Die Wildenverschneidung in den Allgäuer Alpen

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Die „Wildenverschneidung“  –  ein altehrwürdiger Extremklassiker in den Allgäuer Alpen,  1955 von den waagemutigen Locals  Kleemaier & Nieberle erstbegangen.  Die Beschreibung im Alpenvereinsführer von 1993 liest sich ungefähr so:

„Überwiegend Hakenkletterei im Schwierigkeitsgrad A1 mit mehreren Stellen A2 sowie einer Passage 6, sonst meist 5 und 5+, fast nirgends leichter als 5-. Sollten Zwischenhaken fehlen, so kann das Anbringen neuer durchaus A3 sein. Anstrengende Hakenkletterei, die von einigen schweren Freikletterstellen unterbrochen wird. Die Route durchzieht eine senkrechte bis überhängende, in ihrer dolomitenhaften Steilheit für das Allgäu wohl einzigartigen Wandflucht. Neben der Ausgesetztheit beeindruckt vor  allem die ununterbrochene  Folge extremer Schwierigkeiten … Empfohlenes Material: Doppelseil, 40 Karabiner, 15 Schlingen, Trittleitern sowie einige Ersatzhaken …“

Das hört sich gruselig an, mittlerweile hat sich jedoch der Ernst der Route etwas relativiert. Denn in den 90er Jahre wurde die Wand lt. Panico-Führer „maßvoll“, aber „effektiv“ mit Bohrhaken saniert. Wir waren also gespannt, was uns da erwartet …

Die Reise mit dem Bike von Oberstdorf durchs Oytal zieht sich idyllisch, aber schweißtreibend über 10 Kilometer bis zur Käseralpe empor. Immer wieder der Blick zum eindrucksvollen Rädlergrat und den steilen Abbrüchen von Schneck und Höfats vor Augen. Was man da an Strecke mit der Kletterausrüstung im Gepäck hinter sich bringt, wird einem erst abends bei der Abfahrt ins Tal bewusst. Das ist jedoch erst die halbe Miete. Von der Käseralpe geht es zu Fuß in weiteren 1,5 Stunden hinauf zum Wildenfeldhüttchen, nach rechts Richtung Hornbachjoch und zuletzt mühsam über ein blockiges Schuttkar links hinauf zu Einstieg.

Der erste Eindruck: ziemlich wild und unaufgeräumt sieht das alles hier aus: schuttbedeckte Platten, steile graue Wände, gelbe Überhänge wie in den Dolomiten, dazwischen die schwach ausgeprägte in den Himmel ragende Verschneidung … Die Linie selbst wirkt aus der Ferne vielleicht nicht ganz so abschreckend wie erwartet, aber die Optik kann auch täuschen …

Eine rote Markierung befindet sich überraschenderweise am Einstieg. Die Sanierer Hölzler & Co. scheinen es heute gut mit uns zu meinen … Aber der Reihe nach:

  1. Seillänge: Seilfrei und hakenlos im 2er und 3er Gelände an den ersten Stand mit Bohrhaken.
  2. Seillänge: Angeseilt im Schwierigkeitsgrad 4 – 5 über Platten. Ein paar Zwischenhaken, die auch zur Route „Wildendach“ gehören, dürfen mitbenutzt werden. Stand in einer Gufel.
  3. Seillänge: Aus der Gufel nach links raus in die Verschneidung. Anfangs noch gut gesichert, jedoch  sobald es leichter wird, längere Runouts im 5er, 6er-Gelände, mobil schwer abzusichern, wenig altes Material, nur die nötigsten BH.
  4. Seillänge: Kurze Seillänge im 7. Grad, mit BH, NH und mobil ordentlich absicherbar
  5. Seillänge: Schlüssellänge im 8. Grad. Viele neue und alte Hakenmodelle, Holzkeile, Schlingen usw. Gelegentlich ist auch A0 anstrengend, da überhängend.
  6. Seillänge: Nach rechts, 6-, ordentlich gesichert, überraschend genüsslich
  7. Seillänge: Wieder anstrengend im unteren 7. Grad. ZH vorhanden, zusätzlich absicherbar
  8. Seillänge: Typische 3er Länge durch Allgäu-Schrofen, 2 ZH, in der Mitte linkshaltend

Resümee:

