Mit einer Tiefe von 191 Metern ist der Traunsee der tiefste See Österreichs. Dass es am darüber thronenden Traunstein die „Kaffee und Kuchen“ gibt, nahmen wir schon seit längerem aus Adi Stocker‘s Sammlung der längsten Nordalpen-Kletterrouten, den „Longlines“, wahr. 30 Seillängen bis zum oberen 7. Grad, das hörte sich allerdings anstrengend an, so nisteteten wir uns erstmal am wunderschön gelegenen Badeplatz am Ostufer des Traunsees ein. Vormittags Plaisirklettern an der Traunstein-Südwand, danach Baden, und abends nach Gmunden zum Open Air mit anschließendem Feuerwerk. So fühlt sich Urlaub an. Doch es half nichts, irgendwann mussten wir in den Sauren Apfel beißen …
Es lohnt sich, bereits am Vorabend vom Parkplatz aus den relativ nahegelegenen Zustieg zu erkunden. Wir begegneten im Morgengrauen einer Seilschaft, die sich hier prompt verstiegen hat. Der Weg führt durch ein blockiges Bachbett mit gelegentlichen Felsstufen hinauf in einen schottrigen Kessel, der nach rechts in eine markannte Rinne zum Anseilplatz führt. Die Orientierung ist bis dahin nicht immer ganz eindeutig, mit dem Topo und etwas Phantasie jedoch zu finden.
Die unteren Seillängen führen über eine splittrige Rampe im 5. Grad, gerade richtig zum Aufwärmen. Hier ist auf Steinschlag zu achten, nachfolgende Seilschaften möchten verschont bleiben. Danach geht es erstmals richtig zur Sache. 3 steile und lange Seillängen bis 7- führen auf einen Absatz hinauf. Hier ist die letzte Gelegenheit, im Notfall wieder abzuseilen. Ein exponierter Quergang führt anschließend nach links in leichteres Gelände. So geht das die ganze Zeit weiter: Immer wieder Aufschwünge mit bis zu 100 Meter Höhe, dazwischen gibt es immer wieder leichtere Seillängen zum Verschnaufen. Weiter oben trifft man auf ein links abfallendes Band, das zur Headwall führt. Nochmals 3 anstrengende Seillängen leiten schließlich zum letzten Stand am Ende der Schwierigkeiten. Das Wandbuch befindet sich in der vorletzten Seillänge. Über karstiges Gelände erreicht man in weiteren 20 Minuten das Traunsteinhaus am Gipfel. Der Abstieg führt über einen klettersteigähnlichen Wanderweg und zieht sich stattliche 1200 Höhenmeter zurück zum Ausgangspunkt.
Man darf die Tour nicht unterschätzen. Die schweren Seillängen in den steilen Aufschwüngen sind anhaltend, oft sehr lang und in den Topos relativ hart bewertet. Auch die A-Null-Stellen sind anstrengend zu klettern. Es handelt sich dabei meist um kompakte Wände mit Querungen, kurzen Rampen, Überhängen oder Verschneidunen. Dazwischen befinden sich zur Entspannung immer wieder leichtere Seillängen mit Gehgelände. Die Orientierung ist hier nicht immer ganz eindeutig und das Topo will genau gelesen werden. Während in den unteren Längen das Gestein teilweise brüchig ist, wird die Felsqualität nach oben hin immer kompakter. Nach der 26. Seillänge kann rechtshaltend zum Normalweg hinausgequert werden.
Es gab bereits die erste Winterbegehung mit Biwak, der zerkratzte Fels zeigt deutliche Begehungspuren von den Steigeisen. Kaum zu glauben: Die Tour wurde von den Erstbegehern bereits in 1,5 Stunden am laufenden Seil durchstiegen. Während des gesamten Anstiegs bietet sich immer wieder eine wunderbare Aussicht auf den tiefgelegenen Traunsee. Der relativ kurze Zustieg und überschaubare Abstieg über den Traunstein-Klettersteig trägt sicher zu Beliebtheit der Tour bei. Ein weiteres Argument: bei Zeitmangel kann auch auf dem Traunsteinhaus am Gipfel übernachtet werden. Und nicht vergessen: hier gibt’s nach dem anstrengenden Durchstieg „Kaffe und Kuchen“ zur Belohnung …
Fazit
Man darf sich nicht täuschen lassen: trotz der verlockenden Rahmenbedingungen „relativ kurzer Zustieg, überschauberer Abstieg über den Klettersteig und nicht allzuschwere Kletterei“ ist die Tour nicht zu unterschätzen. Das Ding zieht sich 1100 Klettermeter lang und wird nach oben hin immer schwerer. Trotz ausreichender Bohrhaken-Absicherung ist dies sicher keine Plaisirtour, vielmehr eine Mischung aus Alpin- und Sportklettern mit zwingenden Kletterpassagen bis zum 7. Grad. Die Erstbegher haben an einigen Tagen mit viel Aufwand die besten Klettermeter durch die unübersichtliche Westwand des Traunsteins gefunden. Gratulation dazu …
Schwierigkeit
8 Seillängen bis zum oberen 3. Grad
8 Seillängen bis zum oberen 5. Grad
9 Seillängen bis zum oberen 6. Grad
5 Seillängen bis zum oberen 7. Grad
Die schwersten Stellen können auch A-Null geklettert werden. In den überhängenden bzw. abdrängenden Bereichen ist dies jedoch trotzdem sehr anstrengend. Der 7. Grad muss insgesamt zwingend beherrscht werden.
Absicherung
Die Tour beinhaltet eine durchgehend sportliche Bohrhakenabsicherung. Keile und Friends sind kaum einsetzbar. A-Null stellen sind gelegentlich mit Seilschwänzen versehen.
Material
60-Meter-Doppelseil, 15 Exen, Schlingen zur Verlängerung der Fixpunkte.
Zeitbedarf
1 Stunde Zustieg
8 bis 10 Stunden Kletterzeit
2 Stunden Abstieg
Distanz
Wandhöhe ca. 900 Meter
Kletterstrecke ca. 1100 Meter
Höhe Traunsee 422 Meter Seehöhe
Höhe Traunstein: 1691 Meter
Ausgangspunkt
Gmunden am Traunsee. Man fährt am Ostufer des Sees ca. 5 Kilometer bis zum letzten Parkplatz.
Zustieg
Vom Parkplatz entlang des Schotterwegs Richtung Naturfreunde-Klettersteig. Nach ca. 15 Minuten gelangt man zu einem Brunnen und wenig später zu einer Brücke. Hier steigt man nach links durch das Bachbett über gelegentliche Steilstufen auf. An dessen Ende rechtshaltend zum Beginn einer schluchtartigen Rinne, dem Einstieg der Route. Vom Parkplatz ca. 1 Stunde.
Abstieg
Vom letzten Stand über Pfadspuren durch die Latschen in ca. 20 Minuten bis zum Traunsteinhaus hinauf. Von hier über den Klettersteig und Schotterweg zurück zum Ausgangspunkt. Ca. 2 Stunden.
Übernachtung
Es kann gut auf dem hintersten Parkplatz am Traunsee übernachtet werden. Dies ist auch der Ausgangspunkt für die Tour. Der Platz ist gleichzeitig ein schöner Badeort. Bei Bedarf kann nach der Tour auf dem Gipfel im Traunsteinhaus übernachtet werden. www.traunsteinhaus.at
Topos
Kletterführer „Salzkammergut“ www.kletterfuehrer.net
Kletterführer „Longlines“ www.panico.de
Webinfo
Bildgallerie