneidung zur darüberliegenden Wand und zum Stand auf kleinem Absatz.
20 Meter, 4 Bohrhaken, 7

4te Seillänge:

Rechts über die Platte nach oben und rechtshaltend zwischen den Latschen hindurch.
25 Meter, 4 Bohrhaken, 6+

Abstieg

Abseilen: 40 Meter und leicht nach rechts auf Bauch, dann nochmal 40 Meter zum Wandfuß

oder:

Aussteigen über den ausgesetzten Grat zum Gipfel – 2 Bohrhaken von Pat Schwarzmann

Material

2 x 50m Halbseile, 6 Exen, Standplatz- und Abseilausrüstung

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2 Gedanken zu „“Das Rote Auge” am Kenzenkopf“

  1. Hi Bene!

    Den Überhang links hab ich mir natürlich auch angeguckt:

    1. Der Fels schaut nicht so ganz überzeugend aus, müsste man sehr viel ausräumen..aber gehn tut bestimmt was.
    2. Es ist wirklich unglaublich steil! Steiler als es vom Wandfuß aus aussieht…das täuscht weil die ganze Wand überhängt.
    3. In der oberen Hälfte des gelben Überhangs (vom Band weg) hab ich einige alte Schlaghaken von einer alten Technotour gesehn. Ich hab allerdings noch keine Infos zu der Tour gefunden, nicht mal im alten AV-Führer.

    Mein Vorschlag: Du gehst mal hin, kletterst die Tour(en) die schon da sind und guckst dir die Wand mal an. Potential ist schon noch da.

    Viele Grüße
    Fabi 🙂

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