Klettern bei Ailefriode

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Schon vor vielen Jahren war ich mit ein paar Freunden in der Dauphiné, nach einer Besteigung des „Barre des Écrins“ landeten wir dann eher zufällig in Ailefroide. Die Überraschung war damals groß: ein rießiger Campingplatz, Zelte und ausgebaute Busse soweit das Auge reicht, an jeder Ecke Kletterer aller Altersklassen. Wir wollten einen dieser zahlreichen Baseclimbs auch mal antesten, irgendwie (ohne Topo) kommt man da schon hoch. Xaver, das Alphatier der Truppe lehnte allerdings entschieden ab: nein, in so eine „Rutsch’n“ (er meinte Platten) steige ich nicht ein. Wir waren ja vor allem Alpinisten, doch die Jüngeren unter uns folgtem ihrem Ruf …

Seitdem verschlug es mich immer wieder nach Ailfroide und schon sehr bald stand für mich fest: es ist in den Alpen definitiv DER Hotspot für mehr oder weniger lange Granitrouten mit kurzem Zustieg und Plaisircharakter. Da stehen Kletterer morgens um 5 Uhr auf, um mittags wieder bei ihren Familien zurück zu sein. Andere hingegen schlafen aus, frühstücken gemütlich und steigen dann noch am frühen Nachmittag in eine x-beliebige Wand ein oder wandern gemütlich zu den verstreuten Boulderblöcken.

Der Campingplatz ist unüberschaubar groß, mit zahlreichen Gruppen aller Nationalitäten übersät. Man fragt sich: was machen die hier alle? Nach genauerer Beobachtung stellt sich dann heraus: vor allem Süd-Franzosen flüchten im August vor der Hitze in die höher gelegene „Kalte Luft“, nach Ailfroide auf 1500 m Höhe. In der Tat, sobald die Sonne am Campingplatz hinter den hohen Bergen verschwindet, ist es schlagartig frisch und das Volk zieht sich wieder warm an. Dann dauert es nicht lange, bis die ersten Lagerfeuer den Campingplatz einräuchern …

Man hat den Eindruck hier tasten sich viele an den Fels ran, da wird zwanglos rumprobiert, Kurse gehalten oder einfach nur ein gelassener Kletterurlaub gelebt. Alles ist wunderbar überschaubar und nach dem Abseilen sitzt man eine halbe Stunde später wieder gemütlich am Campingtisch. Für viele ist Ailfroide aber auch der Ausgangspunkt für die umliegenden 3000er, gekrönt vom 4102 Meter hohen „Barre des Écrins“, oder dient danach der Erholung.

Ailfroide ist das perfekte Granitgebiet für Einsteiger bzw. Fortgeschrittene. Es sind aber auch die ursprünglich gehaltenen Bars, Restaurants, Sport- und Souvenirläden, was die Massen hier anlockt. Nach dem Klettern wird im kühlen Gletscher-Bach gebadet und es ist Urlaub und Entspannung angesagt.

Routenangebot

Rund um den Campingplatz verstreut gibt es mehrere Hundert Kletterrouten. Unter den zahlreichen Mehrseillängen-Wegen (bis zu 15 Seillängen lang) zählen auch einige Klettergärten mit kurzen Routen dazu. Außerdem gibt es zahlreiche Boulderblöcke.

Schwierigkeiten

Es gibt Kletterrouten überwiegend in den mittleren Schwierigkeitsgraden 5a bis 6b, gelegentlich aber auch leichter bzw. schwerer.

Absicherung

Die meisten Routen sind ausreichend bis gut mit Bohrhaken abgesichert, Keile und Friends werden nur selten gebraucht.

Ausrüstung

Für die Mehrseillängen-Routen: 50-Meter-Doppelseil, 12 Exen, Abseilausrüstung

Für die Sportkletter-Routen: 70-Meter-Einfachseil, 12 Exen

Zustiege

Die meisten Zustiege sind vom Campingplatz aus in ca. 20 bis 30 Minuten zu Fuß erreichbar.

Abstiege

Bei den meisten Mehrseillängen-Anstiegen wird über oder neben der Tour abgeseilt. Im Sektor „Fissure“ gibt es einen Fußabstieg.

Infrastrukur

Es gibt einige Lebensmittel-Läden, Restaurants, Bars, Sportgeschäfte, Souvenierläden, Bergführer-Büros, Chalets, Tiny-Häuser und einen großen Campingplatz.

Hier eine kleine Auswahl klassischer bzw. gängiger Mehrseillängen-Routen

„Quartier haute sécurité“ im Sektor Amigos

Die Linie befindet sich mitten im Sportklettersektor Amigos. Das Angebot reicht hier von Ein- bis zu Vier-Seillängen-Routen. Der kurze Zustieg und die vielen Linien locken zahlreiche Kletterer an. Die „Quartier haute sécurité“ bietet sehr schöne Verschneidungs- und Plattenkletterei in grauem Granit. Vormittags im Schatten gelegen.

„Cascade blues“ im Sektor Cascade

Namensgebend ist die Querung eines felsigen Bachbetts mitten in der Wand. Sie ist je nach vorhandener Wassermenge mehr oder weniger abenteuerlich. Ein Fixseil ist zur Sicherheit vorhanden. Davor und danach gibt es sehr schöne Verschneidungs- und Plattenkletterei.

„Pilier du levant“ im Sektor Pelvoux

Die Tour zählt zu den Klassikern bei Ailefroide, dementsprechend herrscht hier oft Staugefahr. Es gibt zwar noch weitere Ausweich-Routen, dennoch ist es ratsam antizyklisch, also ganz in der Früh oder erst nachmittags einzusteigen. Sehr schöne Kanten- und Plattenkletterei, anhaltend schwer. Die anspruchsvollsten Passagen sind gut gesichert, dazwischen gibt es etwas weitere Hakenabstände. Im Kletterfüher wird sie als 5-Sterne-Tour beschrieben.

„La bonne poire“ im Sektor Poire

Ein Stück taleinwärts, fernab des Mainstreams gelegen. Die Tour bietet sehr schöne Plattenkletterei, im oberen Bereich steile Wand- und Kantenkletterei. Absolut empfehlenswert, wunderbarer Gneis. Abseilen über die Route.

„La snoopy directe“ im Sektor Fissure

Das markante Massiv erhielt seinen Namen von einem auffälligen Verschneidungskamin, der die ganze Wand durchzieht. Dabei zählt die „Snoopy“ zu den Klassikern in Ailfoide. Mit einem großen Andrang ist zu rechnen, auch hier am besten antizyklisch einsteigen. Sehr schöne Tour mit Verschneidungen, Gletscherschliff-Platten und Wandstufen. Es kann über die Tour abgeseilt werden, vorteilhafter ist jedoch der teilweise exponierte Fußabstieg. Nachmittags klettert man im Schatten.

Topos

Kletterführer Schweiz Plaisir Süd, Band 2 www.kletterfuehrer.net

Kletterführer Ailefriode Climbs www.kletterfuehrer.net

Webinfo

www.patricia-neuhauser.ch

www.outdooractive.com

mdettling.blogspot.com

Bildgallerie

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1 Gedanke zu „Klettern bei Ailefriode“

  1. Einer der schönsten Flecken, die ich kenne. Perfekte Granitschule. In Pelvoux gibt es im kleinen Sportladen einen Ailefroide Führer mit fast allen Routen incl. Klettergärten um 10€.

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