Klettern an den Gatterlköpfen

4.8
(4)

Bereits mitte der 1990er Jahre war ich das erste mal in diesem Kleinod unterwegs. Ich war von Anfang an begeistert von dieser Gegend, zunächst lag es sicher an dem schmucken Bergdorf Ehrwald mit der rießig aufragenden Wetterwand. Doch was mich dann noch mehr beeindruckte: das Ambiente auf der Ehrwalder Alm, ein Stück weiter die Hochfeldern Alm mit den darüberliegenden Gatterlköpfen. Wir kletterten dort Routen, die lediglich in Insiderkreisen bekannt waren. Und der Fels war traumhaft schön, vergleichbar mit der Schüsselkarspitze, Sardinien oder irgendwelchen südfranzösischen Gebieten. Ein paar Topos gab es bereits im Kletterführer Wetterstein Süd/Mieminger Berge, allerdings ziemlich rudimentär beschrieben. Keiner der Erschließer wollte sein Geheimnis damals so richtig preisgeben …

Der legendäre Sani Heinl (Erstbegeher zahlreicher Kletterrouten, u. a. des “Bayerischen Traum” an der Schüsselkarspitze) war sicher einer der ersten, der hier seine Spuren hinterließ. Später folgten ein paar Allgäuer mit einigen Erstbegehungen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Name „Golden Bolts for the Killer of Saddam Hussein“, eine tolle Linie im mittleren Bereich der Gatterlköpfe. Kurz darauf richtete ich den Sportklettergarten am Roten Masten, später den Baseclimb der Therapie und die Aquaria an der Plattspitze ein.

Ein paar weitere Ideen sind mir seitdem immer in Erinnerung geblieben. Es dauerte Jahre, genauer gesagt bis 2022, bis ich das ganze Bohr-Material mit Daniel Steinmeier wieder unter die Wand schleppte. Besonders die Routen von Sani Heinl waren völlig veraltet: verrostete 8-mm-Dübel und verwetterte Sanduhrschlingen waren Programm. Dazu ein unüberschaubares Routennetz über Platten, Wasserrillen, inclusive Runouts, und die Haken mussten oft wagemutig angeklettert werden. Was lag näher, als dieses Chaos zu beseitigen? Im Sektor Sani, dort wo der Fels an den Gatterlköpfen bzw. am Fuße der Plattspitze am genialsten ist …

Mit verschiedenen Partnern legte ich der Reihe nach Fixseile in die besten Linien der Wand. Mit nur zwei Hammer-Schlägen konnten wir die alten Stifte herausschlagen und die maroden Schlingen entfernen. Einige meiner Helfer befreiten störende Botanik aus Löchern und Schlitzen. Lose Steine oder wackelige Griffe wurden in’s Jenseits befördert. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Freunden bedanken, die ihre Freizeit für solch mühsame und riskante Aktionen opfern …

Danach begann die Feinarbeit: Im Grigri hängend bastelte ich von unten startend die besten Kletterpassagen zu neuen Kreationen zusammen. Dabei veränderte sich der ursprüngliche Wegverlauf an manchen Stellen, und legte ihn in den besseren Fels. Zudem konnte ich die alten Routen mit neuen Seillängen nach oben hin verlängern (Sani hat am Ende der Hauptschwierigkeiten immer aufgehört). Es war mir auch wichtig, dass die neu entstandenen Linien einen möglichst homogenen Schwierigkeitsgrad aufweisen. Insgesamt sind es nun 30 neue bzw. sanierte Seillängen, die, was den Fels betrifft, keine Wünsche offen lassen …

Völlig neu entstanden ist die „Super-Crack“. Die Linie zweigt im mittleren Teil des „Sani-Heinl-Gedächtnis-Weg“ nach rechts in eine Verschneidung ab. Gleich darauf lies sich eine glatte Platte im 8. Grad nicht vermeiden, um weiter oben auf eine markante Rampe zu gelangen. Die wird von einer breiten Riss-Spur durchzogen und bietet puren Klettergenuss. Der Fels ist megarau, deshalb ist es vielleicht besser, hier lange Hosen zu tragen. Mit 12 Seillängen ist dies längste und eindrucksvollste Tour im Sektor Sani.

Somewhere over the Rainbow
Absolute Genussroute mit Platten, Wasserrillen, Schlitzen, Henkeln, steilen Wandstufen und zuletzt noch Chickenheads. Überwiegend im 5. bis 6. Grad, maximal 6+/7- (6 obligatorisch). Vom Wandbuch können noch 3 weitere Seillängen im 4. bis unteren 6. Schwierigkeitsgrad entlang der Gratkante angehängt werden. Diese münden in die Ausstiegslängen der benachbarten Routen. Von der letzten Kette kann entlang der Gratkante abgeseilt werden. Die Route widmete ich Philipp Munkler, der 2023 am benachbarten Wetterwandeck abgestürzt ist.

