Die Wendenstöcke bilden eine ca. 10 km lange, nach Süden orientierte Bergkette im Gadmertal, auf der Westseite des Sustenpasses. Vom Tällistock bis zum Titlis gibt es hier verschiedene Sektoren mit insgesamt ca. 130 Mehrseillängen-Routen. Das Herzstück bilden dabei die Klettertouren am Pfaffenhut, Großen Wendenstock und Reissend Nollen.
Dies ist das Epizentrum des extremen Alpinen Sportkletterns in der Schweiz. Obwohl man in aller Regel nur im unteren Bereich dieser Berge klettert, so sind die Routen wegen Felsqualität, Nimbus und Anspruch sehr begehrt. Die Kletterei ist oft steil und athletisch, der Fels vielfach fest, optimal strukturiert und griffig. Da stört es dann auch nicht, dass man nach rund 10 Seillängen irgendwo im Nirgendwo angekommen ist, d. h. an dem Punkt wo der feste Fels in endlosen Schotter übergeht wieder abseilt.
Die Saison an den Wendestöcken erstreckt sich vom Juli bis in den Oktober hinein. Früh im Jahr stören oft Schmelzwasserstreifen aus den bis 3000 m hohen Gipfelregionen und solange auf den Bändern weiter oben noch Schnee liegt, herrscht erhebliche Steinschlaggefahr. Im Hochsommer tritt ab der Mittagszeit oft thermische Quellbewölkung auf, welche die Wände in den kalten, gespentischen Wendennebel hüllt. Dies wird beim Klettern dann ziemlich unangenehm und es ist deshalb ratsam einen Pulli mitzunehmen. Die besten Bedingungen trifft man in der Regel im Herbst an.
Was die Absicherung betrifft: je nach Route schwankt diese zwischen gut bis Harakiri, fast überall ist sie jedoch knapp gehalten und erfordert einen beherzten Vorstieg, Plaisir-Routen gibt es hier keine. Die Zustiege führen über weite Strecken durch steile Schrofen, weisen mittlerweile jedoch meist sichtbare Wegspuren auf. Aufkommende Gewitter können an den Wendestöcken zur Falle werden: In den oberen Wandbereichen bilden sich enorme Wassermassen, die sich als gewaltige Sturzbäche über die Routen und Einstiegsbereiche ergießen, massiver Steischlag inclusive. Und so bekommt dann auch der Weg ins Tal über die nassen Schrofen eine ganz andere Dimension, als man ihn am morgen bei freundlichem Wetter im Aufstieg wahrgenommen hat.
„Spasspartout“ – die mit Abstand einfachste Sportklettertour an den Wendenstöcken mit unkompliziertem Zustieg bietet auf 9 Seillängen eine gute Möglichkeit, zum ersten Mal den legendären Wendenfels unter die Finger zu nehmen. Trotzdem sollte man die Tour nicht unterschätzen. Zwischendurch muss man auch mal ein paar Meter vom Haken wegklettern und die Bewertung lt. Kletterführer ist korrekt, aber eher hart angegeben. Die Felsqualität ist in dieser Route “wendentypisch” über weite Strecken erfreulich gut. Somit gehört die „Spasspartout“ im Berner Oberland sicher zu den besten Mehrseillängentouren in diesem Schwierigkeitsgrad.
Was der Erstbegeher dieser Route (Kaspar Ochsner) einst mit viel Enthusiasmus, ungebrochenen Eifer und ca. 3000 Bohrhaken oft im Alleingang an den Wendenstöcken geschaffen hat, ist heute ein Klettermekka, welches die ganze europäische Kletterelite fasziniert. Weitere Größen der Kletterszene, wie die Remy-Brüder, Michel Piola, Peter Lechner, Micha Pitelka usw. haben hier ebenfalls ihre Spuren hinterlassen …
Und noch eine wahre Geschichte, die ich vor langer Zeit in einem Alpin-Magazin gelesen habe: Yves & Claude Remy mussten leider feststellen, dass ihr Material-Depot ausgeraubt wurde. Am nächsten Tag kamen sie mit der komplett neuen Ausrüstung wieder, um an ihrer Erstbegehung weiter zu arbeiten. Plötzlich fliegen ihnen von oben zwei Halbseile entgegen, die Seile aus ihrem Depot. Der Wenden-Geist seilte sich daran ab und schrie hinunter: Schleicht’s euch, ihr habt hier nichts verloren. Worauf er sich wieder nach oben begab und in seiner Höhle verkroch … Es war ein bekannter Local, der hier wohl tagelang in der Wand verbrachte und sich seinen Erstbegehungen widmete …
Schwierigkeit
Maximal 6+ (6 obligatorisch)
Absicherung
Die Route ist gut mit Bohrhaken abgesichert, dennoch muß gelegentlich mit kleineren Runouts gerechnet werden. Keile und Friends sind nur bedingt einsetzbar. An den Ständen befinden sich jeweils zwei Bohrhaken, die zum Abseilen eingerichtet sind.
Material
Doppelseil, 12 Exen, Schlingen, evtl. mittelgroße Friends, Abseilausrüstung
Zustieg
Von der Wenden-Alp über einen Pfad nach rechts, der zu einem Schneefeld leitet. Von hier weglos leicht rechts haltend geradeaus empor zum bereits gut sichtbaren Reissend Nollen. Der Einstieg (Name angeschrieben) befindet sich am linken Rand des Vorbaus. Von der Wenden Alp ca. 1,5 bis 2 Stunden.
Abstieg
Abseilen über die Route
Zufahrt
Man fährt von Innertkirchen die Sustenpass-Straße hinauf. Es folgen die Ortschaften Gaden bzw. Obermaad. Wenig weiter zweigt nach links eine kleine Fahrstraße zur Wenden-Alp (1603 m) ab. Die Bewilligung zum Befahren der Mautstraße ist zu Beginn am Automaten erhältlich.
Übernachtung
Campingplatz bei Gadmen
Hotel Steingletscher an der Sustenpass-Straße, Zimmer und Matratzenlager
Biwak bei der Wenden-Alpe
Topos
Schweiz Extrem, Filidor-Verlag