Kletterführer “topoguide.de”

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Volker Roth und Nicole Luzar, die Gründer von www.topoguide.de, haben in den letzten Jahrzehnten insgesamt 4 Bände mit den besten Klettertouren im gesamten Alpenraum verfasst. Dazu einen Kletterführer über Korsika, dem Standardwerk für die deutschsprachigen Kletterer, die es auf die Insel zieht. Von leichten bis anspruchsvollen Routen, von schlecht gesicherten Klassikern bis hin zu modernen Bohrhakenlinien ist alles vertreten. Insgesamt sind es über 1000 Klettertouren, die von den Autoren selbst recherchiert, geklettert und in detaillierten Topos beschrieben wurden. Die Führer beinhalten Baseclimbs und kurze Routen bis hin zu ultralangen Mehrseillängentouren. Aber lassen wir nun Volker zu Wort kommen …

Volker, du stammst ja von der Fränkischen Schweiz. Es liegt nahe, dass du dort das Klettern gelernt hast …
Nicht ganz … Ich wurde in Unterfranken geboren und bin dann im Jahr 2000 in die Fränkische immigriert, um mir die lästigen „Wochenendheimfahrten“ zu sparen. Das Klettern jedoch begann für mich im Alter von 13 Jahren am „Walberla“.

Wie bist du dann eigentlich zum alpinen Klettern gekommen?
Mit meiner Familie war ich oft in Sexten. Wir gingen dort wandern und Klettersteige. Einfache Klettertouren waren auch schonmal dabei.

Was waren damals deine ersten großen Wände?
Ich kann mich noch gut an ein Erlebnis im heimischen Klettergarten erinnern. Eine Gruppe plante einen Ausflug in die Dolomiten zur „Gelben Kante“. Doch sie meinten, ich klettere noch nicht gut genug. Für Alpintouren sollte man damals möglichst 1 – 2 Grade höher klettern, als im Klettergarten, so die Denkweise. Und so suchte ich mir einen Seilpartner und wir machten uns eigenständig auf zum 2. Tofanapfeiler und eben zu dieser Gelben Kante, wo man „rittlings auf der Kante reitet und die sich mit Strömen losbrechenden Gesteins verteidigt“. Du weisst schon… Emilio Comici. Wir hatten einen 30 m „Schal“, ein Büschel Keile und eine paar Karabiner dabei. Am Ende des Tages fühlten wir uns wie Alpinhelden. Wenn du jung bist, kann dich nichts stoppen.

Wenn man sich deine Routenliste anschaut, ist das ein Streifzug durch die alpine Klettergeschichte quer durch den gesamten Alpenraum. Welche Touren sind dir dabei besonders in Erinnerung geblieben?
Vor allem die alten klassischen Wege. Das ist wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Aber auch der Sprung zu damals schweren Sportkletterwegen, wie die „Gelbe Mauer“ (Perlen vor die Säue) war eine logische Weiterentwicklung unserer Generation zu „Comici’s Kante“ nebenan. Und natürlich die „Alix, punk de Vergons“ im Verdon-Gebiet. Vielleicht zwei der besten Ausdauerrouten, neben so vielen anderen, die man sich noch im Tourenbuch gewünscht hätte …

Du warst u. a. oft in den Dolomiten und in der Schweiz unterwegs. Der äußerste Südwesten scheint dir aber besonders zu gefallen? Ich meine damit die Dauphiné und Seealpen …
Das stimmt natürlich, vor allem weil das Wetter dort wesentlich stabiler ist. Irgendwann erkennt man die Vorzüge zum Nachmittags-Kaffee vor‘m Bus zu sitzen, statt spät abends auf der Hütte anzukommen und nicht einmal ein Nachtessen zu bekommen. Aber im Prinzip war es immer der Drang, Neues zu entdecken. Das einzige, was wir hatten, war ein Bild von der Aiguille Dibona und ein Tipp von einem Freund, mal an den Corno Stella zu fahren. Jacka! Volltreffer! Diese beiden Gebiete waren damals im deutschsprachigen Raum völlig unbekannt. Und wir vorwiegend allein unterwegs. Heute kaum vorstellbar. Die Geister, die ich rief …

