“Grenzgänger” am Kühgundkopf

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Der Micha hatte die Nase voll vom Dry-Tooling am heimischen Wasserturm irgendwo in Mitteldeutschland. Er wollte endlich wieder Eisklettern, am besten in den Alpen. Am Telefon musste ich ihn jedoch enttäuschen: Da geht leider nicht viel momentan, aber komm ruhig ins Allgäu, irgendwas kriegen wir dann schon hin …

Mir schwebte vor, die Rubihorn-Nordwand am Wochenende mit ihm zu machen. Zuhause, morgens der Blick auf’s Thermometer: minus 15 Grad, dazu soll ein lebhafter Wind in den Bergen wehen. Der Gedanke, an den Standplätzen bei der eisigen Kälte den Partner zu sichern, ließ uns bereits beim Frühstück frieren. Heute musste etwas anderes her, etwas wo man ohne viel Sicherungs-Arbeit ständig in Bewegung ist …

Wie oft bin ich schon vom Oberjoch ins Tannheimer Tal gefahren, im Winter schweift mein Blick immer wieder auf die schattige Nordwand des Kühgundkopfs. Ist da eine Skiabfahrt möglich? Oder vielleicht ein Anstieg über kombiniertes Mixed-Gelände? Heute wäre die Gelegenheit dazu … Noch während des Frühstücks zoomten wir am PC ein Wandbild her und spähten eine mögliche, logische Linie aus. Ich holte aus dem Keller ein paar alte Schlaghaken hervor und Micha packte seine Eisschrauben mit ein. Eine Stunde später standen wir am Parkplatz des Wiedhaglifts unter dem breitgezogenen Kamm des Kühgundkopfs.

Es war wahrlich frisch, aber mit den Bergschuhen im Tiefschnee aufzusteigen, das heizte uns ordentlich ein. Von der Bergstation des Wiedhaglifts peilten wir die einzig logische Linie an, ein rießiges Couloir, das linkerhand vom Kühgundkopf herabzieht. Und siehe da: nach einer Dreiviertelstunde standen wir in wunderbarer Weise unter einem gestuften Eisfall. Die lange Fahrt ins Allgäu hatte sich für Micha spätestens jetzt gelohnt …

Die Überwindung der ca. 25 Meter langen Eispassage im Schwierigkeitsgrad M2 war für Micha ein Kinderspiel und bald darauf gelangten wir in den mittleren Teil des Couloirs. Hier war der Schnee wegen der eisigen Kälte angenehm gefroren. Es war einfach genial, am laufenden Seil über den 40 Grad steilen Hang mit Steigeisen und Eisgeräten zügig an Höhe zu gewinnen. Wie schön war das, durch ein unbekanntes und völlig abgeschiedenes Terrain zu klettern! Die Kälte spürten wir schon lange nicht mehr, da wir am laufenden Seil ständig im Aufstieg waren …

Bereits in Gipfelnähe legte sich das Couloir schließlich etwas zurück und wechselte in vereistes, schrofiges Gelände über. Ein stürmischer Wind kündigte bereits die nahegelegene Gratkante an und es dauerte nicht mehr lange, bis wir auf der Tiroler Seite in der prallen Sonne standen. Fast schon etwas wehmütig, es hätte noch so weiter gehen dürfen … Und es ging weiter, wenn auch nicht mehr ganz so spannend: die Gratüberschreitung über den Kühgundkopf hinüber zum Iseler rundete die Tour ab und auf dessen Gipfel waren wir wieder zurück in der nicht zu übersehenden Zivilisation …

Fazit: Der „Grenzgänger“ durch die Kühgundkopf-Nordwand ist für einen geübten Allround-Alpinisten sicher nicht schwierig. Man könnte sie auch als „Nordwand-Light“ beschreiben. Was hier zählt ist das Ambiente in schattiger Abgeschiedenheit, das besonders im Winter zur Geltung kommt. Wer sich an’s Klettern mit Steigeisen und Eisgeräten in winterlichen Wänden rantasten möchte, findet hier ein geeignetes Ziel. Im Anschluss der Tour kann auf der Gratkante nach rechts zum Iseler hinüber gequert und anschließend ins Tal abgestiegen werden. Somit ergibt sich eine schöne Rundtour entlang des Grenzkamms Deutschland/Tirol. Bei großen und sicheren Schneemengen finden sich auch diverse Möglichkeiten über die Nordwand des Kühgundkopfs mit den Skiern abzufahren.

Schwierigkeit/Anspruch

Es handelt sich um einen relativ einfachen Anstieg durch die Nordwand des Kühgundkopfs. Es ist mit Hangneigungen bis ca. 45 Grad zu rechnen. Der gestufte Eisfall im unteren Teil der Tour bietet Eiskletterei im Schwierigkeitsgrad M2. Bei schlechten Eisbedingungen kann der Eisfall auch nach rechts über teils felsiges Mixed-Gelände umgangen werden. Da es sich um meist weite Hänge handelt, kann nur bei sicheren Lawinenverhältnissen bis max. Stufe 2 eingestiegen werden. Bis auf den Eisfall geht man meist am laufenden Seil. Bei Vereisung im Gipfel-Couloir ist wegen fehlender Sicherungsmöglichkeiten Vorsicht geboten. Das Gelände ist steil genug, um bis zum Einstieg hinab zu rutschen. Die Orientierung ist dafür realtiv einfach: man folgt immer der natürlichen Linie durch das markante Couloir, welches die gesamte Nordwand des Kühgundkopfes durchzieht. Bei vereisten Bedingungen wird ein potentieller Rückzug zunehmend schwierig, es kann lediglich im Bereich des Eisfalls an Latschen abgeseilt werden.