Was die Kletterei betrifft: Trotz Sanierung und A-Null im Kern fast durchwegs anstrengende und anspruchsvolle Kletterei. 6+ obligatorisch. Darüberhinaus ein tolles Ambiente  inmitten Allgäuer Grasberge mit Blick zur Höfats und dem Rädlergrat am Himmelhorn

Absicherung:

Top-Stände mit jeweils 2 BH. Je schwerer, desto mehr Zwischensicherungen (BH, NH, Holzkeile, Fixkeile, Schlingen) Teilweise zusätzlich mobil absicherbar

Abstieg:

Vom Gipfel 20 m nach Süden absteigen. Steinmann.  Ca. 5-mal nach Südwesten abseilen. Top eingerichtet.

Topo:

Kletterführer Allgäu & Ammergau, Panico-Verlag. Oder irgendwelche alten Allgäu-Alpenvereinsführer, die die Route genauer beschreiben 🙂

 

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1. Die Höfats beim Aufstieg
1. Die Höfats beim Aufstieg
2. Zustieg über schuttbedeckte Bänder
2. Zustieg über schuttbedeckte Bänder
3. Am Anfang genüsslich über Platten
3. Am Anfang genüsslich über Platten
4. Jetzt wirds langsam ernst
4. Jetzt wirds langsam ernst
5. Mit Spreizen gehts einfacher
5. Mit Spreizen gehts einfacher
6. Stau am Stand
6. Stau am Stand
7. Luft unter den Sohlen
7. Luft unter den Sohlen
8. Die letzten Meter in der Schlüsselstelle
8. Die letzten Meter in der Schlüsselstelle
9. Und immer wieder steil
9. Und immer wieder steil
10. Am Wandbuch
10. Am Wandbuch
11. Alpines Museum
11. Alpines Museum
12. Zum Schluss gehts nochmal zur Sache
12. Zum Schluss gehts nochmal zur Sache
13. Letzter Blick in die Verschneidung
13. Letzter Blick in die Verschneidung
14. Stolz am Gipfel - im Hintergrund die Höfats
14. Stolz am Gipfel – im Hintergrund die Höfats
15. Gleich gehts wieder runter
15. Gleich gehts wieder runter
16. Antike Abseilstelle
16. Antike Abseilstelle
17. Abseilarbeit
17. Abseilarbeit
18. Nach getaner Arbeit
18. Nach getaner Arbeit
19. Selbstbedienung bei der Käseralpe
19. Selbstbedienung bei der Käseralpe
20. Zum Schluss der Rädlergrat
20. Zum Schluss der Rädlergrat

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2 Gedanken zu „Die Wildenverschneidung in den Allgäuer Alpen“

  1. Die Tour bietet ein tolles spannendes Klettererlebnis. Die Seillänge 3 war aufgrund der weiten Hackenabstände und dem Mangel an zusätzlicher Absicherung spannend.
    Die Schlüssellänge konnte man gut nullen, wobei wir jedoch einen Normalhacken (direkt über einem Klebehacken) zerbrachen. Bei der vorletzten Seillänge muss man weite Strecken selber absichern. Dabei holten wir den 2er Friend 3 mal von unten wieder hoch – Sicher ist Sicher?. Beim Abseilen fand ich das Ausbinden am großen Band (schottrig und Abschüssig) und das Queren zum Einstieg sehr aufregend. Da sollte man trittsicher sein. Wir seilten am Fixseil ab und hängten an dessen Ende ein Karabiner ein um an diesem mit unserem Seil bis zum Schotterfeld abzuseilen.

    Alles in allem war die Tour ein echtes Erlebnis.

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  2. Altehrwürdiger Klassiker, der schon wirklich ein Erlebnis darstellt. Nur wenige Wiederholungen im Jahr laut Wandbuch. Das Gestein ist brüchig, die Kletterei durchwegs steil und anstrengend. Die 8er Seillänge ist A0 immer noch hart, aber dafür gut abgesichert. Der 6-7 Grad sollte aber schon sicher beherrscht werden, ansonsten ist die Tour eine Qual. Um sich dem mühsamen Zustieg durchs Schuttfeld so gut wie es geht zu entziehen empfiehlt es sich links davon im Gras aufzusteigen und am Wandfuß nach rechts zum Einstieg zu queren. Abseilpiste ist perfekt eingerichtet.

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