Der Gimpel-Westgrat

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Bei meiner ersten Klettertour mit 12 Jahren führte mich mein Bruder den Gimpel-Westgrat hinauf. Auf dem Gipfel war ich dann mächtig stolz, ich war das erstemal auf über 2000 m Höhe gestanden. Danach kehrten wir noch in der Tannheimer Hütte ein, um die erfolgreiche Besteigung ausklingen zu lassen.

Meine Erinnerungen an den damals schon legendären Hüttenwirt „Fischer Franzl“ sind noch schwach vorhanden, den Rest kenne ich aus Erzählungen. Der Franzl war eine Besonderheit: schon von weitem hörte man wie er vor der Hütte auf der Zitter spielte und beim Eintreffen gab’s dann immer einen Schnaps für die Bergsteiger. Sein Äußeres werde ich nie vergessen: das karierte Flanellhemd, ausladende Knickerbocker, nach hinten gekämmtes Haar und ein gebräuntes Winnetougesicht mit Reval-rauchendem Pferdegebiss verliehen ihm die unverkennbare Note.

Bereits Mitte der 60er-Jahre war die Hütte auch beim schlechten Wetter rappelvoll, die Stimmung dementsprechend aufgeheizt. Sein stark-gebrauter Kaffee war berühmt, der konnte Lebendige umbringen aber auch Tote wieder zum Leben erwecken. Und den brauchten die damaligen Kletterer am nächsten Tag, um nach einer durchzechten Nacht in die alten, mit Normalhaken gesicherten Extrem-Klassiker einzusteigen. So ändern sich die Zeiten: heutzutage ist der Kaffee dünn, die Routen mit Bohrhaken abgesichert und die alt-ehrwürdige Tannheimer Hütte wird abgerissen und neu hingebaut …

Bereits 1896 erstbegangen, war der Gimpel-Westgrat schon immer DER Mega-Klassiker in den Tannheimer Bergen. Nicht schwer, aber dafür es ist die schönste Felskante der Gegend, auf die man vom Normalweg der Roten Flüh einen besonders tollen Einblick bekommt. Mittlerweile hat sich der Run auf die gutgesicherten Routen am Gimpel-Vorbau und der Zwerchwand verlagert, somit ist man am Westgrat heutzutage meist alleine unterwegs. Herzstück ist ein Überhang, der „Nur Mut Johann“, die wohl bekannteste und zugleich abgespeckteste Schlüsselstelle in den Tannheimern. Für den Durchschnittskletterer ist die Passage im 6. Grad heutzutage nicht mehr zu klettern, dafür hängt ein zwei Meter langes Seil zu Entschärfung in der Wand. Die darauffolgende Seillänge führt durch den „Schinderhannes“. Die kurze Kamin-Verschneidung ist ebenso berühmt und abgespeckt, aber immer noch gut frei zu klettern.

Davon abgesehen bewegt sich die ganze Tour meist im 2. bis 4. Schwierigkeitsgrad, abwechselnd links oder rechts der Kante. Sie wurde bereits vor langer Zeit sanft saniert, dazu gibt es immer noch genügend Möglichkeiten an Felsköpfen mit Schlingen zwischenzusichern. Und wer genauer hinschaut, stößt gelegentlich auch noch auf alte geschlagene Normalhaken, ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Die Orientierung ist insgesamt recht einfach, man folgt einfach immer den Schwachstellen des teils schmalen Grats. Je nach Auftrieb und Bedarf können auch diverse Seillängen zusammengelegt werden, sodass davon nur noch 5 übrig bleiben. Bereits in Gipfelnähe legt sich die Kante dann deutlich zurück und es könnte bereits vorzeitig das Seil eingepackt werden …

Besonders lohnend ist folgende Routenkombination: Man steigt am Hochwiesler-Ostsporn über den Hüttengrat auf, um ganz oben zu einer großen Wiese zu gelangen. Hier folgt man dem Pfad nach rechts ins Gimpelkar und steigt anschließend zur Judenscharte, dem Beginn des Gimpel-Westgrats, hinauf. Somit kommen immerhin über 10 Seillängen schöne Gratkletterei im 3. bis 4. Schwierigkeitsgrad zustande. Für eine lohnende Tagesunternehmung ist gesorgt …

Schwierigkeit
Überwiegend 2 bis 3, gelegentlich 4, Schlüsselstelle 6 bzw. A0.

Kletterlänge
Je nach Einhaltung der Standplätze ca. 5 bis 7 Seillängen.

Absicherung
Es gibt gelegentliche Klebehaken, die Stände sind teilweise mit dicken Muniringen versehen. An manchen Stellen können Schlingen um Felsköpfe gelegt werden. Keile und Friends werden nicht wirklich gebraucht.

Ausrüstung
50-Meter-Einfachseil, 6 Exen, Schlingen

Talort
Nesselwängle im Tannheimer Tal. Der Parkplatz befindet sich am westlichen Ortsrand.

Stützpunkt
Vom Parkplatz entlang der Beschilderung in 1,5 Stunden hinauf zum Gimpelhaus. www.gimpelhaus.at

Zustieg
Vom Gimpelhaus durch’s Gimpelkar hinauf zur Judenscharte. Dies ist die markante Einkerbung zwischen Gimpel und Rote Flüh. Vom Gimpelhaus ca. 45 Minuten.

Abstieg
Über den Normalweg zurück ins Gimpelkar. Ca. 30 Minuten

Topos
Kletterführer Allgäu incl. Tannheimer Berge www.panico.de

Webinfo
www.uherzog.de
www.mymountains.de
festivaltour.de
www.outdooractive.com
beneries.de

Bildgallerie

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2 Gedanken zu „Der Gimpel-Westgrat“

  1. Schon Beckenbauer sagte immer: ” …des is a Klassiker!” Ja, diesmal nicht auf dem Fußballplatz dafür am Fels.
    Es ist eine wahre Genusstour, mit herrlicher Aussicht. Wer einen entspannten Klettertag genießen möchte ist hier richtig. Nur die Stelle, ” nur Mut Johann” hat mich schwitzen lassen. Das eingehängte Seil darf man wirklich benutzen.
    Es freut mich das ich diesen Klassiker in mein Tourenbuch eintragen!

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  2. Der Gimpelwestgrat ist ein echter Klassiker wie viele alpine Gratklettertouren. Für uns war der Anstieg echte Genusskletterei ohne unangenehme Überraschungen ( dank der Aufstiegshilfe in “Nur Mut Johann” ) bei herrlichem Sommerwetter.
    Die Aussicht auf die Rote Flüh war von hier besonders gut.
    Die Kürze der Tour ermöglichte einen entspannten Klettertag mit gemütlicher Gipfelrast und ausgiebiger Einkehr am Gimpelhaus vor dem Abstieg ins Tal.
    Das abschließende Bad im Haldensee verschaffte den durch die hochsommerlichen Temperaturen aufgeheizten Kletterern eine wohltuende Kühlung vor der Heimreise.
    Wie schon in den Jahren zuvor, hatten wir wieder ein tolles Kletter-Wochenende am Gimpel, der Zwerchenwand und am Hochwiesler.
    Vielen Dank Marion und Pat, dass wir dabei sein durften.

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