Schneck Ostwand

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„Die Schneck-Ostwand ist nur mit Steigeisen und Eishaken zu bezwingen!“. Gerüchte dieser Art geisterten lange Zeit in den Köpfen der Kletterszene umher. Bis in die 70er Jahre hinein trauten sich nur wenige Kletterer in die Wand. Diverse Gruselgeschichten, grasdurchsetzter Fels und Kletterunfälle trugen sicher dazu bei. Der berühmte Anderl Heckmair holte sich 1949 die 5. Begehung und stufte sie schwerer als die “Comici” an der Großen Zinne Nordwand ein. Wie sich später herausstellte, war die Erstbeghung von 1922 eine der ersten Kletterrouten im 6. Grad in den Alpen. Hut ab vor den Erstbegehern Philipp Risch & Gefährte aus Oberstdorf, die mit den damaligen Mitteln einen Weg durch die teilweise brüchige und abenteuerlich abweisende Wand fanden.

Zunehmend bessere Ausrüstung und moderne mobile Sicherungsgeräte ermöglichten im Laufe der Zeit jedoch immer mehr Alpinisten einen Durchstieg. So etablierte sich die Schneck-Ostwand mit knapp 1000 Begehungen bis zum Jahre 2018 zur vielleicht berühmtesten Klassischen Extremtour in den Allgäuer Bergen. Gemessen am heutigen Leistungsniveau und der sanften Sanierung ist die Tour für viele nicht mehr wirklich schwer. Was hier zählt, ist die Abgeschiedenheit, der nach wie vor Alpine Charakter und die historische Geschichte der Wand.

Aus der Ferne betrachtet erscheint der markante Gipfel wie ein schneckenartiger Höcker und ist neben der Höfats einer der fotogensten Grasberge in den Allgäuer Alpen. Wer den langen mehrstündigen Anstieg durchs Hintersteiner Tal auf sich nimmt, wird durch landschaftlich schöne Eindrücke belohnt. Die über 200 m steil abfallende Ostwand des Schnecks erinnert wegen seiner teils gelben Felszonen auch ein wenig an typische Dolomitenwände.

Besonders sehenswert ist das historische Wandbuch am Stand der 3. Seillänge. Es scheint noch immer das erste Buch zu sein, mit mittlerweile fast Tausend Einträgen. Die ersten 10 bis 20 Begeher wurden nachgetragen und waren teilweise schwer nachvollziehbar. Viele Namen der Allgäuer Kletterszene und darüber hinaus sind hier nachzulesen; Solobegehungen von Egbert Lehner, Anderl Heckmair usw., um nur einige zu nennen.

Mittlerweile gibt es hier auch einige Routen moderner Prägung wie „Das Graue Element (8), Zinnenfeeling (8-) und Schöne Zeit (7)“. Das ebenfalls neuere „Schneckgespenst (7-)“ kreuzt die Klassische Ostwand am ersten Standplatz. Am Ausstieg der Klassischen Route kann nach rechts über die letzten beiden Seillängen des „Schneckgespenst“ weiter auf den Gipfel geklettert werden. Dies ist ein lohnender Abschluss, weitere schöne Klettermeter, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Herbst 2018. Am Wandfuß angekommen, begrüßten uns mehrere Kletterer im „Schneckgespenst“ mit “Flugübungen” samt herabfallenden Steinen, so flüchteten wir schnell in die nahegelegene Gufel. Hier befindet sich am linken Rand der Einstieg in die Klassische-Ostwand-Führe. Die erste Seillänge vermittelt gleich den richtigen Eindruck, wer dies schafft bekommt die Eintrittskarte für den Rest der Route. Vor allem im unteren Teil trifft man auf eigenartige Fels-Schichtungen mit teils wackeligen Zangengriffen und schräg eingelagerten Kanten. Das Gestein ist in der “Klassischen” nach zahlreichen Begehungen mittlerweile gut abgeklettert, aber dennoch nicht immer ganz fest.

  1. Seillänge

Zum ersten Haken sind es geschätzte 6 Meter, abdrängend und exponiert mit Tendenz zum Grounder. Irgendwie fühlt sich das hier alles gleich an, und so ist auch die eigentliche Schlüsselstelle (6+) in der ersten Seillänge nur schwer auszumachen. Zwischen den Haken ist luftiges Klettern angesagt bis man den ersten gemeinsamen Stand mit dem Schneckgespenst erreicht.

  1. Seillänge

Sie führt S-förmig über einen Überhang nach rechts auf ein geräumiges Band. Vergleichbar  mit dem Charakter der ersten Länge, mit 6 bewertet etwas leichter.

  1. Seillänge

Ein Band führt nach rechts durch eine leichte, aber etwas brüchige Passage in eine Verschneidung. Hier nach links in angenehmer Kletterei (5+), die sich gut absichern lässt, auf einen Absatz am Wandbuch. Der Aufenthalt am Stand kann sich ziehen, bis das historische Buch durchgeblättert ist.

