Der DAV-Wetterbericht verkündete strahlenden Sonnenschein auf der Alpennordseite. Kempten lag dicht im Nebel, so fuhren wir erwartungsvoll durch’s Lechtal Richtung Hochtannbergpass hinauf. Das durfte nicht wahr sein: auf der Passhöhe immer noch alles wolkenverhangen, in einer Höhe von über 1500 Metern. Keine Spur von Inversions-Wetterlage. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt …
Jenseits der Pass-Seite fuhren wir von Schröcken mit dem E-Bike zur Biberacher Hütte hinauf. Der Weg ist anfangs steil und wegen Baggerarbeiten mussten wir in der aufgewühlten Piste immer wieder schieben. Danach wurde die holprige Auffahrt angenehmer, doch es herrschte immer noch Suppe. Kurz vor der Hütte parkten wir das Rad bei einem Eisengerüst einer Mess-Station.
Laut Führer ging es hinab zu einem Wasser-Reservoir und durch eine breite Mulde weglos zum vermuteten Ziel hinauf. Im Nebel alles ziemlich fragwürdig und gewagt, doch wir gaben nicht auf. Irgendwann erreichten wir überraschend einen Pfad unter der Glattjöchlspitze, und siehe da: ein kurzes Stück weiter die ersten Sonnenstrahlen. Ein wahnsinns Ambiente über den Wolken, was sich da auftat. Es war spät im Jahr und die Nordflanken waren bereits eingeschneit …
Da stand sie nun, die Schönebergkante, eine schiefe Ebene, wie mit dem Lineal gezogen. Im weiten Umkreis kenne ich nur wenige Berggestalten mit solch einer Eleganz. Vielleicht noch die Roggalkante, ebenfalls im Lechquellgebirge. Wir tappten hinab zum Einstieg und das Kletter-Vergnügen nahm seinen Lauf …
Nach einer kurzen leichten Einstiegslänge bezogen wir gleich Stand. Ich sagte zu Daniel: heute Zeit lassen, so ein Juwel bekommt man nicht alle Tage. Nun ging es immer entlang der leicht geneigten Kante, die auf der linken Seite steil abbricht. Durchgehend wunderbar kompakter Kalkfels, gespickt mit Wasserrillen und allerlei Rauigkeiten, die ans Rätikon erinnern.
So sieht Plaisir aus: Die Stände sind vorbildlich mit Kettenmodulen saniert und die Zwischenhaken logisch platziert. An manchen Stellen muss man allerdings auch mal beherzt vom letzten Haken wegsteigen. Trotz moderaten Schwierigkeiten kommt an den plattigen Stellen immer wieder Spannung auf. Die Kletterei ist so schön, dass man jeden Zug genießt …
Um konsequent auf der luftigen Kante zu bleiben, wurde im oberen Teil eine etwas schwerere Variante im unteren 7. Grad eingerichtet. Keine Fleißaufgaben heute, wir entschieden uns für den leichteren Original-Ausstieg, der rechtshaltend durch eine schöne Verschneidung zum Gipfel hinaufführt. Unter uns das Wolkenmeer, so etwas erlebt man nicht alle Tage. Wir verweilten über eine Stunde und genossen den Blick zur Hochkünzelspitze, Braunarlspitze und wie die umliegenden Erhebungen alle heißen. Vielleicht ist es im Herbst immer noch am schönsten unterwegs zu sein …
Es handelt sich übrigens nicht um den Schöneberg, sondern um den ursprünglichen Namen „Eferagrat“. Der Begriff „Schönebergkante“ hat sich jedoch im Laufe der Zeit durchgesetzt. Nicht zu Unrecht, der Berg hat es verdient. Wie ein Exot ist diese markante rießige Kalkplatte in die wunderbare, eher sanfte Landschaft eingebettet.
Und da gibt es neben dem klassischen Grat noch weitere lohnende Kletterrouten am Massiv. Verbunden mit einer Frühjahrs-Skitour ist die Schönebergkante bei Insidern ebenfalls sehr begehrt. Durch die südwestliche Ausrichtung sind der Fels und exponierte Abstiegsweg schnell ausgeapert. Danach wartet eine ewiglange Abfahrt hinab nach Schröcken, dem tiefeingeschnittenen Ausgangspunkt der Tour.
Schwierigkeit
Überwiegend 4 bis 5, unten und oben leichter. Maximal 5+ (5 obligatorisch)
Absicherung
Die Route ist gut, aber nicht übertrieben mit Bohrhaken saniert.
Ausrüstung
50-Meter-Einfachseil, 8 Exen
Ausgangspunkt
Bushaltestelle Landsteg bei Schröcken im Bregenzer Wald. Der Parkplatz befindet sich ca. 100 darüber (durch den Tunnel teileinwärts).
Zustieg
Von der Bushaltestelle Landsteg am besten mit dem E-Bike teilweise steil zur Biberacher Hütte hinauf (ca. 6 km bzw. 45 Minuten). Kurz davor befindet sich auf der rechen Wegseite ein markantes Eisengerüst mit Mess-Station. Hier kann das Bike abgestellt werden. Man geht Richtung Westen zum Wasserreservoir (Betonringe) hinab. Nun konsequent nach Westen weglos durch eine breite Mulde hinauf, bis die Westflanke der Glattjöchlspitze erreicht wird (ca. 1 Std.) Hier trifft man auf einen Pfad, der horizontal nach rechts zum Eferagrat leitet. Ein kurzes Stück weiter wird die Schönebergkante sichtbar und man geht linkshaltend zur Kante hinab. Der Einstieg befindet sich auf der linken Gratseite wenige Meter über Geröll aufsteigend (von der Glattjöchlspitze ca. 30 Minuten).
Abstieg
Vom Gipfel nach Osten exponiert über Pfadspuren absteigen (ca 15 min.) und zurück zum Ausgangspunkt.
Unterkunft
Biberacher Hütte www.dav-biberach.de
Literatur
Kletterführer Vorarlberg www.panico.de
Webinfo
www.gipfelbuch.ch
festivaltour.de
www.youtube.com
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