Bene Thanner

Ein Allgäuer Kletterveteran erzählt aus seinem Leben …

Bene, du zählst zu den Urgesteinen der Allgäuer Kletterszene. Wann hast du eigentlich mit dem Bergsteigen bzw. Klettern angefangen?

Das war im Jahr 1967.

Was waren damals deine ersten Unternehmungen?

Das waren in erster Linie die einfachen Touren in den Allgäuer Alpen: Höllhorn-Südgrat, Babylonischer Turm, Gimpel-Westgrat, diverse Routen an der Wolfebnerspitze, Marchspitze-Südgrat, Trettach-Südwestwand, Geiselstein und so weiter …

Mit wem warst du damals unterwegs?

Meine ersten beiden Kletterjahre kamen mit meinem damaligen Nachbarn zustande, der wiederum einen aus dem Dorf kannte, der „richtig Klettern“ konnte. Das war in der Tat auch so. Der war nämlich Spengler und Dachdecker. Fatalerweise ist er in seiner Rentnerzeit beim Reparieren einer Dachrinne vom Dach gestürzt und konnte danach kaum mehr Laufen.

Du warst damals sicher im Winter auch unterwegs …

Grundsätzlich waren mir die winterlichen Berge immer besonders wichtig. Am eindrücklichsten waren die vom Pfrontener Alpenverein veranstalteten Rennen auf abenteuerlichen Strecken. Das waren damals keine Pisten, sondern es ging einfach nur durch den Wald und die Wiesen hinab.

Ich nehme an, deine Klettertouren sind mit der Zeit immer extremer geworden …

Ja, mit dem Trittleitereinsatz dann sehr schnell. Wohl zu schnell, und mit Illusionen bezüglich der eigenen sportlichen Fähigkeiten behaftet.

Was habt ihr damals für Touren gemacht?

Das waren hauptsächlich die üblichen Routen auf der Tannheimer Südseite, im Oberreintal die Brych, Herbst-Teufel, Schober und so weiter. In den Dolomiten waren wir in der Sella und Civetta unterwegs. Und natürlich stand auch der Wilde Kaiser auf dem Programm.

Bleiben wir doch zunächst im Allgäu. Was ist dir da in Erinnerung geblieben?

Wie bereits erwähnt, waren es bis ca. 1970 die 4er-Touren in den Tannheimern auf der Süd- und Nordseite. Langsam wagten wir uns in die um 1 bis 2 Grad schwereren Kleemaier-Routen. Nordseitig stiegen wir in die Schertelplatte und in den Gimpel Nordwestgrat ein. In den Ammergauern waren es die Geiselstein Nord- und Südwand. Da sind wir im Peitinger Weg in der Doppelwasserrinne kläglich gescheitert. An die Wildenverschneidung kann ich mich auch noch gut erinnern.

Mit Trittleitern und alten Rostgurken war das bestimmt eine abenteuerliche Zeit …

Das stimmt, dafür habe ich auch einen Preis bezahlt. Am Kleinen Drusenturm im Rätikon machte ich einen Abflug, der Gott sei Dank einigermaßen glimpflich ausging. Einige Rückenwirbel sind seitdem empfindlich. Im Hinterkopf ist das Erlebnis auch noch gut präsent.

Sind dir die Urväter der Allgäuer Extremtouren wie Ali Kleemaier, Max Nieberle usw. damals auch über den Weg gelaufen?

Nein, ich war unter anderem mit Max Fenle unterwegs. In der Schüsselkar-Südwand kann ich mich noch an die Herzog-Fiechtl mit dem Pendelquergang erinnern. Anfang der 1970er-Jahre kam dann Georg Geisenberger mit auf die Bühne. Der führte mich mit Brachialgewalt in’s extreme Klettern ein. Er meinte einmal: da kommt die Schlüsselstelle, jetzt steigst du vor.

Mit Hermann Reisach machte ich später in den Lechtalern die Linke Südwand an der Freispitze, vermutlich die 2. oder 3. Begehung. Wir waren auch in der Dreischartlkopf-Nordwand und im Rätikon in den Klassikern am Großen Drusenturm beziehungsweise in der Drusenfluh zugange.

Welche Anekdoten kann du über die damalige Zeit erzählen?

Knallige Anekdoten kann ich nicht wirklich bieten. Es sind zwar viele Erinnerungen vorhanden, die aber für andere in der Regel nicht so interessant sind.

Anfang der 70er Jahre machte ich mit Georg Geisenberger meine erste große Dolomiten-Tour. Wir übernachteten damals auf einem Friedhof in Südtirol, da es dort schön ruhig war. Später hat uns der Wirt auf der Tissihütte Spaghetti spendiert, weil wir offenbar nach der Livanos-Verschneidung und dem Gipfelbiwak so kaputt ausgesehen haben.

Meine erste Klettertour mit dem Alpenverein am Höllhorn-Südgrat wäre fast gescheitert, weil sich meine Schuhsohlen abgelöst hatten. Am Ende hat mich dann doch noch einer mitgenommen. Mit dem Versprechen, beim nächsten mal richtige Bergschuhe mit soliden Sohlen zu tragen.