Rock’n’Roll Rendezvous
Abwechslungsreiche, begeisternde Tour mit einigen kniffligen Kletterpassagen auf steilen Platten und Riss-Verschneidungen. In der Mitte führt ein toller Quergang nach links in die markante Verschneidung. Nach oben hin wird die Route entlang der Gratkante leichter. Vom Wandbuch kann noch eine Seillänge auf dem Sani-Gedächtnis-Weg weitergeklettert werden. Vom letzten Stand über die Gratkante abseilen. In der schwersten Länge 6+/7- (6 obligatorisch).

Sani-Heinl-Gedächtnis-Weg
Am Einstieg geht es gleich richtig zur Sache: eine steile, glatte Rissverschneidung ist sehr athletisch. Danach folgt anspruchsvolle, kleingriffige Plattenkletterei, die von kurzen Verschneidungen oder Quergängen unterbrochen wird. Die Kletterei bewegt sich ziemlich homogen im 7. Grad, gelegentlich auch schwerer (6+ obligatorisch). Die Tour wurde dem ersten Erschließer dieser Wand gewidmet. Nach der letzten, einfacheren Seillänge vom Wandbuch über die Gratkante abseilen.

Super-Crack
Die Linie zweigt am Stand der 5. Seillänge des Sani-Gedächtnis-Weg nach rechts in eine Riss-Verschneidung ab. Hier folgt ein plattiger Quergang, die schwerste Passage in der Tour. Danach wird es zunächst leichter, um in eine markante Riss-Spur zu gelangen. Die steilt sich im weiteren Verlauf deutlich auf und wird immer athletischer. Nach oben hin wird man dann wieder mit Genusskletterei belohnt und steht kurz vor dem Ausstieg auf einer luftigen Sockelkante. Vom 3. bis 8. Grad ist alles vertreten, was die Route etwas unhomogen macht (6+ obligatorisch). Dafür ist die “Super-Crack” mega-rau und mit 12 Seillängen die vielleicht eindrucksvollste Unternehmung im Sektor Sani. Vom letzten Stand nach links entlang der roten Pfeile zur Abseilpiste und über das Geröll ausholend zurück zum Einstieg.

Absicherung
Sämtliche Routen sind perfekt mit Bohrhaken abgesichert. Die Abseilstände sind mit Kettern ausgestattet.

Ausrüstung
50-Meter-Doppelseil, 12 Exen, Abseilausrüstung

Talort
Talstation Ehrwalder Alm

Zugang
Mit der Bahn oder dem Bike hinauf zur Ehrwalder Alm, anschließend entlang der Beschilderung weiter zur Hochfeldern Alm. Kurz davor zweigt ein steiler Schotterweg nach links Richtung Issentalkopf ab. Bikedepot bei einer Kehre kurz unterhalb der Bergstation. Hier führt ein Pfad durch ein Holztor hinauf zum Sattel zwischen Issentalkopf und Plattspitze. Vom Sattel links des markanten Latschenhangs hinauf zum Roten Lawinen-Spreng-Masten. Kurz davor nach rechts über die Geröllhalde zu den naheliegenden Einstiegen hinab. Von der Talstation mit oder ohne Bahnunterstützung ca. 1,5 bis 2 Stunden. Tipp: Mit dem E-Bike fährt man die 1000 Höhenmeter und 8 Kilometer in 45 Minuten bis zum Bikedepot hinauf. Von dort gelangt man in ca. 30 Minuten zu den Einstiegen.

Abstiege
Die Routen „Over the Rainbow“ und „Rock’n’Roll Rendezvous“ enden auf einer Gratkante, auf der bis zum letzten Stand des „Sani-Heinl-Gedächtnis-Wegs“ weitergeklettert werden kann. Von hier entlang der Gratkante 4mal geradeaus hinab zum Wandfuß Richtung Klettergarten abseilen. Von der „Super-Crack“ nach links entlang der roten Pfeile zuerst queren, anschließend 3mal abseilen und über Geröll zurück zum Einstieg der Tour.

Unterkunft
Auf der idyllisch gelegenen Hochfeldern Alm (frühzeitige Reservierung empfohlen) Siehe www.hochfeldern-alm.at

Bildgallerie

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5 Gedanken zu „Klettern an den Gatterlköpfen“

  1. Wir sind heute die “Somewhere over the rainbow” geklettert. Super Tour in tollem, rauhen Fels. Vielen Dank an die Erschließer! 🙂
    Was noch super wäre, wenn ihr die Länge der Seillängen vermerken könntet. Das würde es etwas einfacher machen, SL auch mal zusammenzuhängen. Das ist uns heute nur aufgefallen.
    Der Fels lädt auf jeden Fall ein wiederzukommen. 🙂
    Viele Grüße, Stephanie

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  2. Heute hat mir der Daniel geschrieben:
    Servus Pat, waren im Mai am Sani Sektor. Sind die Rainbow & die ersten 3 SL der Rock’n Roll geklettert ( nahendes Schlechtwetter ). Feine Routen, bester Fels & wie gewohnt : ideale Absicherung ! VIELEN DANK für deine Mühen und die daraus erstandenen tollen Routen. Gruß Daniel

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