Das Erstbegeher-Duo Josef Brüderl und Fritz Amann hat in den 90er Jahren früh erkannt, welch enormes Potential an Neutouren in den Berchtesgadener Bergen steckt. Nach Schweizer Vorbild richteten sie in der Gegend viele neue „Plaisirtouren“ ein. Was sie heute am Einbohren reizt: aus „zuerst an sich wertlosem Fels“ Routen zu kreieren, die von der Felsqualität her so schön und von der Absicherung her so gut sind, dass viele Leute in ihnen einen schönen Klettertag verbringen können. Dies wurde durch den Einsatz von Bohrhaken ermöglicht, da viele ihrer Routen über kompakte Plattenzonen verlaufen, wo früher kaum jemand auf die Idee gekommen wäre, eine Route erstzubegehen.
Es war nie das Ziel von Josef und Fritz, Monumente der eigenen Kühnheit zu schaffen oder sich als wagemutige Kletterer darzustellen, wie sie von sich behaupten. Die Anzahl der Wiederholungen ist sicher ein Argument für die Berechtigung dieser Routen. Auf der anderen Seite ist beiden Erstbegehern selbstkritisch bewusst, dass relativ gut gesicherte Touren leider oft auch unerfahrene Leute anlocken und somit Unfälle, trotz der guten Absicherung vorkommen können, wie es z. B. in der „Sternschnuppe“ der Fall war. Hier verstieg sich ein Frau, und beim Versuch wieder zurückzuklettern, stürzte sie dabei unglücklich ab.
Josef und Fritz stießen in ihrer Gegend nicht immer auf Akzeptanz in der Kletterszene, mittlerweile haben sich die Wogen jedoch geglättet. Ihren Skeptikern und Kritikern entgegneten sie: Leider sind auch für uns die schönen Wochenendtage eher spärlich gesät, so dass die Zeit nie ausreichen wird, die „ganze Reiter Alm“ oder auch andere Gebiete „kaputtzubohren“ (Originalkritik) und so sicher für alle Kletterer, auch den „Alpinfreaks“, der Spielraum erhalten bleiben wird. Und selbst dieses Klientel konsumiert früher oder später die ein oder andere Bohrhakenlinie, wie ich meine. Wichtig ist doch nur, dass die Routen professionell eingerichtet bzw. nicht übersichert sind und dass rostfreies Material verwendet wird. So haben viele Generationen ihren Spaß daran …
Die Reiter Alm ist ein ausgedehntes Plateaugebirge der Berchtesgadener Alpen zwischen Schneitzlreuth, Ramsau und Lofer. Es bricht vor allem nach Norden mit teils bis zu 700 m hohen Felswänden ab und besteht meist aus solidem wasserzerfressenen Kalkgestein. Hier gibt es viele klassische Alpinklettereien und moderne Bohrhakenrouten bis zu 20 Seillängen. Und sogar Thomas Huber hat sich hier mit seiner „End of Silence“ im oberen 10. Grad verewigt.
Die meistbegangenen Routen befinden sich rund um das Feuerhörndl und bewegen sich überwiegend in den mittleren Schwierigkeitsgraden. So versprechen z. B. die Sternschnuppe, Harry Potter, Glück und der Astrofant viel Plaisir in äußerst rauem Edelfels. Der etwas lange und teilweise botanische Zustieg verlangt etwas Orientierungsvermögen, um an die verschiedenen Einstiege zu gelangen. Aufgrund der nordseitigen Lage ist das Gebiet für heiße Hochsommertage geeignet.
Überwiegend 5 – 7, 6 obligatorisch. Kletterlänge +/- 10 Seillängen. Durchschnittliche Wandhöhe ca. 300 m.
Absicherung
An den Ständen befinden sich geklebte Haken und teilweise Sanduhrschlingen. Insgesamt sind die Routen gut und logisch mit Bohrhaken abgesichert. Dazwischen kann gelegentlich mobil optimiert werden.
Material
Doppelseil, 12 Exen, evtl. Keile und Friends zu zusätzlichen Absicherung
Anreise
Von Unterjettenberg nach Berchtesgaden (Alpenstraße) abbiegen und bald nach rechts in Richtung Oberjettenberg. Oberjettenberg ist ein Deutscher Militärstützpunkt, gleich am Anfang links auf dem beschilderten Wanderparkplatz parken.
Zustieg
Von Oberjettenberg auf dem Forstweg zur Traunsteiner Hütte. Nach der Schranke den zweiten Abzweiger nach links nehmen. Auf Forststraße zuerst flach, dann steil. Am Ende der Straße nach rechts, eine Lichtung querend (Steinmänner) bis zu einem am Anfang gelb markierten Pfad (“Schnellaufstieg”). Diesem folgend bis zum Sockel der Wartsteinkante (die Lichtung ist der “Knackpunkt”, wer den markierten Weg nicht findet, landet auf der “Haustechnik” (Kahlschlag mit Leitungen der Seilbahn, über den auch aufgestiegen werden kann). Hier trifft man auf den Querpfad, auf diesem links aufwärts bis ins Kar unter dem Wartsteinband (Rucksackdepot). Links unter den Wänden queren, am Einstieg der Sternschnuppe vorbei und in einer Links-Rechts-Schleife auf den Schrofenvorbau. (ca. 50 m links der Sternschnuppe; Stellen I und II). Einstieg bei Bohrhaken mit gelber Reepschnur. 1,5 Stunden; 750 hm.
Abstieg
Nach Süden durch Latschen zur Seilbahnstation und über das seilversicherte Wartsteinband in das Kar zum Rucksackdepot zurück. 30 Minuten
Topos
In google eingeben: bruederl amann klettern
Kletterführer Österreich Mitte, Alpinverlag