In Korsika warst du ja auch oft unterwegs. Warum ist die Insel für dich so reizvoll, was das Klettern betrifft? Immerhin hast du ja einen Führer darüber geschrieben …
Das war Liebe auf den ersten Blick und mein erster Ausflug mit einem VW-Bus. Damals nur gucken, nicht anfassen. Ich war allein unterwegs und konnte nur ein paar einfache Kletterrouten „solo“ unternehmen. Irgendwann schwärmte ich Nicole von diesen unglaublich schönen Tafoni-Strukturen vor, und die „Führerarbeit“ nahm ihren Lauf … Wir hatten immer den Drang Neues zu erkunden, wo noch wenige vor uns waren. Korsika ist eine Insel der Gegensätze. Am Bavella weht dich der Wind hinunter zum Meer und dort liegst du bei herrlichem Sonnenschein am Strand. Die polititsche Vergangenheit hat die eigenwilligen Menschen geprägt. Das taugt mir!

In Griechenland und Spanien kennst du dich ja auch gut aus, vor allem was das Sportklettern betrifft. Gibt es da Lieblingsgebiete für dich? Ich weiß, aus der Fülle fällt die Antwort schwer …
Nein! Siurana und Margalef sind die Schönsten für mich. Wir verbrachten dort viele Winter, kannten bald die Einheimischen, die uns jedesmal mit einer herzlichen Umarmung begrüßten. Es war wie nach Hause kommen. Auch dort waren wir viele Jahre mehr oder weniger allein. Kaum mehr vorstellbar, dass es so lange dauerte, bis es sich herumsprach, wie fantastisch es dort ist, wie vielseitig. Die klaren kalten Wintertage sind perfekt für‘s Sportklettern.

Wie bist du eigentlich darauf gekommen, Kletterführer zu schreiben?
Diese Geschichte könnt ihr in unserem topoguide-Magazin nachlesen: Die Entstehungsgeschichte von topoguide.de – “Wer sucht, der findet“, siehe www.topoguide.de Dort gibt es übrigens inzwischen eine Vielzahl von Artikeln zu verschiedensten Themen des Klettersports, des Lebens und Reiseberichte. Teils kritisch, teils informativ.

Welche Bände gibt es mittlerweile?
Es gibt 4 Alpenbände und Korsika. Das sollte für ein Kletterleben reichen …

Ich kenne die Führer auch, du schreibst da oft sehr persönlich. Wie unterscheiden sich deine Führer zur herkömmlichen Literatur?
Mir war es immer ein Anliegen, dass Nutzer vor (!) Tourenbeginn wissen, was sie erwartet und sich darauf einstellen können oder vielleicht sogar eine Tour unterlassen und auf später schieben, wenn sie sich dafür nicht gewachsen fühlen.

Ich reibe mir heute noch die Augen, was da teilweise veröffentlicht wird und werde niemals verstehen, warum immer noch nach der „alten Alpinskala“ bewertet oder für 1000 Höhenmeter 45 Minuten Zustiegszeit angegeben wird, die Felsqualität fast immer hervorragend ist und die Absicherung perfekt. Ich kann mir nur vorstellen, dass hier das Erstbegeher-Ego eine enscheidende Rolle spielt und Führerautoren nicht lange hinterfragen, oder es sich mit ihren Informanten nicht verderben wollen.

Für mich sind unsere Bücher eine Herzensangelgenheit und die persönliche Note wurde mir im Laufe der Jahre immer wichtiger. Sonst hätte es für die Nutzer nur wenig oder keinen Mehrwert gehabt. Ich wollte einfach auch Dinge anstoßen und vielleicht verbessern. Allerdings werden wir alle gerade digital rechts und links überholt. Das wird nachhaltig alles verändern, sicher nicht nur zum Besseren…

Du hast ja selber auch schon Routen erschlossen bzw. saniert. Wie sieht für dich eine gelungene Erstbegehung aus? Ich meine auch, was die Absicherung betrifft …
Ich sag nur Michel Piola!!! Ein Visionär unserer Zeit. Mit seiner Weitsichtigkeit und seinem Blick für das Schöne (nicht das Schwierige!) hat er uns teilweise auch anspruchsvolle Tourenperlen hinterlassen, die ohnegleichen für mich sind. Mit seiner Absicherung fordert er, aber überfordert nicht, sofern du gut ausgebildet bist. Wo es gefährlich werden könnte, steckt ein perfekt platzierter Bohrhaken. Heute saniert er seine Meisterwerke, soweit er kann, mit Inoxklebehaken. Er zahlt alles aus eigener Tasche, ist immer bescheiden und stellt sich nie in den Vordergrund.

