Klettern am Grimselpass
Das Grimselgebiet im Herzen der Schweiz hat sich in den letzten 30 Jahren zum festen Bestandteil in der Kletterszene etabliert. Zuerst war es nur Ziel für ein paar Dutzend Topkletterer, wie z. B. Jürg von Känel, der 1979 die erste anspruchsvolle Mehrseillängen-Tour “Fair Hands Line” in Handegg eröffnete. Bald darauf erlangten Routen wie die “Motörhead” oder “Septumania” der Gebrüder Remy im Eldorado weltweite Berühmtheit.
Mit der Erschließung von neuen Gebieten im Plaisir-Bereich nahm der Bekanntheitsgrad immer mehr zu. Der bequem erreichbare Sektor „Azalee Beach“ hat sich mittlerweile zum Familien-Mehrseillängen-Klettergarten entwickelt. Im „Gerstenegg“ oder „Sommerloch“ gibt es nun viele Anfängerrouten im 3. – 5. Schwierigkeitsgrad bis zu 15 Seillängen. Vielleicht die beste Tour der Gegend: „Sagittarius“ (6b bzw. 5c+ obligat.) an der Gelmerfluh. Sie hat sich schnell zum Neo-Klassiker etabliert, an schönen Sommertagen herrscht hier reger Besucherandrang, ein früher Aufbruch ist ratsam. Dies ist nur eine kleine Auswahl lohnender Ziele …
Die Routen am Grimselpass sind hauptsächlich von glattpolierten Gletscherschliff-Platten mit gelegentlichen Steilstufen oder griffigen Verschneidungen geprägt. „Marche ou crève“ (lauf oder krepier), wie es die Remy-Brüder beschreiben würden. Reibungsklettern ist nicht jedermanns Sache, stellt zuweilen hohe Ansprüche an die Vorstiegsmoral (da kommt ja nicht jeden Meter ein Haken) und ist deshalb gewöhnungsbedürftig. Stellvertretend für diese Art von Kletterei ist die „Septumania“ im Eldorado, am hinteren Ende des Grimsel-Stausees: extrem plattenlastig, sportliche Absicherung, mit langen Runouts ist zu rechnen.
Wer sich für sich für so ein Projekt fit machen möchte, dem seien zuerst z. B. die Routen an den Seeplatten am Räterichsbodensee empfohlen. Die Kombination von „Tim & Struppi“ sowie „Lady Mary“ ergibt eine Länge von 16 Seillängen mit Schwierigkeiten bis 6b (5c+ obligat.) Der untere Teil beginnt relativ gemütlich und wird nach oben hin immer anspruchsvoller. Laut Kletterführer „Schweiz-Plaisir West“ sind die beiden Routen „super“ eingerichtet. Aber auch hier muss wie in allen anderen Touren der Gegend, vom letzten Haken tapfer weitergeklettert werden. Der geeignete Psycho- bzw. Sohlentest für’s Eldorado …
Und wem es an einem Ruhetag in der Sonne zu heiß wird, kann sich „Untertage“ begeben. Die ganze Gegend ist geprägt von unterirdischen Tunnels und Kraftwerken zur Stromgewinnung der vielen miteinander vernetzten Stauseen (= Grimselstrom). Hier gibt es Führungen zur größten Kristallgrotte Europas, die vor einigen Jahren bei den Erschließungsarbeiten entdeckt wurde.
Absicherung
Die Bohhakenabstände betragen im leichteren Gelände (bis 5c) 6 – 8 Meter. Schwierigere Passagen sind oft besser abgesichert
Material
12 Exen, Schlingen, Doppelseil, Abseilausrüstung. Keile und Friends sind meist schwer einsetzbar
Zustieg
Parken unterhalb der Staumauer des Räterichbodensees. Der Zustieg erfolgt entlang der Staumauer bis zum anderen Ende des Sees. Nun nach links über den Uferweg zu den Einstiegen. „Tim & Struppi“ befindet sich am rechten Rand der mächtigen Plattenflucht. Vom Parkplatz ca. 20 Minuten.
Abseilen über die Route „Lady Mary“. Nun im Abstiegssinn linkshaltend über Pfadspuren zurück zum Seeufer.
Übernachtung
Busstellplatz oder Biwak am Parkplatz unterhalb der Staumauer
Topos
Schweiz-Plaisir West, Filidor-Verlag