Die schattige Wand „Faccia Oscura della Luna“ (Dunkles Gesicht des Mondes) wird von mächtigen Dolomiten-Gipfeln umrahmt und wirkt dadurch aus der Ferne betrachtet völlig unspektakulär. Der Schein trügt allerdings: je näher man sich dem Vorbau der Cima Pisciadù nähert, desto mehr bäumt sich das 200 Meter hohe Massiv allmählich vor einem auf. Kaum zu glauben, dass man hier klettern kann. Der Fels ist gelegentlich grasdurchsetzt und macht einen feucht-modrigen Eindruck. Doch wenn man einmal in der Wand unterwegs ist, entpuppen sich die Routen als sagenhaft schöne Lochkletterei im dolomiten-untypischen Felsgelände.
Während in den Klassischen Dolomiten-Touren traditionell an Normalhaken und mit Keilen bzw. Friends gesichert wird, werden an dieser unscheinbaren Wand die Nerven etwas weniger strapaziert. Die Erstbegeher, allen voran der Obstbauer Roly Galvagni aus Bozen, haben hier die meisten Routen plaisir-mäßig mit Bohrhaken ausgestattet. Aktuell gibt es ca. 10 Anstiege in den mittleren Schwierigkeitsgraden.
Eine der leichteren Möglichkeiten durch die gesamte Wand zu steigen, bietet die Route „Orwell“. Über einen schrofigen Vorbau erreicht man den Einstieg. Die erste Seillänge führt nach rechts über eine oft feuchte Rampe hinauf zum ersten Stand bei einer Nische. Der darüberliegende Überhang wird linkshaltend in begeisternder Lochkletterei überwunden. Nun befindet man sich in der freien Wand und trotz einiger Graspolster nimmt das Vergnügen im wunderbar griffigen Fels seinen Lauf. Man hält sich diagonal nach rechts zu einer Gratkante, die auf ihrer linken Seite beklettert wird. In diesem Bereich wird die Wand richtig steil, bietet einige Überraschungen (Querungen, Überhänge) und die Schwierigkeiten steigern sich bis 6a+. Nach oben hin klettert man wieder nach links, die Griffe werden wieder größer, bis zum Ausstieg, der schließlich in der Botanik endet.
Die „Faccia Oscura della Luna“, wird in Insider-Kreisen oder bei den Einheimischen auch „Indian Summer“ genannt. Wer nach einer anstrengenden klassischen Dolomiten-Tour einen aktiven Ruhetag mit humaner Absicherung braucht, ist hier richtig. Die Wand bietet sich auch als Halbtages-Ziel bei unsicherem Wetter an. Die Zu- und Abstiegswege sind kurz, überschaubar und in einer wunderbaren Landschaft gelegen. Wer in den Dolomiten auch an Bohrhakenleitern Gefallen findet, sollte sich die Routen im „Dunklen Gesicht des Mondes“ nicht entgehen lassen.
Schwierigkeit
Überwiegend 5a bis 5c. Maximal 6a+. 5c obligatorisch
Absicherung
Die Route ist durchgehend mit Bohrhaken in humanen Abständen abgesichert.
Material
Einfach- oder Doppeilseil, 12 Exen, evtl. Abseilausrüstung
Ausgangspunkt
Kolfuschg an der Grödner-Joch-Pass-Straße. Der Parkplatz befindet sich am oberen Ortsrand bei der Seilbahn-Station
Zustieg
Vom Parkplatz über einen Schotterweg taleinwärts. Nach ca. 10 Minuten befindet sich auf der linken Seite eine weitere Seilbahnstation, hier geht man auf dem Schotterweg weiter. Nach weiteren 5 Minuten führt ein schmaler Pfad nach links in den Wald. Man steigt zu einer Brücke über den Bach ab. Danach nach links und wieder nach rechts auf einen weiteren Schotterweg. Diesen verfolgt man bis zu einer Wiese. Hier nach links hinauf zur Wand. Etwas rechtshaltend, dem Wandfuß entlang, gelangt man zu einem schrofigen Vorbau unterhalb der markanten Einstiegs-Rampe links der kaminartigen Schlucht. Hier geradeaus empor zum Einstieg.
Abstieg
Falls keine nachfolgenden Kletterer in der Wand sind, bietet sich das Abseilen über die Route an. Sonst Fußabstieg nach links ins Mittagstal und über den Wanderweg zurück zum Ausgangspunkt.
Topos
Kletterführer www.escursionista.it
Bildgallerie
Die Tour hat echt Spaß gemacht :-). Wir sind über das Mittagstal abgestiegen. Dabei haben wir uns wahrscheinlich zu weit links gehalten. Dort war der der Abstieg recht steil. Vermutlich geht es besser auch weiter nach rechts (Richtung Nordwesten) wo man auch auf das Mittagstal stößt. Also die Augen auf machen 🙂