Überschreitung der Nagelfluhkette

4.5
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Die Überschreitung der Nagelfluhkette vom Hochgrat hinüber zum Mittag ist im Sommer und Winter eine der großen klassischen Unternehmungen in den Allgäuer Alpen. Dabei gilt es auf einer Strecke von knapp 20 Kilometern insgesamt 9 Gipfel im Auf- und Abstieg zu bewältigen. Es darf nicht getrödelt werden, um je nach Jahreszeit noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Tal anzukommen. Besonders die Strecke vom Stuiben Richtung Mittag zieht sich, wo doch die Kondition schon langsam nachlässt. Dazu gesellen sich noch diverse Orientierungs-Feinheiten, die gegen Ende hin dringend beachtet werden müssen. Es sei denn, man bricht die Komplett-Überschreitung am Stuiben ab und bevorzugt die gemütlichere Abfahrt über den Steigbachtobel zurück nach Immenstadt …

Schon mehrmals liebäugelten wir im Winter 20/21 mit dieser Unternehmung. Doch die Verhältnisse mussten passen: eine ausreichende Schneemenge im Aufstieg zum Hochgrat, bei der Überschreitung und Skiabfahrt vom Mittag zurück ins Tal sollten gewährleistet sein. Dazu gehören natürlich auch brauchbare Sichtverhältnisse sowie eine günstige Lawinenlage. Ende März war es dann so weit, Frau Holle hat es die Wochen davor gut mit uns gemeint. Die Schneemenge war insgesamt ausreichend und hat sich nach einigen vorhergehenden Sonnentagen bereits gut gesetzt.

Dank Corona lag die Bergbahn auf den Hochgrat im Ruheschlaf und wir durften die ersten 800 Höhenmeter mit den Skiern zurücklegen. In normalen Zeiten nehmen die meisten Skitourengeher die Bahn oder übernachten auf dem Staufner Haus, um die lange Strecke etwas gemütlicher anzugehen. Für uns waren an diesem Tag jedoch 2300 Aufstiegsmeter vorprogrammiert, eigentlich ein perfektes Training für die hohen Berge, die wir diesen Winter jedoch leider nicht besteigen dürfen.

Die Stimmung war an diesem wunderbar sonnigen Frühjahrstag trotz der Zwangszugabe gelassen, als wir nach zwei Stunden auf dem Hochgrat ankamen. Die erste Abfahrt führt über die Südostflanke Richtung Brunnenscharte hinab. Über den Westgrat erreicht man das Rindalphorn usw. (siehe Orientierung). So ging es nun den ganzen Tag weiter: Insgesamt über 9 Gipfel aufsteigen und abfahren, meist um die 300 Höhenmeter. Die Abfahrten führen oft durch breite Wannen: die sogenannten „Schläuche“ sind durch markante, vertikale Nagelfluh-Rippen (Konglomerat aus verbackenen Kieselsteinen) eingegrenzt. Gelegentlich landet man in einer windgeschützten Senke, in der sich eine eingeschneite, im Winter geschlossene Almhütte befindet. Für eine längere Einkehr hätte man bei dieser Unternehmung ohnehin keine Zeit …

Die Skitour verläuft bis zum 7. Gipfel, dem Stuiben, durchgehend auf der Südseite der Nagelfluhkette. Von hier aus fährt man das erstemal ein kurzes Stück nach Norden hinab und erreicht entlang des Nordhangs eine langgezogene Halfpipe, die zum Steineberg führt. Der Charakter hat sich nun grundlegend verändert und gleicht mehr einer horizontalen Winter-Wanderung. Am Ende der Halfpipe leitet ein Drahtseil über eine Konglomerat-Wand hinauf, und wer hätte dies gedacht: die Skitour bietet fast am Ende noch eine kurze Klettersteig-Einlage. Der Weiterweg führt über einen schmalen Grat zum Steineberg mit den ersten schönen Tiefblicken ins obere Illertal.

Hier machten sich nun bei dem ein oder anderen die ersten Konditions-Schwächen bemerkbar. Während man auf dem Stuiben noch gewitzelt hat, verstummten die Gemüter unserer kleinen Crew spätestens auf dem Steineberg deutlich. Und es war immer noch kein Ende in Sicht … Über den letzten Schlauch erreicht man wieder eine Senke und es darf nocheinmal aufgefellt werden. Erleichterung stellte sich ein, nur mäßig ansteigend ging es zum Bärenkopf hinauf, danach gemütlich hinab zum Mittag, dem letzten Gipfel, dieses Skitouren-Marathons. Blieb noch zu hoffen, dass der Schnee noch möglichst weit bis ins Tal hinabreicht. Mit nur wenigen Trage-Passagen kamen wir nach 10 Stunden geplättet am deponierten Auto an …

Fazit

Die Überschreitung der Nagelfluhkette zählt zu den ergiebigsten Skitouren-Zielen der Allgäuer Alpen. Die Tour wird im Frühjahr bis zum Frühsommer auch gerne als Firngleiter-Tour unternommen. Hier ist man über weite Strecken alleine unterwegs. Eindrucksvolle Tiefblicke vom Bodensee bis zum Allgäuer Hauptkamm sind garantiert.

