Klettern auf Korsika

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Lange Zeit hatte ich es vor mir hergeschoben, der Insel einen Besuch abzustatten. In den Beschreibungen las ich zwischenzeitlich immer wieder von lange Zustiegen durch die Maccia, die Einstiege seien schwer zu finden und die Routen alpin bzw. schwer abzusichern. Pfingsten 2016 überzeugte ich mich selbst davon, der Urlaub hat sich mehr als gelohnt und man wollte am liebsten nicht mehr heimfahren.

Korsika bietet für uns Freizeit-Aktivisten sehr viele Möglichkeiten, wie man es im Mittelmeerraum sonst selten findet: Baden im Meer bzw. Gumpen in wunderschönen Bächen, Kajakfahren, Wandern, Biken, Klettern, Skitouren im Frühjahr. Man fühlt sich fast schon wie in den Alpen daheim. Die Insel ist sehr gebirgig und erreicht eine Höhe bis 2700 m am Monte Cinto. Dies bedingt auch im Sommer Niederschläge mit teils heftigen Gewittern, deshalb ist die Landschaft von immergrünen Sträuchern, Büschen und Bäumen geprägt. Vor allem im Frühjahr erlebt man hier die Blütezeit in einer artenreichen Vielfalt und in voller Pracht.

Neben den üblichen Bade-Touristen im Sommer, durchwandern hier viele den fantastischen alpinen Fernwanderweg GR20, der die ganze Insel von Norden nach Süden durchzieht. Für uns Kletterer ist jedoch die Felsqualität auf Korsika von besonderer Bedeutung: Granit vom Feinsten, mit einer rauen quarzhaltigen Oberfläche versehen, was dem Antreten am Fels besonders entgegenkommt. Dazu immer wieder Einlagerungen mit Sanduhren, Bierhenkeln, Brotlaiben, Aushöhlungen und Riesenschuppen, den berühmten „Tafonis“, die man in vielen Kletterrouten antrifft. Man befindet sich hier in einem Mehrseillängen-Paradies mit moderaten Schwierigkeiten und guten Absicherungsmöglichkeiten. Das Angebot an Sportkletterrouten kann sich mittlerweile auch sehen lassen: Der neue Führer „Falaises de Corse“ (2015) präsentiert auf 350 Seiten über 45 Sportklettergebiete auf der ganzen Insel. Nach einem ausgefüllten Klettertag geht es meist zum Baden in den nächsten Gumpen oder gleich ans Meer. Eindrucksvolle Felsmassive, Nationalparks, Canyons, Schildkrötengehege, historische Dörfer, südseeähnliche Badebuchten usw. sorgen für erlebnisreiche Urlaubstage.

Das Restonica-Tal

Landschaftlich äußerst reizvoll, üppiges Routenangebot, Top Klettergärten. Wer in Bastia ankommt, sollte am besten gleich nach Corte und ins anschließende Restonica-Tal fahren (ca. 1,5 Std.) Zu den Massiven geht es über eine schmale Teerstraße das enge Tal hinauf und bietet ein wunderschönes Ambiente entlang eines Bebirgsbaches und der Kletterfelsen. Parkmöglichkeiten gibt es in Nischen am Straßenrand. Nach ca. 8 Km erreicht man einen großen Parkplatz mit Parkgebühr (evtl. Übernachtungsmöglichkeit). Von hier führt ein Wanderweg weiter zum Melosee und in einer weiteren Stunde zum Capitellosee mit einer spektakulären Kletterroute. Der Weg dorthin ist mit Sicherheit der Höhepunkt eines Korsika-Urlaubs. Im ganzen Tal ist „wildes Campieren“ verboten, in Corte gibt es jedoch viele offizielle Camping-Plätze. Empfehlenswert gleich rechts am Taleingang, mit einer schönen Wiese und rustikalen Bar. Der weiter oben liegende „Tuani“ liegt zwar schön, aber das Preis-Leistungsverhältnis passt einfach nicht.

“Bella Ciao” am Monte Leonardo, 8 Seillängen, 7 bzw. 6+ obligat.

Nach der Ankunft in Bastia am gleichen Tag unser erster Felskontakt. Kurzer Zustieg , 15 min., schöne Einstiegsverschneidung, knackige 2. Seillänge, nach oben hinaus schöne Tafunis. Mit Bohrhaken gut gesichert. Einmal kurz Abseilen, anschließend über Schrofen schnell zurück am Parkplatz

Topo Bella Ciao

„Esmeralda“ an der Punta a u Finellu, 14 Seillängen, 7+ bzw. 7 obligat.

