“Paulas neue Welt” am Übeleck bei der Reiter Alm

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Das Abenteuer beginnt bereits beim Zustieg, der in ein einsames und wildes Ambiente unterhalb der Übelhorn-Nordwand führt. Das „kleine Steiglein“, wie es in der Führerliteratur beschrieben wird, ist meist mit einem üppigen Laubteppich des Buchenwalds bedeckt und zu Saisonbeginn wegen mangelnder Begehungen kaum mehr zu finden. Mit viel Glück stößt man gelegentlich auf verblasste rote Punkte, zerfallenen Steinmännern, die in eine karge düstere Schlucht mit einer langgezogenen Altschneezunge zum Einstieg führen. Alles kein Problem, wenn man’s einmal gefunden hat und dann sehr hilfreich für den Abstieg …

Und siehe da, am ersten Stand ein Klebehaken und ein Schwerlastanker. Ich frage mich, wer macht sich die Mühe und schleppt das ganze Material in mehrtägiger Arbeit in diese verlassene Gegend hier herauf? Und dies ist erst der Beginn der eigentlichen Unternehmung … Die ersten 5 Seillängen dienen mehr dem Aufwärmprogramm und führen über felsige Steilstufen und einigen unaufgeräumten Bändern zum Beginn einer riesigen Plattenflucht, gespickt mit Verkrustungen, Löchern und Schuppen in allen Größen. Der Weiterweg entpuppte sich als eindrucksvolle Freikletterei an wasserzerfressenen Felsstrukturen entlang den schwächsten und interessantesten Zonen der Wand. An scheinbar haltlosen Platten findet sich überraschenderweise immer wieder eine Rauigkeit, an der die Sohlen bzw. Fingerkuppen den nötigen Halt finden und ein Weitersteigen ermöglichen.

Die bekannten Erstbegeher Brüderl/Amann haben hier eine sportliche Bohrhaken-Absicherung hinterlassen, zwischen den Haken ist Klettern angesagt, was die Route durchgehend spannend macht. Ich erinnere mich dabei an zwei kraftraubende Überhänge: erst einmal in den Haken setzen und dann das große Rätselraten “wie geht’s hier eigentlich weiter”. Mit 6+, wie in den gängigen Topos angegeben, haben die schweren Passagen wenig gemeinsam und es darf locker ein halber Grad dazu gerechnet werden.

Die Route wird nach oben hin immer besser und bietet über 10 Seillängen durchgehend phantastische Klettermeter in genialem Fels, wie man ihn sonst selten findet. Was die Gesamtunternehmung und Abgeschiedenheit betrifft, ist „Paulas neue Welt“ ein absolutes Highlight an der Reiter Alpe und darüber hinaus. Oder vielleicht sogar eine der besten Touren der Nördlichen Kalkalpen, wie manche Stimmen behaupten? Jedenfalls ist sie besser, wie die vielgerühmte “Wassersymphonie” an der Alpawand, ebenfalls ein Produkt vom unermüdlichen Duo Brüderl/Amann.

Nach längeren Regenfällen braucht die Wand mindestens zwei Schönwettertage bis sie wieder trocken wird. Man sollte sich den Routenverlauf im unteren Teil über die Bänder gut einprägen, um auf dem Rückweg die Abseilstände besser zu finden.

Schwierigkeit

Meist 5 – 6+. Einige Stellen 7-. In der unteren Wandhälfte auf den Bändern 2 – 4. Es handelt sich um eine reine Freikletterroute, der angegebene Schwierigkeitsgrad muss beherrscht werden. 7- obligatorisch. Die in den Kletterführern angegebenen Schwierigkeitsangaben sind unterbewertet. 15 Seillängen. Kletterlänge ca. 550 m. Ernster alpiner Charakter. Kletterzeit ca. 5 – 6 Stunden.

Absicherung

Die Route ist durchgehend mit Bohrhaken gesichert. An den Ständen befinden sich jeweils 2 Haken (Klebehaken und Schwerlastanker). Bis zum 5. Schwierigkeitsgrad ist mit Abständen von 6 – 8 Metern zu rechnen. In den schwereren Passagen (bis 6+) 2 – 4 Meter. Die Schlüsselstellen (7-) sind zwingend zu klettern oder nur sehr aufwändig mit A-Null zu bewältigen. Gelegentlich kann mit Friends an wenigen Stellen optimiert werden

Material

60-Meter-Doppelseil, 12 Exen, Abseilausrüstung, Schlingen, evtl. Friends zur zusätzlichen Absicherung

Anfahrt

Von Lofer oder Bad Reichenhall kommend fährt man nach Unterjettenberg und über die B 305 weiter Richtung Berchtesgaden. Ca. 2 km nach Unterjettenberg zweigt hinter einer Brücke auf der rechten Straßenseite ein Forstweg ab. Man folgt ihm ca. 150 m entlang des Baches und gelangt zu einer Holzbrücke mit Gatter und wenigen Parkmöglichkeiten.

Zustieg

Ca. 50 m nach der Holzbrücke zweigt nach rechts ein etwas steilerer Forstweg ab, dem man ca. 100 m folgt. Bei einem Baum mit gelbem Punkt geht es nach links über die Böschung in den Wald. Man folgt dem Steig bis zu einem Jägerstand und weiter diagonal rechtshaltend über Serpentinen hinauf bis zum horizontal verlaufenden Mittersteig. Auf diesem ca. 150 m nach rechts eine Rinne querend, danach noch ca. 50 Meter weiter. Nun über den mehr oder weniger sichtbaren Steig geradeaus durch den Wald empor, der später nach links in eine breite Schlucht leitet. Zunächst noch entlang des rechten Schluchtrandes, später nach links und über Schrofen hinauf zum Einstieg auf einem abschüssigen Band. Der gesamte Steig ist teilweise mit roten Punkten bzw. Steinmännern markiert. Dennoch ist die Orientierung aufgrund des vielen Laubs im Wald oft recht undeutlich. Vom Parkplatz mit Wegfindung ca. 2 Stunden.

Abstieg

Abseilen entlang der Route. Im oberen Teil über die benachbarte Route „Toni“ (Stände mit Ketten). Im unteren Teil entlang der Aufstiegslinie. Es ist empfehlenswert, sich den Verlauf der ersten Seillängen einzuprägen, um die Orientierung für die Abseilstrecke zu erleichtern.

Topos

Kletterführer „Best of Genuss“, Band 1, Panico-Verlag
Kletterführer „Genussklettern Österreich Mitte“, Alpin-Verlag

 

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