Die “Neue Welt” am Schneeferner Kopf

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Die „Neue Welt“ ist eine Steilabfahrt am Zugspitzmassiv, die ca. 1800 Meter nach Süden hinab nach Ehrwald führt. Unterbrochen wird sie durch einen Felsabbruch, der durch einmaliges Abseilen überwunden wird. Gerade dies verleiht der Tour eine besondere Note, weshalb sie weit über ihre Grenzen hinaus bekannt ist. Vom Fernpass aus ist die Abfahrt schon von Weitem deutlich zu erkennen (siehe Topo).

Wir deponierten am Zielpunkt bei der Ehrwalder-Alm-Bahn ein Bike und fuhren anschließend mit dem Auto zur Tiroler Zugspitzbahn oberhalb von Ehrwald. Mit einer Bergfahrt gelangt man schnell hinauf zum Gipfel. Hier erwartet einen gleich ein Testpiece, die Abfahrt zum Zugspitzplatt mit den Skiern: ca. 400 Höhenmeter, max. 40 Grad steil. Von der Bergstation ein paar Meter Richtung Wiener-Neustädter-Hütte, anschließend rein in die Hänge, immer diagonal nach rechts, den Steilabbrüchen ausweichend. Vormittags kann hier die Schneedecke noch gefroren und dadurch ziemlich heikel sein, alternativ dazu gibt es die Minibahn hinab zum Zugspitzplatt.

Das ist schon ein krasser Kontrast hier oben: Ein Audi-Quattro thront auf einer Säule mitten in der Schneelandschaft, beim Restaurant Sonn-Alpin gibt es den höchst gelegenen Biergarten Bayerns bzw. Tirols. An den Bänken sitzen die Scheichs mit ihrem Harem, 10 Teller Pommes, 10 Teller Hähnchenschenkel, 10 Flaschen Cola mit Strohhalm stehen auf dem Tisch und die Kinder spielen mit ihrem Smartphone. Die Russen bestellen Wodka und die Inder bekommen ihr vegetarisches Gericht nach streng fernöstlichem Speiseplan, wie uns der Küchenchef nach einer anderen Tour einmal erzählte. Der Hunger ist hier oben jedoch anscheinend nicht so groß, so landet einiges an Essen abends in der Schweinezucht von Garmisch. Nur der Wodka wird konsequent vernichtet …

Aber wir waren ja zum Skifahren hier. Dank tolerantem Liftpersonal durften wir mit dem Schlepplift ein ganzes Stück zum Schneefernerkopf hochfahren. Noch eine halbe Stunde mit den Fellen zum Gipfel und wir standen am Beginn der Abfahrt. Hier gibt es eigentlich nur einen Weg hinab nach Ehrwald: Eine weitläufig schneebedeckte Wanne, dazwischen kurze Felszonen, die geschickt umfahren werden können. Dann wieder breite Hänge, ideales Skigelände, die Richtung ist immer selbsterklärend. An manchen Stellen kann es auch mal 40 Grad steil werden, Traversen zwischen ein paar Felsriegeln, zur Not kann auch abgeschnallt werden. Bei Firn alles kein Problem.

Man fragt sich dann immer wieder: wann kommt denn jetzt die Abseilstelle? Nach ca. 600 Höhenmetern geht’s tatsächlich nicht mehr weiter. Doch wir hatten ein anderes Indiz: schon von der Ferne sahen wir eine Menschentraube, kein Unfall, keine Party, sondern Stau an der Abseilstelle, wie sich später herausstellte. Und das war kein Spaß. Die meisten der ca. 25 Freerider hatten zwar keine Abseilerfahrung, dafür die teuersten Bretter samt edelsten Ski-Klamotten.

Uns blieb zwischenzeitlich nur noch eine ausgiebige Brotzeit mit viel Sarkasmus; nach ca. 1,5 Stunden kamen auch wir endlich an die Reihe. Ein perfekter Bohrhakenstand, einmal 50 Meter abseilen, und schnell waren wir am Beginn einer eindrucksvollen Schlucht. Hier geht es vielleicht nochmal 500 Höhenmeter in die Tiefe, ein richtiger Kanal, indem es manchmal richtig eng, aber nie sonderlich steil wird. An dessen Ende gelangt man wieder in freies Skigelände, wenig später in den Bergwald, dem nervigsten Teil der Tour. Durch verschneite Bachbette müht man sich hier je nach Schneelage mehr oder weniger anstrengend Richtung Tal. Irgendwann ein rettender Ziehweg, der nach links zum Skigebiet von Ehrwald leitet. Bei ausreichender Schneelage kann hier auch über Lichtungen weiter Richtung Talstation gefahren werden. Anschließend mit dem deponierten Bike zurück zur Tiroler Zugspitzbahn.

Fazit: Vor 20 Jahren war ich hier noch alleine unterwegs. Im Zeitalter der Freerider ist die Abfahrt an einem schönen Wochenende im Frühjahr mittlerweile jedoch eine Modetour. Auf dem Gipfel des Schneefernerkopfes sollte man warten bis die Sonne ab Mittag in die Hänge scheint bzw. den Schnee auffirnt. Dann kann es allerdings sein, dass eine Masse an Freeridern daher strömt … Die beste Zeit ist vielleicht von Februar bis März, damit im unteren Teil noch genügend Schnee liegt, der im Frühjahr aufgrund der südseitigen Lage schnell wegtaut. Doppelseil und Helm sind fürs Abseilen vorteilhaft.

 

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