“Just for Fun” an der Kanzel am Oberjoch Pass

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mit Musik von Audiohub.de

Vor 30 Jahren gab es überhalb der Oberjochpass-Straße noch den alten Klettergarten „Kanzel“. Die Felsen waren beliebt und der Tiefblick ins tiefergelegene Ostrachtal fotogen. Leider fiel das Gebiet irgendwann der Verkehrssicherheit zum Opfer, da sich das Massiv immer mehr talwärts Richtung Straße hinab bewegte. Letztendlich wurde der Klettergarten weggesprengt und in einen unschönen steinbruch-ähnlichen Felsabbruch verwandelt.

2018 legte hier das Hindelanger Bergführerbüro am linken Rand den Ostrachtaler Klettersteig an. Bei einer Begehung bekam ich Einblicke in den rechten Wandbereich: auf den ersten Blick alles ziemlich chaotisch, die Wand ist stufenförmig mit Terassen durchzogen, wo früher die Sprengmeister aktiv waren. Ob man hier eine Kletterroute einrichten kann? Der Gedanke lies mich nicht mehr los und ich begab mich kurze Zeit danach auf die einzelnen Terassen, um die Wandabschnitte zu erkunden. Dabei begegneten mir viel Geröll auf den Bändern und wechselnde Felsqualität an den Aufschwüngen. Mit viel Kreativität und Phantasie, lässt sich da vielleicht was machen, dachte ich mir. Grundstückseigentümer, Straßenbaumt und Bergschulen gaben mir schließlich grünes Licht, so war das Projekt nicht mehr aufzuhalten …

Mit Arne Schwiertering bastelte ich bald darauf die kompaktesten Wandbereiche zu einer kletterbaren Linie zusammen. Es war uns dabei wichtig, dass eine Route mit möglichst homogenen Schwierigkeiten entsteht. Die Tour verläuft tendenziell von links nach rechts, um den Sichernden bzw. nachfolgende Seilschaften vor Steinschlag zu schützen. Die Standplätze planten wir auf den Bändern ein, wo sich horizontale Drahtseile zur Sicherung befinden. Trotz des vielen Bruchs, der sich in dieser unüberschaubaren Wand befindet, gelang es uns einen vertretbaren Weg zu finden. In den 5 Seillängen sind nun nur wenige brüchige Meter vorhanden, die behutsames Klettern erfordern. Der Rest ist weitgehend kompakt. Wir entfernten aus der Wand und von den Bändern loses Gestein, sodass nun relativ gefahrlos in die Tour eingestiegen werden kann.

Marion meinte nach der 2. Begehung: Auf die Idee muss man erstmal kommen … Es ist in der Tat ein Ambiente, bei dem so mancher Erstbegeher einen weiten Bogen herum macht. Aber es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis hier jemand die Intitiative ergriff. Bei der Namensgebung schwankten wir zwischen Kiesgrubentango, Feierabendspaziergang, Terassenwanderung usw. Aber Marion hatte wie (fast) immer recht: wir klettern die Tour „Just for Fun“. Mit einer Zustiegszeit von schlappen 20 Minuten ist dies wohl die schnellst erreichbare Mehrseillängen-Tour im Oberallgäu. Ich bin schon jetzt gespannt, was sich da alles abspielen wird. Arne hat bereits die erste Turnschuh-Begehung absolviert und Philipp Munkler das erste Free Solo mit der Badhose im August …

Vielen Dank an die IG-Klettern-Allgäu, allen voran Kristian Rath, der mich mit den nötigen Klebehaken versorgte!

Schwierigkeit

Meist 4 bis 5. Die 3. Seillänge hebt sich mit zwei kurzen Stellen im 6. Grad deutlich vom Rest der Tour ab. Es ließ sich leider nicht vermeiden. Insgesamt 5+ obligatorisch.

Absicherung

Perfekt mit Klebehaken, gelegentlich Schwerlastanker. Der Stand kann in der Regel an den Drahtseilen auf den Bändern bezogen werden.

Ausrüstung

Einfachseil, 14 Exen. Schlingen zur Verlängerung in der 3. Seillänge. Ganz wichtig: Helm

Details

Seillänge 1

Gestufte und kompakte Plattenkletterei, ca. 25 m, Schwierigkeitsgrad 4 bis 5.

Seillänge 2

Gestufte und kompakte Plattenkletterei, ca. 25 m, Schwierigkeitsgrad 4 bis 5.