Sicher warst du im Lauf der Jahre im gesamten Alpenraum unterwegs. Welche Gebiete oder Routen sind dir dabei besonders in Erinnerung geblieben?

In den Dolomiten waren es wie bereits erwähnt, die Livanos-Verschneidung und die Aste-Susatti an der Punta Tissi. An der Marmolada-Südwand machten wir insgesamt 4 Touren.

Anstonsten waren wir in der Sella, den Urner Alpen und am Furkapass unterwegs. Im Bergell erinnere ich mich an die meisten Klassiker auf der Nordseite. Der Cengalo-Pfeiler hat ja jetzt den Geist aufgebeben …

Leider hat es nie zum Klettern in Chamonix gereicht. Einmal war ich mit Hermann Reisach verabredet. Aber nach dem Absturz eines gemeinsamen Freundes ging dann nichts mehr. Ich bin dann allein auf den Mont Blanc und zum Einstieg der Dru-Westwand gestiegen. Vielleicht war das ganz gut so …

Irgendwann kam dann die Bohrhakenzeit. Hat das Sporklettern für dich auch eine Rolle gespielt, oder hat es dich immer mehr in die Berge gezogen?

Zum Studium bin ich im Herbst 1972 nach Regensburg gezogen. Die Alpen waren weit weg, aber zur Überraschung gabe es ziemlich viele Kalkfelsen in der Umgebung. Da war ich im Altmühltal und Laabertal und so weiter. Damals waren schon die ersten roten Punkte an den Einstiegen.

Es kam bald die Einsicht, dass man in Sachen Klettern nur mit hartem Training vorankommt. Die ersten Kontakte mit den 7er- und 8er-Routen waren frustrierend. Sepp Gschwendner mit Konsorten waren auch überall zugange und stellten stolz ihre Form zur Schau. Da habe ich mich in der Zeit lieber auf dem Fahrrad bewegt.

Später bin ich dann in den Taunus gezogen und habe alle großen und kleinen Felsen im Odenwald, in den Vogesen und in der Pfalz geklettert. Ab und zu gab es auch Besuche im Elbsandstein. Das ist dann immer der Alexander Adler vorgestiegen.

Soviel ich weiß, hast du mal ein paar Jahre in der Ukraine gewohnt. Konntest du da auch klettern?

Das Klettern hat mir recht schnell und einfach gute Kontakte vorort beschafft. Am Anfang stand allerdings die Schwierigkeit, den lokalen Trainingsort zu finden. Da hat mir dann ein anderer Deutscher weitergeholfen. Wir gingen damals nach Suevka, cirka 30 Kilometer nördlich von Donezk. Diesen Ort kennt man ja jetzt zu genüge. Mein erster Besuch mit der komplizierten Kleinbus-Verbindung in das Gebiet hat damals Bewunderung hervorgerufen. In den Jahren 2013/14 gab es dann viele tolle Wochenenden.

Nach der Krimeroberung habe ich dann von Kiew aus diverse Klettergebiete, unter anderem in den Karpaten und in der Schlucht bei Schitomir besucht. Das waren weitere tolle Wochenendreisen.

Warst du auch mal auf anderen Kontinenten beim Bergsteigen bzw. Klettern?

Im Jahr 2011 waren wir im Kaukasus am Kasbek auf dem Haupt- und Nebengipfel. Ein lokaler Bergführer hat uns in eine wilde, zunächst unkletterbar aussehende Flanke geführt. Da war auf ca. 4800 Meter Höhe eine kleine Höhle, genauer gesagt Eremitage. Das ware eine wilde Unternehmung im Bruchfels.

Heutzutage laufen wir uns immer in der Kemptener Kletterhalle über den Weg. Welchen Stellenwert hat für dich das Hallenklettern?

Im Raum Frankfurt hat mich 1995 die neue Kletterhalle wieder „voll auf Kurs“ gebracht. Das Hallenklettern hält mich heutzutage immer noch fit. Dennoch: auch in diesem völlig außeralpinen Gebiet gab es zufällig ein schönes kleines Klettergebiet, die Eschacher Klippen. Ähnlich wie schon seinerzeit in Regensburg.

Gibt es irgendwelche Wünsche, Ziele, Berge oder Rouen, die du dir noch erfüllen möchtest?

Mir würden eigenlich die einfachen Klettereien in den Tannheimern reichen. Ich habe mich die letzten Jahre mehr auf die Begehung alpiner Wege konzentriert. Viele davon sind in dem Buch „Alpine Bergtouren“ von Kristian Rath enthalten.

Ab und zu liebäugle ich dann noch mit so Touren wie die Schneck-Ostwand, Cima Ambiez-Ostwand und so weiter. Mal sehen, was draus wird …

Bene, ich komme ja auch bald in die Rente, dann nehme ich dich mal mit. Danke dir für’s Gespräch, ich wünsche dir noch viele gute Berg- und Kletterjahre in deinem Leben!