Klettern am Hahnenkopf

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Das Füssener Jöchle ist sicherlich eines der schönsten Ausflugsziele im Tannheimer Tal. Im Sommer sind hier zahlreiche Wanderer anzutreffen, um die wunderbare Sicht nach Norden auf die Ostallgäuer Seenplatte zu genießen. Der Panoramaweg hinüber zur Vilser Scharte ist eine Schau und gewährt einen phantastischen Blick auf die mächtige Gimpel-Nordwand. Nach der Tour sollte man die Einkehr auf der Sonnenalm keinesfalls verpassen. Die Hütten-Terasse gehört zu den besten Aussichtsplätzen samt Gastronomie weit und breit …

Was das Klettern betrifft: zuweilen zieht es hier auch die ein oder andere Seilschaft an den etwas entlegenen Sebenkopf mit seinen sonnigen Mehrseillängen-Routen. Gleich in der Nähe des Füssener Jöchle gibt es dazu einen kleinen Klettergarten am Gipfelaufbau der Läuferspitze. Mit Unterstützung der Bergbahn sind diese Ziele bequem und überschaubar in relativ kurzer Zeit zu erreichen.

2018 entdeckte ich mit Uwe Schneider nach einer Erkundungstour die Nordwand des nahegelegenen Hahnenkopfes. Der Berg war für uns bis dahin völlig unbekannt, selten gelangt man als Kletterer in diese Ecke der Tannheimer Berge. Während sich seine Südflanke völlig unspektakulär darstellt, fällt die Nordwand steil zur Vilser Alm hinab und ist auch nur von hier aus gut einsehbar. Vielleicht der Grund für den bisherigen Dornröschenschlaf?

Der erste Eindruck: Um die Rahmenbedingungen zu erkunden, wühlten wir uns zunächst auf dem Gipfelkamm durch einen fast unüberwindbaren Latschenteppich, der uns für einen späteren Abstiegsweg nach einer Klettertour als unzumutbar erschien. Dazu verriet der Blick in die oberen Wandbereiche überwiegend schrofige und brüchige Felszonen. Erleichternd entdeckten wir schließlich eine Latschengasse, die uns schweißgebadet zurück zum Panoramaweg zur Vilser Scharte führte.

Der nächste Rundgang entlang der Nordwand offenbarte zunächst wieder wenig einladendes Felsgelände. Dann die große Überraschung: eine kompakte Wand mit einem für die Gegend ungewöhnlichen Edelfels zog uns in den Bann. Hier muss es später einmal hoch gehen! Kalte Herbstage und Zeitmangel veranlassten mich jedoch dazu, das Projekt auf das nächste Jahr zu verschieben. Genügend Zeit, um das Wandbild immer wieder her-zu-zoommen und den ungefähren Routenverlauf festzulegen. Dabei sollte die Tour links des Gipfelgrates bei der oben genannten Latschengasse enden, um einen bequemen Abstieg zu gewähren.

Pfingsten 2019 war es dann soweit, freie Tage und belastbare Kletterpartner standen mir zur Verfügung. Nun hieß es erstmal Seile und Haken schleppen, bei genügend Motivation alles kein Problem. Ich legte mit Philipp Munkler und Uwe Schneider an verschiedenen Tagen jeweils eine Fixseil-Kette durch die Wand, danach konnte die Feinarbeit beginnen.

Während auf den Südseiten die Hitze brütete, richtete ich bei angenehmen Temperaturen am Grigri hängend zwei schöne Linien durch die schattige Nordwand des Hahnenkopfes ein. Dabei suchte ich jeweils einen kletterbaren Weg durch die besten Felszonen in der kompakten Wand. Ich umging die splittrigen oder unlohnende Bereiche und klopfte loses Gestein in die Tiefe. Janosch Tillmann hat mir mit großem Einsatz geholfen, den Bruch von den Bändern abzuräumen. Hier entstanden die Standplätze, um bequem zu stehen und sichern zu können. In der „Flugstunde“ stellte sich ein Überhang in den Weg, den wir durch einen luftigen Quergang umgingen. Was für einen Aufwand, so eine Passage mit Bohrhaken einzurichten!

Nach oben hin legte sich die Wand schließlich wieder zurück und ging in schrofige Zonen über. Und wieder war Putzarbeit angesagt, um nachfolgende Kletterer nicht zu gefährden. Dazu musste ich geeignete Ausstiege finden, die in eine Latschengasse für den Abstieg mündeten. Die letzten grasigen Klettermeter habe ich dabei mit Fixseilen ausgestattet, um sicher am jeweils letzten Standplatz anzukommen.

Fazit: Insgesamt eine Woche in der Wand, davor Seile und Haken schleppen, am Ende die Aufräumarbeiten. Die letzte Talfahrt mit der Bergbahn habe ich selten erreicht und kam anschließend im Dunkeln wieder am Parkplatz an. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: Hier entstanden zwei sehr schöne Touren im Bereich des Füssener Jöchle, die mit Bahnunterstützung bequem zu erreichen sind. Allerdings sind manche Seillängen trotz der guten Absicherung anspruchsvoll, andere hingegen zählen zu den besten in den Tannheimer Bergen. Aufgrund der schattigen Lage sind die Kletterrouten vor allem an heißen Sommertage zu empfehlen.

