Ich kenne in den Alpen kein vergleichbares Klettergebiet mit einem solch üppigen Routenangebot, wie an der „Parete di San Paolo“ bei Arco. In den letzten 10 Jahren sind hier ca. 50 Mehrseillängen-Routen in den mittleren Schwierigkeitsgraden (4c bis 6c) auf engstem Raum entstanden. Die durchschnittliche Zustiegszeit liegt bei 5 bis 10 Minuten, für den Abstieg benötigt man je nach Route oder Parkplatz ca. 30 Minuten. Die überwiegend humane Absicherung hat sicherlich ebenfalls dazu beigetragen, dass sich die Paolo-Wand zum meist besuchten Klettergebiet im Sarca-Tal etabliert hat.
Das Gebiet wurde relativ spät entdeckt. Diego Filippi, Roly Galvagni und G. Mantovani hinterließen hier um die Jahrtausendwende an der bis zu 200 Meter hohen Wand mit “Penelope, Pantarei und Porci con le Ali” die ersten gängigen Kletterrouten. Die phantastischen Linien, durchwegs schöne Kletterei samt klettergartenähnlicher Absicherung mit Bohrhaken machten die Routen schnell zu Klassikern des Massivs. Die Erstbegeher Grill, Kluckner und Heiß erkannten bald darauf das Potiential an dieser Wand und begannen mit einer flächendeckenden Erschließung. Ihr bekanntes Markenzeichen: Bohrhaken nur an den schwersten Stellen, dazwischen viele Sanduhrschlingen und nach Möglichkeit Eigenintiative mit Keilen und Friends. Diese gutgemeinte Ideologie wird jedoch auch oft kritisiert, die Schlingen modern vor sich hin und wer will sich irgendwann noch daran einhängen? Wie dem auch sei, es gibt an dieser Wand noch weitere Erschließer guter Linien mit konsequenter Bohrhakenabsicherung. Das größere Problem ist mittlerweile der „Speck“, der sich in kürzester Zeit in den Routen aufgrund zahlloser Begehungen angesetzt hat, und nicht weniger wird.
So auch in der „Helena“. Bei meiner ersten Begehung war ich begeistert: durchgehend rauhe, schöne und spannende Kletterei ohne viel Botanik, wie man es sonst oft im Sarca-Tal antrifft. Drei Jahre später: die schweren Stellen abgegriffen, die Sanduhrschlingen verwittert oder abgewetzt. Trotzdem gehört die Tour für mich immer noch zum Besten, was die Paolo-Wand zu bieten hat: zahlreiche löchrige Platten, versteckte Risse, ausgesetzte Quergänge und ein endlos griffiger Riesen-Überhang. Wiederholern sei zu raten möglichst bald einzusteigen, die Politur wird nicht weniger …
Schwierigkeit
Ursprünglich max. 6a. Die plattige Schlüsselstelle in der 4. Seillänge tendiert aufgrund der Glätte mittlerweile zu 6b. Der Überhang in der 5. Seillänge (6a) lässt sich immer noch gut frei klettern. Rest homogen 5a bis 5c. (5c+ obligatorisch)
Absicherung
Die schweren Stellen sind mit Bohrhaken gut gesichert. Dazwischen viele Sanduhrschlingen unterschiedlicher Qualität. Mit Keilen und Friends kann optimiert werden.
Material
Doppelseil, 10 Exen, Schlingen, evtl. Keile und Friends
Zustieg
Von Arco auf der schmalen Straße entlang der Paolo-Wand. Man fährt am Ristorante „Lanterna“ vorbei und parkt am alten Wehr auf der rechten Straßenseite. Vom Parkplatz gerade hoch zum Wandfuß und nach rechts zum Einstieg bis zur gut sichtbaren Verschneidung. Der Routenname ist angeschrieben. Vom Parkplatz ca. 5 Minuten. Von Arco ca. 1,5 Kilometer.
Vom Ausstieg durch den Wald zum Wanderweg. Nun immer rechts haltend zurück zum Ausgangspunkt. Ca. 25 Minuten.
Tipp
Wer sich mal was Langes gönnen will: Die Massive “Paolo-Wand, Monte Colt und Mandrea” liegen übereinander und können über Pfade erreicht werden. So können an einem Tag bis zu 25 Seillängen miteinander kombiniert werden.
Übernachtung
Der Campingplatz Zoo liegt der Paolo-Wand am nächsten. Von hier aus können die Kletterrouten gut zu Fuß erreicht werden.
Topos
Kletterführer Hohe Wände bei Arco, Verlag Versante Sud