Eine der längeren Routen im Restonica-Tal. Der Zustieg führt durch einen Dschungel von Bäumen, Sträuchern, Botanischen Gärten und Bachläufen. Mit Hilfe einiger Steinmänner und einer Handvoll Phantasie lässt sich der Einstieg finden. Die Route leitet durch zahllose Tafunis, steile Wände mit Brotlaiben und spannenden Plattenpassagen. Sehr schöne Tour, ein echtes Klettererlebnis. Mit Bohrhaken gut gesichert. Allerdings nerviges Abseilen über die Route.

Topo Esmeralda

“Symphonie d’automne” an der Point des 7 Lacs, 6 Seillängen,  7-.

Die Route war der Höhepunkt unseres Urlaubs und eines meiner schönsten Klettererlebnisse überhaupt. Bereits der Zustieg über der den Melosee zum Capitellosee ist landschaftlich phantastisch und führt entlag von Cascaden und Granitstufen. Der Einstieg zur Route leitet über ein Stahlseil über das Seeufer und man hat Mühe, dabei nicht nass zu werden. Danach folgt tolle gut gesicherte Wand- und Plattenkletterei, mit einem phantastischen Tiefblick auf den Capitellosee. Abseilen über die Route, das Stahlseil kann umgangen werden.

Topo Symphonie d Automne

Das Tavignano-Tal

Parkplatz bei Corte an der Zitadelle. Richtung Norden führt ein landschaftlich schöner, flacher Wanderweg entlang eines Baches zum Refuge Sega.

„Ombre et Lumiére“ am Rossolino, 7 Seillängen, 7 bzw. 6+ obligat.

Von Corte knapp 2 Stunden entlang des Pfades bis zu einem großen Steinmann. Ein Stahlseil leitet nach rechts in eine Schlucht zum Einstieg. Knackige Einstiegslänge, danach folgen phantastische Verschneidungen, wie man es selten erlebt. Nach oben hinaus purer Genuss. Perfekt mit Bohrhaken eingerichetet. Abseilen über die Route.

Topo Ombre et Lumière

Der Bavella-Pass

Das bekannteste Klettergebiet im Süden der Insel. Von der Passhöhe leitet über den GR20 beidseitig ein Wanderweg zu den vielen Mehrseillängen-Routen. In wenigen Minuten erreicht man mehrere gute Sportkletter-Sektoren mit Massenbelagerungs-Charakter. In der Gegend gibt es auch den „Elefanten-Rücken“, vielleicht die berühmteste Korsika-Tour mit Plattencharakter und sportlicher Absicherung. 500 m östlich der Passhöhe bietet sich ein Matratzenlager mit Restaurant und Dusche an. Durch Zufall entdeckten wir den schönsten Übernachtungsplatz meiner Reisen: gleich hinter der Statue auf dem Pass führt ein holpriger Weg zu einer großen Wiese mit Meeresblick an die Ost- und Westküste der Insel. Wir waren hier nicht alleine, in Insiderkreisen anscheinend bekannt und übernachten unkompliziert. Wer einen Patagonien-Urlaub plant, ist hier am richtigen Trainings-Ort: der Pass ist dem Wind von West nach Ost schutzlos ausgeliefert, die Kieferkronen sind abgeflacht von häufigen heftigen Stürmen, wie wir es eines morgens selbst erlebt und schnell die Flucht ergriffen haben. Der Bevella-Pass gehört jedoch zum Pflichtprogramm eines Kletterurlaubs auf Korsika. Neben den modernen Bohrhakenrouten gibt es auch viele leichtere, klassische Linien mit Selbstabsicherung.

„U Campulu“ an der Punta di l’Alba, 5 Seillängen, 7- bzw. 6 obligat.

Kurzer Zustieg vom Pass aus, nach der Einstiegslänge einmal abseilen, danach eine Mega-Tafoni-Seillänge mit Selbstabsicherung, an den schweren Wand-Stellen befinden sich gelegentlich Bohrhaken. Tolle spannende Tour, schneller und unkomplizierter Abstieg durch eine Schlucht.

Topo U Compulu-001

„Patrimomiu“ an der Punta di a Vacca, 10 Seillängen, 6+

Über den GR20 etwas weiterer Zustieg, der untere Teil für Korsika-Verhältnisse eher mittelmäßig, nach einem Absatz tolle Plattenkletterei. Bohrhakenabsicherung. Rückweg über den GR20.

