Die Marmolada ist der höchste Gipfel der Dolomiten und wird oft als die „Königin der Dolomiten“ bezeichnet. Auf ihrer Nordseite ist sie vergletschert und es herrscht Skibetrieb bis in den Mai hinein. Mit einer Wandhöhe von bis zu 800 Metern bietet sie für uns Kletterer aber auch eine der schönsten und imposantesten Südwände der Alpen. Die Kletterrouten sind anspruchsvoll und berühmt: Via Classica, Gogna, Soldá, Moderne Zeiten, Via dell‘ Ideale, Don Quixote und wie sie alle heißen. Hansjörg Auer hat mit seiner Free-Solo-Begehung des „Weg durch den Fisch“ (9. Schwierigkeitsgrad) internationales Aufsehen erregt und die Wand in jüngster Zeit wieder in den Blickpunkt gerückt.
Lange Zeit davor galt die „Vinatzer“ (Erstbegehung 1936) als die schwerste Tour der gesamten Dolomiten. Im August 1968 stieg Reinhold Messner solo in die Route ein und verpasste den Weiterweg ab dem markanten Band in Wandmitte. Er verirrte sich in die endlos langen Plattenfluchten links neben der Originalroute und schaffte es schließlich bis auf den Gipfel der „Punta Rocca“. In Anbetracht der komplizierten Orientierung und schweren Klettermeter zählt dieser Ausstieg sicher zu seinen größten klettersportlichen Leistungen. In dieser Zusammensetzung gilt die Route heute als DER absolute Klassiker in der Marmolada Südwand.
Die Vinatzer im unteren Teil, beinhaltet klassische Kletterei durch Risse, Verschneidungen und Kamine mit einigen anspruchsvollen Seillängen. Die Orientierung ist jedoch relativ einfach vorgegeben. Nach dem Band wird das Gelände zunächst wieder leichter, aber auch unübersichtlicher. Hier ist ein guter Spürsinn gefragt, da es einige Verhauermöglichkeiten gibt. Spätestens an der steilen Löcherwand in der 24. Seillänge fragt man sich, wie Messner es damals – ohne Bohrhaken – wagte, in das Meer aus glatten Platten hineinzuklettern. «Diese Stelle gehört mit zu den schwierigsten, die ich je geklettert war», schrieb er später über die Passage, die in manchen aktuellen Führern mit 7 bewertet wird. Der obere Teil der Tour bietet mit einem senkrechten, splittrigen Riss noch eine weitere Schlüsselstelle. Ebenfalls eine grandiose Leistung, wenn man bedenkt, dass Messner damals im Alleingang unterwegs war.
Insgesamt handelt es sich dabei um eine sehr schöne aber auch lange Tour, die nicht unterschätzt werden sollte. Während die Vinatzer logisch den Rissen und Verschneidungen folgt, stellt der Messner-Ausstieg sehr hohe Anforderungen an die Orientierung. Da gibt es Querungen, teilweise absteigend, und dann wieder in die andere Richtung zurück. Der Weg führt immer entlang des geringsten Widerstandes, Varianten und Verhauer inclusive. Generell hält man sich immer diagonal nach rechts, um in das Riss-System der letzten Seillängen zu gelangen, die auf den Gipfelgrat führen.
Da je nach Orientierungs-Talent bzw. internationalem Belagerungszustand mit einer Kletterzeit von 10 bis 12 Stunden gerechnet werden muss, ist es ratsam bereits in der Morgendämmerung einzusteigen. Das markante Band in Wandmitte bietet gestrandeten Seilschaften bzw. bei Gewitter begrenzte Biwakmöglichkeit in einer Höhle. Da der Abstieg vom Gipfel ins Tal weitere 2 Stunden beinhaltet, bietet es sich an, am Ende der Tour bei der Seilbahn-Bergstation in einem geöffneten Biwakraum zur übernachten. Der Seilbahnbetrieb ist in den Sommermonaten eingestellt.
Schwierigkeiten
Im unteren Teil in der Vinatzer immer wieder zwischen 5+ und 6+. Im Messner-Ausstieg vielfach 4 – 6. In der Lochplatte eine Passage 7-. Die Risslänge im Ausstieg ist mit 6+ zu bewerten. (Insgesamt 6+ obligatorisch). Man beachte die Dolomitenbewertung: Ich kann mich an 5er Längen erinnern, die im 6. Grad anzusiedeln waren. Insgesamt ca. 30 Seillängen, 800 Höhenmeter, 10 – 12 Stunden Kletterzeit.
Absicherung
Im unteren Teil in der Vinatzer sind vor allem an den schwierigen Stellen ausreichend Haken vorhanden, dazwischen finden sich auch einige wegweisende Haken. Alle Stände sind dort eingerichtet, müssen jedoch teilweise nachgebessert werden. Im Messner-Ausstieg nimmt die Anzahl der Haken deutlich ab. Es gibt gelegentliche Normalhaken und Sanduhrschlingen. Die Standplätze sind mehr oder weniger gut eingerichtet. Im Ausstiegs-Riss stecken wieder mehr Haken unterschiedlicher Qualität und Haltbarkeit. Die ganze Route kann mit Keilen und Friends gelegentlich zusätzlich abgesichert werden.
Material
Doppelseil, 12 Exen, Schlingen, Keile, Friends, Biwaksack für den Notfall
Zustieg
Auf dem Weg Richtung Ombretta-Pass. Etwa eine Stunde hinter der Falierhütte verlässt man auf Höhe der Marmolada di Rocca den markierten Weg und geht durch Geröll zum Wandfuß. Der Einstieg zur „Vinatzer“ befindet sich am Beginn einer auffallenden Rissreihe bei einer roten Höhle. 1 Stunde zum Einstieg.
Abstieg
Vom Gipfel in ca. 20 Minuten über Eisenstufen nach rechts zur bereits sichtbaren Seilbahnstation absteigen. Von hier in ca. 2 Stunden über die Skipiste hinab zur Talstation Forcella Serauta. Es ist nicht damit zu rechnen, dass im Sommer die Gondelbahn fährt. Von der Talstation mittels Autostopp bzw. zuvor demponiertem Bike ca. 8 Kilomter zurück zum Ausgangspunkt.
Stützpunkt
Rifugio Falier (2074 m). Von Parkplatz in Malga Ciapela geht man einen markierten Weg entlang der Südwände von Seranta und Marmolada Richtung Ombretta-Pass. Von der Malga Ciapela ca. 2 Stunden zur Falier Hütte.
Anreise
Von Canazei über den Fedája-Pass zum Seilbahnparkplatz an der Malga Ciapèla. Unterhalb des Seilbahnparkplatzes führt eine kleine Straße zum Hüttenparkplatz des Refugio Falier.
Topo
Dolomiten Vertikal, Band Süd, www.loboedition.de
tolle Bilder von der Marmolada – ich war bisher nur über den “Normalweg” oben.