Seillänge 3

Anfangs leicht gestufte Plattenkletterei im 5. Grad. Danach Übergang in eine kurze brüchige Zone, ca. 2 bis 3 Meter im Schwierigkeitsgrad 6-, bescheidene Griffe und Tritte, aber gut gesichert. Es folgt ein großgriffiger Quergang nach rechts zu einem Pfeiler. Hier kann ein Zwischenstand bezogen werden, um Seilzug zu vermeiden. Sonst wenige Meter geradeaus empor bis aufs Band. Am Ausstieg die Crux der Tour: eine kurze Stelle im 6. Grad. Um Seilzug zu vermeiden, sollten die Haken am Quergang und Pfeiler mit Schlingen verlängert, oder darunterliegende Exen wieder ausgehängt werden. Ca. 30 Meter. Insgesamt 6 bzw. 5+ A-Null.

Seillänge 4

Am Stand etwas nach links. Darüber gestufte und kompakte Plattenkletterei, ca. 20 m, Schwierigkeitsgrad 4 bis 5.

Seillänge 5

Auf dem Band ca. 5 Meter nach rechts. Über eine kompakte Platte gelangt man rechtshaltend zu einem kleinen Überhang mit großen Griffen. Hier geradeaus empor durch einen Riss. Danach diagonal nach links über eine langgezogene Platte zum Ausstieg mit Fixseil. Ca. 30 Meter, Schwierigkeitsgrad 5+. Stand in der Wiese.

Ausgangspunkt

Parkplatz P 1 am Kreisverkehr in Oberjoch

Zustieg

Vom Parkplatz P 1 zu Fuß die Straße hinab zum Aussichtspunkt Kanzel-Hütte. Hier entlang der Beschilderung zum Ostrachtaler Klettersteig. Hinter dem Steinschlag-Gitter nach rechts entlang des Wandfußes zum Einstieg. Vom Parkplatz ca. 20 min.

Abstieg

Vom Ausstieg der Route wenige Meter ansteigen. Man gelangt zu einem schwach ausgetretenen Pfad, der nach rechts über Serpentinen hinabführt. Weiter unten bitte nicht durch den Holzverschlag und über die Viehweide absteigen. Vor dem Holzverschlag hält man sich nach rechts, wo nach wenigen Metern ein weiterer Pfad nach links durch die Botanik hinabführt. Unten nach links zurück zum Ausgangspunkt. Ca. 20 Minuten.

Ganz wichtig!

Auf den oberen beiden Terassen werden regelmäßig Klettersteig-Kurse von Bergschulen durchgeführt. Deshalb muss in den oberen 2 Seillängen dringend auf Steinschlag geachtet werden!

Am Fuße des Massivs befindet sich die Oberjochpass-Straße. Obwohl sich darüber 2 seperate Steinschlag-Gitter und dazwischen ein Grüngürtel befinden, ist in der ganzen Tour dringend auf Steinschlag achten!

Auf manchen Terassen befinden sich abseits der Route Mess-Stationen zur Überprüfung der Felsbewegungen. Hier bitte nichts berühren!

Beim Abstieg im unteren Bereich nicht durch einen Holzverschlag gehen und über die Viehweide absteigen. Immer rechts des vertikalen Zauns über einen Pfad absteigen. Dies wurde mit dem Grundstückseigentümer vereinbart.

Außerdem keine weiteren Routen erschließen! Es darf hier kein Rummelplatz entstehen, sonst droht uns die komplette Sperrung der Kanzel!

Bildgallerie

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10 Gedanken zu „“Just for Fun” an der Kanzel am Oberjoch Pass“

  1. Wir sind heute die Just 4 Fun geklettert. Vielen lieben Dank an Pat für das einrichten dieser tollen Route. Kurzer Zustieg, super Absicherung und eine gut zu meisternde Schlüsselseillänge. Uns hats wirklich Spass gemacht, erstaunlich tolle Klettermeter kommen da zusammen. Ein bisschen heikel sind immer die letzten Meter im Brösel zum Stahlseil, hier könnte man mal mit nem Besen saubermachen 😉

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  2. Wir haben gestern einen schönen Vormittag damit verbracht die Kanzel-Südkante und die Just for Fun zu klettern. Herzlichen Dank mal wieder für die perfekte Einrichtung der Touren! In der crux-Seillänge der JfF bin ich nach der Rechtsquerung im Unverstand nach links oben zu einem (Verhauer?-)Bohrhaken geklettert und dann gerade hoch auf das Band. Nicht empfehlenswert da recht “naturbelassen” und brüchig, ca. 5+/6-. Ein Blick auf das Topo lohnt eben auch bei gut eingerichteten Touren.