Flugstunde (8 bzw. 6 A0)

Zu Beginn zwei Längen (6) zum Aufwärmen, danach geht es zur Sache. Die nun folgende Wand ist sehr steil und bietet kleingriffige Kletterei im 7. Grad. Man gelangt zu einer kompakten Platte mit kleinen Fingerlöchern und Auflegern, der schwersten Stelle (8) in der Tour. Eine Seillänge weiter führt ein luftiger Quergang (7-) nach links auf ein Band. Hier legt sich die Wand in schöner Kletterei zunächst wieder etwas zurück bis ein Überhang (7-) überwunden werden muss. Danach gelangt man über leichte Kletterei zum Ausstieg. In den schwierigen Seillängen ist die Tour noch wenig abgeklettert und es kommt wohl noch zu einigen “Flügen” bei freien Begehungsversuchen. Aufgrund der guten Absicherung ist dies jedoch relativ ungefährlich …

Muggi, das waren noch Zeiten (7+ bzw. 6 A0)

Der Einstieg befindet sich bei einer Gufel. Nach einer diagonalen, einfachen Einstiegslänge gelangt man zu einer kurzen steilen Wand im unteren 7. Grad. Danach folgen 3 sehr schöne Seillängen an teils messerscharfen Felsstrukturen. Hier trifft man auch auf die Schlüsselstelle (7) an einer plattigen Passage. Die oberen Längen führen nach links in an angenehmer Verschneidungs-Kletterei (5) hinauf zum letzten Stand. Die Tour lässt sich bis auf die Schlüsselstelle gut frei begehen und bietet dabei vor allem im Mittelteil über 3 Seillängen lang durchgehend richtig gute Klettermeter. Insgesamt vielleicht die schönere der beiden Routen.

Absicherung

Beide Routen sind mit Bohrhaken sportkletterähnlich perfekt eingerichtet. Die schweren Passagen können auch A-Null geklettert werden (6 obligatorisch). An den Ständen befinden sich jeweils zwei Bohrhaken. An den Ausstiegen führt über schrofiges Gelände jeweils ein kurzes Fixseil hinauf zu letzten Stand.

Material

50-Meter-Einfach- oder Doppelseil. Für die „Muggi“ werden 14 Exen benötigt. Für die „Flugstunde“ sind in einer Seillänge 18 Exen einzuhängen, da es schwierig war einen geeigneten Zwischenstand in der steilen Wand einzurichten.

Talort

Grän im Tannheimer Tal. Mit der Bahn bequem hinauf zum Füssener Jöchle.

Zustieg

Von der Bergstation nach rechts zum Panoramaweg, der entlang der Südseite des Hahnenkopfes zur Vilser Scharte führt. Man steigt von der Vilser Scharte über Serpentinen ca. 100 m hinab, um anschließend nach links den Wandfuß der Nordwand zu queren. Über Pfadspuren gelangt man später wieder leicht aufsteigend zu einer begrünten Morände mit Bäumen. Die Einstiege befinden sich kurz davor am Schutthang. Von der Bergstation ca. 1 Stunde.

Abstieg

Von den Ausstiegen durch Latschengassen ansteigend. Man gelangt zu einer freien Wiese und steigt über diese zum Panoramaweg ab. Hier nach rechts zurück zur Bergstation. Ca. 30 Minuten.

Bildgallerie

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2 Gedanken zu „Klettern am Hahnenkopf“

  1. Nach der damaligen Erstbegehung 2019 waren wir jetzt mal wieder am Hahnenkopf in der Muggi. Bei der aktuellen Hitze ideal, da nordseitig. Schöne Tour, nicht ganz leicht, aber sehr gut gesichert.

    Die Berg- und Talfahrt mit der Bahn kostet seit heuer 27 € + 5 € Parkgebühr. Mittlerweile ein absolutes NOGO. Wir sind heute mit dem E-Bike über die Vilser Alm hochgefahren. Somit ergab sich eine Zustiegszeit von ca. 1,5 Stunden.
    Besser ist es jedoch von Musau zur Otto-Mayer-Hütte hochzufahren. Von hier ist es dann nur noch eine gute halbe Stunde zur Vilser Scharte hoch, danach 15 Minuten zum Einstieg hinab. Definitiv die beste Alternative …

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  2. Heute Muggi am Hahnenkopf bei bestem Sommerwetter geklettert. Trotz der idealen Verhältnisse sonst niemand unterwegs. Man könnte meinen, ein fragwürdige Resterschließung in den Tannheimern. Weit gefehlt, großartige Tour in bestem Fels, sehr gut gesichert, auch in den leichten, aber brüchigen Ausstiegsseillängen. Wir hatten uns von der Beschreibung her auf etwas schmierig-brüchige erste zwei Seillängen eingestellt – stimmt, wenn es trocken ist, auch gar nicht – hervorragender Fels vom Boden weg. Großartiges Geschenk an die Community, Dank an Pat Schwarzmann

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