  1. Seillänge

Exponierter Quergang im 6. Grad nach links. Gut gesichert, jedoch zwingend zu klettern. Erinnert wegen des gelblichen Gesteins und der Ausgesetztheit an die Dolomiten. Gegen Ende luftig ansteigend zum 4. Stand.

  1. Seillänge

Durch eine grasige Verschneidung nach links in eine Nische. Wenig Haken, teilweise mit Schlingen und Friends zusätzlich absicherbar. Nach längeren Regenfällen etwas feucht.

  1. Seillänge

Diagonal nach rechts. Zu Beginn noch Felskletterei, die immer mehr in Steilgras überleitet. Insgesamt schlecht absicherbar und moralisch gewöhnungsbedürftig. Bei Nässe besonders unangenehm.

Am Ende der Route kann über ein Band nach links zum Normalweg hinausgequert werden. Es empfiehlt sich auf dem Band nach rechts zum „Schneckgespenst“ hinüber zu queren und weiter bis zum Gipfel zu klettern. Dieser Ausstieg bietet 2 weitere schöne Seilängen im 5. und 6. Schwierigkeitsgrad, teilweise exponiert und mit Bohrhaken sportlich abgesichert.

Schwierigkeit

6+ bzw. 6 obligatorisch, gelegentlich auch leichter. Zwischen den Haken muss tapfer geklettert werden. Die 6. Seillänge bietet letztendlich für die Gegend typisch steile Graskletterei.

Absicherung

Die Stände sind mit Bohrhaken ausgestattet. Dazwischen befinden sich gelegentliche Klebe- oder Normalhaken in teilweise weiteren Abständen. Mit Keilen, Friends und Schlingen kann die Absicherung aber immer wieder aufgebessert werden. Manche Placements sind bereits deutlich abgenutzt.

Material

Doppelseil, 10 Exen, Keile und Friends, Schlingen. Evtl. Abseilausrüstung

Talort

Hinterstein im Oberallgäu. Der Parkplatz befindet sich am oberen Ortsende. Der Weiterweg zum Giebelhaus ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt.

Zustieg

Da sich keine Hütten für eine Übernachtung anbieten, ist ein früher Aufbruch bzw. Biwak empfehlenswert. Von Hinterstein mit dem Bike zum Giebelhaus und weiter zur Pointhütte. (12 Kilometer bzw. 1,5 Stunden. Bikedepot bzw. Biwak). Unmittelbar nach der Hütte rechts über einen steilen Schotterweg hinauf und später linkshaltend zu einer kleinen Almhütte. Von hier über Almwiesen in Richtung Schneck-Ostwand, die bereits gut sichtbar ist. Man erreicht einen Wanderweg und umrundet linkshaltend einen großen Hügel. Später verlässt man den Weg nach rechts und schreitet über wegloses Gelände unter die Ostwand. Von Hinterstein ca. 3,5 Stunden.

Abstieg

a) Fußabstieg über den Normalweg. Zu Beginn muss eine schmale exponierte Felsrippe überwunden werden. Danach über den ausgetretenen Normalweg und entlang der Beschilderung zurück zur Pointhütte. Ca. 1,5 Stunden. Wegen der landschaftlichen Eindrücke ins benachbarte Oytal empfehlenswert

b) Über die Abseilpiste durch die Nordwand. Die erste Kette befindet sich wenige Meter östlich des Gipfels direkt am Grat. 3mal Abseilen und mehrmaliges Queren auf Bändern. Am Ende über Schrofen und Geröll zurück zum Einstieg. Ca. 40 Minuten.

Topos

Kletterführer Allgäu & Ammergau, Panico Verlag, https://www.panico.de

 

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4 Gedanken zu „Schneck Ostwand“

  1. Die Bilder vermitteln einen guten Eindruck vom Charakter dieser Wand. Ich hatte die Route im Oktober 1967 begangen, allerdings in einem anderen Outfit; d.h. – steigeisenfeste Bergschuhe, Bundhose und Rucksack. Ich denke noch immer mit Respekt an die 1. Seillänge. Tempora mutantur!
    Übrigens die 1. Alleinbegehung führte der 17-jährige Oberstdorfer Gymnasiast im September 1966 durch (mit Abstieg über die N-Wand ).
    Wolfhard

    Antworten
  2. Am 8.8. haben Erik und ich das Schneckgespenst gemacht. Es ist wie die Ostwand eine sehr spannende Tour bei der man schon mal sehr weit vom Hacken weg klettern muss bzw. noch mobile Sicherungspunkte suchen muss. In den Unteren 5 Seillängen ist die Wand sehr abweisend. Der angegebene Schwierigkeitsgrad muss teilweise über die komplette Seillänge durchgehalten werden. Wir hatten unsere Zustiegsschuhe und 1,5 Liter Wasser im Nachsteigerrucksack. Dadurch war auch das Nachsteigen kräftezehrend. Wir stiegen über den luftigen Grat und den Normalweg ab. Alles in allem war es ein sehr schönes Abenteuer.

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