Anspruch

Für geübte Skitourengeher ist die Tour relativ einfach. Es sollten jedoch genügend Kondition und Ausdauer vorhanden sein, um die weite Strecke bewältigen zu können. Gelegentlich müssen etwas steilere Hänge gequert werden. Sichere Lawinen- und Sichtverhältnisse sind dabei stets Veraussetzung. Wem die Kraft oder Zeit ausgeht, kann vom Stuiben über die Nordseite zur Alpe Mittelberg abfahren. Hier zweigt man rechts ab, um über den Steigbachtobel nach Immenstadt zu gelangen.

Höhenmeter

Aufstiege mit Bahnunterstützung: ca. 1300 Hm
Aufstiege ohne Bahnunterstütuzung: ca. 2300 Hm
Abfahrten: insgesamt ca. 2300 m

Distanz

Einfache Distanz ca. 20 Km

Zeitbedarf

Aufstieg auf den Hochgrat: ca. 2,5 Stunden
Überschreitung vom Hochgrat bis zum Mittag mit Abfahrt nach Immenstadt: je nach Kondition ca. 6 bis 8 Stunden
Insgesamt: je nach Ausdauer ca. 8 bis 10 Stunden

Lawinengefahr

Die Tour kann bis Lawinenstufe 2 unternommen werden

Beste Jahreszeit

Februar bis April

Logistik

Da sich die Ausgangs- und Zielpunkte unterscheiden, muss ein Auto an der Talstation in Immenstadt deponiert werden. Es besteht auch die Möglichkeit, die ganz Unternehmung mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zu planen:

Mit der Bahn nach Oberstaufen
Mit dem Bus von Oberstaufen zur Talstation der Hochgratbahn (ab 08:30 Uhr)
Mit dem Zug von Immenstadt zurück zum Heimatort

Übernachtung

Die Übernachtung auf dem Staufener Haus ermöglicht einen frühen Start www.staufner-haus.de

Bahnunterstützung

Die Auffahrt mit der Hochgratbahn reduziert die gesamte Tour um ca. 800 Höhenmeter hochgrat.de

Ausgangspunkt

Talstation der Hochgratbahn bei Steibis/Oberstaufen. Dort befindet sich ein geräumiger Parkplatz.

Orientierung

Aufstieg zum Hochgrat: Über die Skipiste zur Bergstation, danach linkshaltend zum Gipfel
Abfahrt vom Hochgrat: Über die Südostflanke linkshaltend in die Senke unterhalb des Hochgrats

Aufstieg zum Rindalphorn: Über den Westgrat zum Gipfel
Abfahrt vom Rindalphorn: Durch einen Schlauch linkshaltend in eine breite Scharte

Aufstieg zum Gündleskopf: Über den Westgrat zum Gipfel
Abfahrt vom Gündleskopf:
Über südostseitige Mulden hinab zur Gündles Alpe

Aufstieg zum Buralpkopf: Über den breiten Südrücken hinauf zum Gipfel
Abfahrt vom Buralpkopf: In flacher Schrägfahrt hinab Richtung Gatteralpe

Aufstieg zum Sedererstuiben: Den Südhang querend hinauf zu Gipfel
Abfahrt vom Sedererstuiben: Kurze Abfahrt über den Ostgrat in die Scharte

Aufstieg zum Stuiben: Über den Westrücken hinauf zum Gipfel
Abfahrt vom Stuiben: Über die Nordflanke rechtshaltend unter die Nordwand

Aufstieg zum Steineberg: Nach rechts hinauf in eine langgezogene Halfpipe, über die Drahtseile und den Grat zum Gipfel
Abfahrt vom Steineberg: Kurz nach Süden hinab, dann linkshaltend durch den Schlauch in eine Senke

Aufstieg zum Bärenkopf: Über einen flach ansteigenden Hang Richtung Osten
Abfahrt vom Bärenkopf: Mäßig auf- und absteigend entlang des Waldes Richtung Osten

Abfahrt zum Mittag: Über den Ziehweg entlang des Waldes Richtung Osten
Abfahrt vom Mittag: Über die Skipiste zurück ins Tal

Beschreibung der Crux

Die Orientierung ist auf der gesamten Tour relativ einfach bzw. selbsterklärend. Der Weg zwischen dem Stuiben und Steineberg bedarf jedoch genauerer Beschreibung: Man fährt vom Stuiben ca. 100 Meter über die Nordseite ab. Danach scharf nach rechts und über eine Steilstufe in eine Senke unter die Nordseite des Stuibens. Hier steigt man nun diagonal zum Grat zwischen Stuiben und Steinberg auf. Kurz davor geht es nach links in den Wald, wo eine Halfpipe erreicht wird. diese zieht ein paar hundert Meter geradeaus weiter Richtung Steineberg. Am Ende trifft man linkerhand auf eine kurze markante Konglomerat-Wand. Ein Drahtseil führt hinauf zum Grat. Hier nach rechts und wenig ausgesetzt weiter zum Gipfel des Steinebergs.

Zielort

Immenstadt im Allgäu. Hier kann mit dem deponierten Auto zur Hochgratbahn bzw. mit dem Zug zurück zum Heimatort gefahren werden.

Literatur

Skitourenführer Allgäu www.panico.de

Webinfo

www.outdooractive.com

www.bergwelten.com

bergsteiger.de

Bildgallerie

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