Topo Patrimoniu

„Linea a l’ombra“ an der Punta di u Chjapponu, 6 Seillängen, 7- bzw. 6+ obligat.

Mit dem Bike über eine Forstraße bis zu einem Pfad. Mit etwas Spürsinn durch die Botanik problemlos zum Einstieg. Geniale Wandkletterei, wie man es selten erlebt, für mich die beste Bavella-Tour. Der raue Fels erlaubt perfektes Antreten in steilsten Passagen. Wunderbare Tafonis, Verschneidungen, Kamine usw. Bohrhakensicherung, Abseilen über die Route.

Topo Linea a l Ombra

„Omerta“ an der Punta di u Peru, 7 Seillängen, 7+ bzw. 7- obligat.

Mit dem Bike über eine Forstraße bis zu einem Pfad. Dank guter Beschreibung durch die Botanik problemlos zum Einstieg. Unten etwas fad, Quergang unter dem großen Tafoni-Überhang. Schlüsselstelle an einem Wulst, anschließend in der Gipfelwand 6b, Wandkletterei vom Feinsten. Nach oben hin flacher, Bohrhakensicherung, mit Friends kann optimiert werden. Abseilen über die Route in einen Canyon, anschließend Absteigen zum Einstieg.

Topo Omerta

Klettergarten “Monte Gozzi”

Schon von Weitem ist der Mone Gozzi an der Westküste bei Afa sichtbar. Großes, verlockendes Massiv, schlechte Parkmöglichkeiten im suspekten Villenviertel, Zustieg auf dem Pfad durch die Maccia. Bei genauerer Betrachtung ist der ganze Berg von Flechten übersät. Wir haben wirklich fast alles abgegrast und wenige nichteinladende Einstiege gefunden. Dennoch werden einige Routen im rechten vorgelagerten Wandteil gelobt (???). Dorthin zu gelangen, muss auch erst mal gefunden werden oder gleicht einer Odyssee durch’s Gestrüpp. Am Rückweg haben wir glücklicherweise den Klettergarten „Le petit Gozzi“ unterhalb des Massivs gefunden und mit ein paar schönen Touren im Bereich 6a/b war dieser Tag doch noch gerettet.

Topo Klettergarten Le Petit Gozzi

Absicherung

In den Klassikern bis zum 6. Schwierigkeitsgrad kann gut mobil in Rissen und Verschneidungen abgesichert werden. In den Tafonis befinden sich zahlreiche Sanduhren mit Schlingensicherung. Die schwereren Routen und Standplätze sind überwiegend gut mit Bohrhaken eingerichtet. Es muß allerdings auch mal von den Haken weggeklettert werden, dies ist aber nie wirklich gefährlich.

Material

Doppelseil, Sportkletterseil, Friends und Schlingen

Zustiege

Viele Zustiege sind kurz oder in der Nähe eines Wanderwegs und dadurch leicht zu erreichen. Manchmal geht es aber auch weglos entlang von zahlreichen Steinmännern durch die Maccia. Mit etwas Spürsinn sind die Einstiege jedoch gut zu finden

Literatur

Unter anderem gibt es den gibt es den Mehrseillängen-Auswahlführer „Grandes voies de Corse“. Die Sportkletterouten sind in „Falaises de Corse“ enthalten.

Übernachtungsmöglichkeiten

Generell ist wildes Campieren auf der ganzen Insel verboten. Es gibt jedoch viele Campingplätze mit unterschiedlichem Standard, Durschnittspreis 25 Euro für ein Wohnmobil und zwei Personen. Wer sich unauffällig verhält, kann auch mal in Parkbuchten oder Parkplätzen über Nacht stehen bleiben. Wegen der Waldbrandgefahr kein Feuer machen, das wird teuer!

Beste Zeit

Herbst, Frühjahr und Frühsommer. Im Sommer dürfte es meist zu heiß bzw. im Winter zu wechselhaft sein.

Anreise

Es gibt viele Fähr- und Flugverbindungen, um auf die Insel zu kommen. Die Fähre von Genua bietet mit der Moby-Line eine Nachtfahrt nach Bastia, sodass am nächsten Morgen gleich ins nächstgelegene Klettergebiet (z. B. Restonica) gefahren werden kann. Wer mit dem Flugzeug anreist, ist auf ein Mietauto angewiesen.

 

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