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  3. Lieber Pat! Vielen Dank für die schöne Tour. Ich bin stolz wie Bolle obwohl ich mich etwas durch die Querung mogeln musste. GottseiDank war der weltbeste Bergführer in greifbarer Nähe 🙂 Eine wirklich lohnende Tour mit schönem Ausblick und megakurzem Zu- und Abstieg. Bis hoffentlich bald mal wieder!

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  4. He Schorsch,
    danke für den Kommentar und fürs Radler am P1. War nett, dich wieder mal getroffen zu haben. Nach Ostern kommt das Video drauf!
    Viele Grüße von Pat

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  5. Wer bereits genügend Vorkenntnisse am Fels gesammelt hat und sich so langsam an die Mehrseillängentouren im Kalk heranwagen möchte ein lohnender Einstieg. Ja, es gibt hier wie im Topo beschrieben einige Stellen die wie im echten Leben und wie auch in vielen anderen Touren im Allgäu durch eher brüchiges Gelände führen. Nach ein paar Metern wird es aber wieder kompakter und man findet von Platte, Verschneidung, Querung bis zum kleinen Dächlein alles was das Herz begehrt. Und das in der kürze und dann noch in dem Schwirigkeitsbereich, mit dieser Absicherung, mit A0 Möglichkeit an den kniffligeren Stellen (wer‘s braucht). ?
    Hoffentlich nicht zu viel gelobt, sonst ist es bald voll hier ?
    Souveränität in teils brüchigem Gelände auch in der Schlüsselseillänge ist aber schon notwendig. Nicht zuletzt was den Steinschlag angeht.
    Besten Dank an Pat Schwarzmann

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  6. Hallo Moritz,
    vielen Dank für die Meldung. Diesen Bohrhaken 30 Meter links meiner Tour sollte ich vielleicht entfernen, dass da nicht falsch eingestiegen wird. Zur Linksschlaufe in der letzten Seillänge: Ich bin halt immer dem besten Fels gefolgt, was in dieser Wand nicht ganz einfach ist. Dennoch ist mir die einzige Linie mit durchgehender Kletterei ohne viel Bruch gelungen.
    Viele Grüße vom Pat

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  7. Auf keinen Fall beim ersten Bohrhaken, der einen verlockungsvoll anschielt, anseilen und losklettern. Danach kommt nämlich nichts mehr. Nach ca. 20m leichterer, aber brüchiger Kletterei und zunehmendem Unmut über meinen verfrühten Tatendrang konnte ich dann an einem kleineren Baum abgelassen werden.
    Den Fehler habe ich erst mir zugeschoben, das gleiche ist allerdings auch einer zweiten Seilschaft nach uns passiert, also vielleicht könnte man ja einfach den Bohrhaken entfernen?
    Circa 30m weiter rechts haben wir dann die angestrebte Tour gefunden. Die ersten drei Seillängen fand ich ganz schön, aber die Linksschleife in der Ausstiegslänge habe ich nicht ganz verstanden. Trotzdem vielen Dank fürs Einbohren. Als Übungstour auf jeden Fall zu empfehlen.

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  8. Die Tour hat echt Spaß gemacht. Es ist eine gute Feierabendtour und für erste Klettererfahrungen in alpinem Gelände gut geeignet. Die dritte Seillänge sollte wie beschrieben gut verlängert werden. Wir kommen gern wieder 🙂

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  9. Heute mit dem Pat höchstpersönlich diese Route zum Feierabend geklettert.

    RESPEKT . . . . ZAUBEREI…..in dieser Wand eine so schöne Route zu kreieren!!

    Doch, wirklich, es hat voll Spass gemacht!!

    Die plaisirmässige Absicherung macht es gefahrlos möglich, auch mal weniger feste Felspassagen zu durchklettern.

    DANKE

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  10. Kann Ich nur bestätigen. Die Tour ist das Klettern wert und wer sich vorher denkt “Oh Gott, wie sieht das denn aus..” wird am Ausstieg denken “Ok, das war doch gar nicht so schlecht. Das war die Kletterei auf jeden fall wert..” Gute Anfänger oder Feierabendtour!

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