In den Jahren 2003 bis 2005 verbrachte ich viele Wochenendtage in den „Tannheimern“ und gehörte fast schon zum Inventar des Gimpel-Hauses. Die Wände rund um die Zwerchwand blieben bis dahin von den Erstbegehern weitgehend verschont: der Mangel an logischen Linien, gelegentlich splittriger Fels und schrofige Bänder waren vielmehr das Ziel wandernder Gemsen …
Mit einer kreativen Taktik bastelte ich damals felsige Graterhebungen, plattige Zonen und kompakte Aufschwünge zu kletterbaren Linien zusammen. Ich umging die brüchigen Passagen und grasige Bänder waren als Standplätze willkommen. Die neuen Touren wurden anfangs belächelt, einer der Hausmeister fügte hinzu: da musst du erstmal mit dem Rechen drüber gehen und das Geröll abräumen. Aus Furcht vor unliebsamen Kommentaren hatte ich den Wandbuchbehälter aus den „Diebischen Rentnern“ damals wieder rausgeschraubt …
Martin, der Wirt vom Gimpelhaus beobachtete bald darauf durchs Küchenfenster: Sind die Kletterer früher nach links zur Roten Flüh abgebogen, so wandern sie jetzt geradeaus weiter Richtung Zwerchwand. Dies lag in erster Linie daran, dass es einen Bedarf an neuen Routen mit moderaten Schwierigkeiten gab. Die alten Klassiker an der Roten Flüh und am Hochwiesler waren weitbekannt, schon zigmal durchstiegen, die Schlüsselstellen glänzten vor Speck. Vor allem die älteren Kletterer hatten Durst auf Neuland – ein Besuch in den Tannheimern sollte sich wieder lohnen.
Ein weiterer Grund mag das Thema Absicherung sein. Sind in den klassischen Routen oft noch Keile und Friends anzuraten, so konnten sie für die Zwerchwand & Co. fortan zu Hause im Keller bleiben. Nach dem Grundsatz „Kletterer in den unteren Graden haben das gleiche Recht auf eine gute Absicherung“ stattete ich die neuen Linien konsequent mit Bohrhaken aus. Dabei richten sich die Abstände entsprechend nach den anzutreffenden Schwierigkeiten, abweichend schwere Stellen können A-Null geklettert werden. Die Haken müssen nicht angeklettert werden (so wie es früher oft der Fall war) und sind aus der Kletterstellung bequem einzuhängen. Trotz aller Vorzüge, auch in Plaisirtouren muss Mann und Frau Klettern können … Über gut eingerichtete Abseilpisten gelangt man schnell wieder an den Wandfuß zurück.
Gut zehn Jahre später sind die neuen Linien mittlerweile gut abgeklettert und die ersten Speckspuren in den Modetouren bereits sichtbar. Am Wochenende herrscht oft Stau am Hüttengrat, in der Morgenstund, Till Ann oder im Zwerchweg. Und wieder bin ich auf der Suche nach neuen gängigen Linien, um den Andrang etwas zu entlasten …
Diebische Rentner
Nach Vollendung der Route hatten mir damals zwei Vor-Ruheständler (einer aufgrund von vielen Kletterunfällen) den ersten Komplett-Durchstieg weggeschnappt. Dem „Vogte“ sei’s verziehen. Der ehemalige Spitzen-Alpinist und waghalsige Gleitschirm-Flieger hängt im zarten Alter von fast 80 Jahren heutzutage immer noch in den Wänden und Lüften herum …
Die „Diebischen Renter“ sind die ideale Steigerung zu den Routen Till Ann, Morgenstund und Zwerchweg. Die 7-Seillängen-Tour zeugt mittlerweile von häufigen Begehungen und ist alpinen 6er-Aspiranten zu empfehlen. Trotz des großen Grasbandes in Wandmitte und einigen schrofigen Abschnitte bietet sie viele schöne und abwechslungsreiche Klettermeter in leicht geneigten Wänden, seichten Verschneidungen und kompakten Platten. Die vorletzte Seillänge beginnt mit einer Henkelparade, die nach rechts in einen luftigen Quergang überleitet. Gegen Ende führt eine ausgesetzte Steilstufe schließlich hinauf zum aussichtsreichen Gipfelgrat mit Blick zum Schloss Neuschwanstein.
Schwierigkeit
Mehrere Passagen 6, meist +/- 5, gelegentlich leichter.
Absicherung
Perfekt mit Bohrhaken
Material
60-Meter-Doppelseil, 12 Exen, Abseilausrüstung
Zustieg
Auf dem Wanderweg vom Gimpelhaus Richtung Nesselwängler Scharte. Man gelangt zum rechten Eckpfeiler der Östlichen Zwerchwand und steigt nach links zu einer gelblichen Gufel auf (Rucksackdepot). Wenige Meter rechts davon befindet sich der Einstieg von „Tannheimer Revival“, ca. 5 Meter weiter die „Diebischen Rentner“. Vom Gimpelhaus ca. 45 Minuten.
Abstieg
Vom Ausstieg ca. 20 Meter nach links entlang des Grates bis zum höchsten Punkt. Nach einem kurzen Abstieg am Grat gelangt man zu einem Fixseil, das zur Abseilpiste führt. Von hier 2mal ca. 40 Meter zur Schlucht abseilen. Anschließend 1mal 60 Meter nach links zurück zum Einstieg.
Stützpunkt
Gimpelhaus. Von Nesselwängle im Tannheimer Tal in gut einer Stunde erreichbar. Es besteht die Möglichkeit, den Rucksack mit der Bahn transportieren zu lassen.
Topos
Kletterführer „Allgäu incl. Tannheimer Tal“, www.panico.de
Kletterführer „Klettern in den Tannheimer Bergen“, bestellbar hier
Sehr gelungene Tour durch die Zwerchwand. Unten zwar etwas schrofig, dafür entschädigt der Ausstieg mit dem Quergang und der Steilstufe für alles! Perfektes Terrain für Alpinanfänger um das persönliche Können zu steigern!