Wie stehst du zu Sanierungen alter Klassiker? Cassin, Comici, Bonatti und wie sie alle heißen … Haben da Bohrhaken etwas zu suchen?
Diese alten Klassiker MÜSSEN!!! sanft saniert werden, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Sonst vermodern sie auf Kletterführeraltpapier. Das heißt: Stände bohren und an den nicht mobil absicherbaren Stellen ein Bohrhaken. Ein Schlaghaken muss nicht schlecht sein aber du kannst selten einen guten neuen direkt daneben schlagen. Bis auf die Dolomiten ist man da ja auch auf einem guten Weg.

Aber es soll auch Ausnahmen geben, wie z. B. die größten Alpenwände. Civetta, Grandes Jorasses, Monte Agnér, oder ähnliche. Ein „letztes“ Abenteuer muss noch möglich sein. Aber bitte immer daran denken: Der Fels und der Berg, die Route ist ein Allgemeingut und nicht das Eigentum eines Erstbegehers! Monumente der eigenen Kühnheit braucht die Allgemeinheit nicht. Es braucht Gremien und Gruppen, die das mit viel Fingerspitzengefühl umsetzen und Erstbegeher, die das akzeptieren und überhaupt verstehen, sofern sie noch leben. Teilweise wird das ja schon recht gut umgesetzt und so praktiziert. Dass es hier zu Meinungsverschiedenheiten kommt, liegt ja auf der Hand. Toleranz ist hier unabdingbar.

Die gesamten Alpen sind ja mittlerweile mit Plaisirtouren zugepflastert. Wie siehst du diese Entwicklung? Werden da nicht zu viele und auch unerfahrene Kletterer an den Fels gelockt?
Wirklich? In meinem Schrank stehen mehr als 20 Dolomitenführer mit geschätzt 10 000 Tourenmöglichkeiten, die kaum jemand wiederholt. Es gibt dort inzwischen vielleicht 200 – 300 Bohrhakentouren von denen höchstens 100 häufig wiederholt werden. Ähnlich sieht es in anderen Gebieten aus.

Erfahrungen sammelt man nur im Laufe der Jahre; es braucht unzählige Routen und selbst nach über 1000 Mehrseillängentouren lerne ich immer noch dazu und bin überrascht, was alles so passieren kann … Etwas Bescheidenheit und realistische Selbsteinschätzung würde sicher manchem gut zu Gesicht stehen. Und für andere die Touren nicht im Stau enden lassen. Aber kann man jemanden einen Vorwurf machen, wenn er mit einem Führerbladl von „mountain4nothing“ loszieht, wo “fünf” draufsteht und dann der sechste oder siebte Grad gefordert wird? Dazu noch permanent den Einsatz mobiler Sicherungen erfordert, usw.

Welche Gebiete oder Routen würdest du insbesondere Anfängern am Fels empfehlen?
Das alles habe ich mal in zwei Artikeln zusammengefasst:

www.topoguide.de
www.topoguide.de

Wir erleben es doch immer wieder: Parkplatzgebühren, Übernachtungsverbote, bei „Park for night“ wird mittlerweile auch schon abkassiert. Besonders seit Corona dreht sich mittlerweile alles nur noch um Regelungen. Wie siehst du diese Auswüchse?
Das ist so vielschichtig. Da könnte ich abendfüllend diskutieren. Fakt ist: Vielen fehlt die Kinderstube, sprich Erziehung, die nun die Gesellschaft übernehmen muss. „Ich bin hier und mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ funktioniert in einem sozial geprägten Umfeld nicht besonders gut.

Unser Wohlstand wird gerade zurück gedreht. In den letzten Jahrzehnten hatten weniger Wohlhabende für eine kurze Zeit die Möglichkeit zu Reisen und etwas aufzubauen. Das ist nun so langsam vorbei und es fällt logischerweise vielen sehr schwer, wieder zurück zu stecken. Ein gesellschaftliches Problem nimmt seinen vorhersehbaren Lauf.