Absicherung

Am Eisfall mit Eisschrauben bzw. Sanduhrschlingen. Die Umgehungsvariante bietet vereinzelt Latschen zur Sicherung. Danach sind kaum mehr natürliche Sicherungsmöglichkeiten vorhanden. Bei Vereisung des Gipfel-Couloirs kann im Ernstfall nur noch an den Eisgeräten oder mit langen Eisschrauben gesichert werden. Wir haben in der gesamten Tour kein einziges Material hinterlassen.

Ausrüstung

Einfachseil, Eisgeräte, Steigeisen, 3 Eisschrauben, Schlingen, evtl. Schneeschuhe oder Skier für den Zu- und Abstieg.

Ausgangspunkt

Parkplatz Wiedhaglift auf der Straße von Oberjoch ins Tannheimer Tal

Zustieg

Vom Parkplatz durch den Wald hinauf zur Bergstation des Wiedhaglifts. Gelegentlich sind die Markierungen des Sommerwegs erkennbar. Von der Bergstation diagonal nach links zu einem sichtbaren Lawinensprengmasten aufsteigen. Hier nach links hinab in die markante Rinne. Anschließend geradeaus empor bis zum Beginn des Eisfalls.

Orientierung

Man folgt dem Eisfall ca. 25 Meter bis zum Beginn eines großen Couloirs, das bis zum Gipfelkamm hinaufführt. Bei schlechten Eisbedingungen kann der Eisfall auch rechts über teils felsige Zonen umgangen werden. Der Weiterweg folgt auch hier stets dem markanten Couloir.

Überschreitung zum Iseler

Vom Ausstieg der Tour nach rechts über die Gratkante hinüber zum Iseler. Teilweise auf- und absteigend, Distanz ca. 1 Kilometer

Abstieg ins Tal

Man folgt der Gratkante Richtung Westen bis zum Schild „Oberjoch, Hindelang“. Hier geht es nach rechts hinab zur Bergstation des Iseler-Lifts. Über die Skipiste hinab zur Staße, anschließend ca. 1 km nach rechts zurück zum Ausgangspunkt.

Höhenangaben

Parkplatz am Wiedhaglift: ca. 1140 m

Wiedhaglift Bergstation: ca. 1425 m

Einstieg: ca. 1600 m

Kühgundkopf: ca. 1907

Zeitbedarf

Zum Einstieg unter dem Eisfall: ca. 1,5 Stunden

Grenzgänger am laufenden Seil: ca. 2 Stunden

Übergang zum Iseler: ca. 1 Stunde

Abstieg vom Iseler: ca. 1 Stunde

Beste Zeit

Januar bis April

Erstbegehung (?)

Michael Rinn und Pat Schwarzmann im Februar 2021

Bildgallerie

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5 Gedanken zu „“Grenzgänger” am Kühgundkopf“

  1. Geht grad gut. Das Eis fehlt halt. Die nun felsige Stelle kann man auch gut rechts umgehen. Am Grat sind wir nach rechts zum Iseler weitergegangen und dort abgestiegen. Insgesamt eine tolle Rundtour

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  2. Hey Pat! Haben heute auch nochmal die Linie wiederholt. Genau das euch vorige für die Zeit. War sogar erstaunlicherweise noch Eis drin, hatten uns schon anders eingestellt und kein Seil dabei, ging auch so gut. Als abwechslungsreiche Tour sehr angenehm. Allerdings ist die Skiabfahrt nicht mehr zu empfehlen, sehr eisig, harschig, verfahren. Sind lieber zum Iseler spaziert und da runter gefahren.
    Sehr nette Kombitour!
    Viele Grüße, Jojo

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  3. Servus Stefan,
    schön, dass ihr den Grenzgänger wiederholt habt und noch dazu mit den Skiern abgefahren seid! In der Rinne rechts daneben scheint’s ja zu gehen …
    Viele Grüße von Pat

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  4. Servus Pat,
    heute deine Linie am Kühgundkopf wiederholt. Wirklich eine nette Eisstufe (WI 2-3 wird’s schon sein, der Rest ist momentan Schneegestapfe) und ein unterhaltsamer Aufstieg. Das Eis wird schon etwas wenig, v.a. oben raus, dafür ist der Schnee momentan in der Rinne vom Feinsten. Sind mit Ski bis zur Eisstufe, dann mit Ski am Rucksack bzw. am Seil über die Stufe. Auch den steileren Teil der Rinne gestapft. Oben raus wieder problemloses Spitzkehrenballet. Sind dann den oberen Teil der Rinne abgefahren, bei Latschengürtel links in die Parallelrinne und zurück ins Skigebiet. Traumschnee, guter Tipp und absolut empfehlenswert für eiskletternde Skifahrer.

    Viele Grüße,

    Stefan

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