Entweder du stehst auf der Sonnenseite des Lebens oder du musst täglich rackern und schaun, wie du klar kommst. Dazwischen wird es immer schwieriger. Wir alle hätten eigentlich die WAHL. Aber kaum jemand engagiert sich. Eine Entwicklung, die ich noch nie verstand, so lange ich denken und mir eine eigene Meinung bilden kann. „Zum Wohle des Volkes“ wird leider in politischen Kreisen nicht selten etwas anders interpretiert.

Zurück zum Thema Klettern und Berge. Welche Gebiete oder Routen würden dich in Zukunft noch reizen?
Nach so vielen Jahren Alpen waren wir dieses Jahr erst in der Wüste von Jordanien und dann in der Arktis. Tolle Erlebnisse! Aber beides hat mir gezeigt, wie viel mehr die Alpen zu bieten haben. Und wieviel Einsamkeit es dort, fern von ausgelatschten Pfaden, immer noch gibt. Du musst das nur wollen, suchen und mal Insta und Social Media abschalten.

Leider werden wir alle nicht jünger und müssen mit dem zufrieden sein, was noch so geht. Da bleiben viele Wünsche im Tourenordner liegen. Heute gibt es kaum Tage, an denen mir mal nichts weh tut. Es ist verdammt hart, wenn du direkt in einem Klettergebiet lebst, viele schwere Touren dort geklettert hast und du heute dort nicht mehr abhebst. Das musst du erstmal verarbeiten. Alt werden ist nichts für „Waschlabbn“. Mein Tipp daher: „Das Leben ist zu kurz für später“. Schafft euch Freiräume und setzt die Segel, so lange es noch geht …

Volker, kannst du nun deine Kletterführer vorstellen und sagen, wo man sie bestellen kann?
Mich freut es am meisten, wenn mir Menschen wie du die Gelegenheit geben, etwas darüber zu veröffentlichen. Gutes spricht sich herum, leider meist langsamer als Schlechtes. Wer wie ich eine eigene Meinung öffentlich macht, muss mit Gegenwind rechnen. Insofern bin ich für jede Unterstützung dankbar. Wir brauchen die Meinungsvielfalt, die Toleranz und unsere Freiheit. Dafür sind wir alle selbst verantwortlich.

Wer uns unterstützen mag und vor (!) Tourenantritt wissen möchte, was ihn erwartet, kann unsere Führer direkt bei uns auf www.topoguide.de bestellen. So bleibt neben dem Applaus Leserstimmen/Blick ins Buch: www.topoguide.de auch der Lohn für die immense Arbeit und die durchgekletterten Schuhsohlen an der „richtigen“ Stelle.

Last but not least wäre da noch Kerstin, die nicht nur einen beträchtlichen Anteil zu Band IV beigetragen hat, sondern auch die zentrale Rolle in unserem „neuen“ Leben spielt. Und ja, es gibt ein Leben nach dem Klettern. Aber eigentlich kein Leben ohne Klettern …

Danke PAT für deine Zeit und deine Mühe, sowie eine immer gute Heimkehr und noch viele tolle Erlebnisse!

Volker Roth, Betzenstein im November 2023

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1 Gedanke zu „Kletterführer “topoguide.de”“

  1. Nachdem ich aus den Kletterführern „topoguide.de“ schon einige Routen geklettert bin, muss ich sagen: exakt recherchiert und genau in die Topos übertragen. Dazu kommen Volker’s Texte, die von „Ehrlichkeit“ geprägt sind: er beschreibt ziemlich kritisch, was von den jeweiligen Kletterrouten- oder Gebieten zu halten ist. Besonders in den für uns Nordalpen-Kletterern weitgehend unbekannten Seealpen und Dauphiné listet er die besten Klettermöglichkeiten auf. Dort ist der Fels in der Tat vom Feinsten. Volker kennt sich auch in den Dolomiten und in der Schweiz bestens aus. Die Bände von topoguide.de beinhalten die meisten Felsklassiker der Alpen. Man könnte auch sagen: es ist die Quintessenz der Klettertouren. Von legendären Klassikern bis hin zu modernen Bohrhakenlinien ist alles vertreten. Wer also noch ein Weihnachtsgeschenk für seine(n) Liebste(n) sucht, da wären die Kletterführer eine gute Idee …

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