Stefan Heiligensetzer

Ein Allgäuer Multi-Talent erzählt aus seinem Leben …

Stefan, du stammst aus dem Allgäu. Es liegt nahe, dass du schon in jungen Jahren deine Berg-Affinität gewonnen hast …

Ja, das stimmt. Mit Dreizehn hat meine Bergsteigerei begonnen. Als Jungmitglied der Bergwacht und im Alpenverein.

Was waren deine frühen Unternehmungen?

Felsklettern im Donautal und erste Skitouren im Allgäu waren der Start. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich schon bei einem leichten 5er im Donautal dicke Arme hatte und wie ich nach einer Skitour über’s Laufbacher Eck und Himmeleck völlig platt war. Aber der Virus war inhaliert.

Wie hat sich das dann weiterentwickelt? Was waren deine Schwerpunkte bezüglich Berge und Natur?

Bis zu dem Zeitpunkt, als Bundeswehr und dann Studium mich aus dem Allgäu fortführten, war ich aktiv in der Bergwacht, schloss Sommer- und Winterausbildung ab und machte meine Dienste. Im Alpenverein und mit Schulkameraden entwickelten sich ein paar Bergfreundschaften, mit denen ich in’s alpine Klettergeschehen eintauchte. Ziele wie der Piz Badile waren da dann wichtiger als Schule und Abitur ;-). Ein sorgsamer Umgang mit der Natur war mir immer wichtig – ich hatte ja auch die Naturschutzprüfung der Bergwacht abgeschlossen. Aber man muss auch zugeben, insbesondere damals war Bergsport auch Motorsport – leider heute noch ein Problem der Bergsteigerei.

Soviel ich weiß, hast du nach dem Studium einige Zeit im Ausland verbracht. Wo war das und waren dort die Berge auch ein Thema für dich?

Ja, ich war ca. 2 Jahre in Seattle. Auch dort gab und gibt es eine sehr aktive Bergsteigerszene. Da war ich eher klassisch auf Ski- und Hochtouren unterwegs. Die Northern Cascades lagen ja direkt hinter Seattle. Kanada gerade mal 3 Stunden entfernt. Eines meiner kleinen Projekte war, alle Vulkane von Kanada bis Kalifornien zu besteigen. Allen voran den Mount Reinier und Mount St. Helens.

Zurück im Allgäu bist du dann in‘s Lager der Berater und Trainer gewechselt. Ich nehme an, dass du da die Mitarbeiter von Firmen unterrichtest …

Nicht direkt. Ich habe einige Jahre eine eigene IT-Firma geführt, die dann verkauft und in ein Telekom-Startup überführt, in dem ich wiederum einige Jahre als internationaler Manager arbeitete. Viel Arbeit, wenig Berg, dicker Bauch, dickes Konto – auf Dauer kein guter Zustand. Zum Milleniumswechsel habe ich auch meinen Lebensentwurf gewechselt. Da kam die Beratungs-, Trainings- und Coaching-Arbeit dazu. Aber auch Alpinjournalismus, Fotografie, Bergführungen und Reiseleitungen. Ein bunter Mix als Freiberufler.

Stellst du beim Coaching auch einen Bezug zum Bergsteigen her?

Ja, mit Menschen draußen sein, sie dort Erfahrungen sammeln lassen und den Transfer ins Arbeitsleben zu gestalten ist Teil meiner Arbeit. Gern auch am Berg und mit der Metapher Berg. Dazu halte ich auch Impulsvorträge über die Bergsteigerei, die insbesondere Führungskräfte ansprechen.

Wie kann man eigentlich die Erfahrungen am Berg auf das tägliche Leben bis hin zum Management in Firmen übertragen?

Das geht relativ einfach, wenn man die Grundlagen von Teamdynamik und Führung verstanden hat. Denn am Ende geht es um Menschen und deren Verhalten, sowie Grundhaltungen und Wertesysteme. Die gelten am Berg, im privaten Leben und eben auch im beruflichen.

Verantwortung und Teamarbeit spielen da also eine wichtige Rolle …

Ja, natürlich. Beides Begriffe, die viel beinhalten. Was konkret dahinter steckt, bzw. was die spezifischen Themen hinter diesen Begriffen bei den Klienten sind, ergibt sich dann im eigentlichen Arbeitsauftrag.

Auf deiner Webseite habe ich gelesen, dass du ein bekennender Fan des „erlebnisorientierten Lernens“ bist. Kannst du das näher beschreiben?

Erlebnisorientiert zu Lernen ist die natürlichste Form des Lernens. Schon als Baby beginnen wir damit. Tagtäglich machen wir unsere Erfahrungen und lernen daraus. Als Kinder großteils im Spiel. Für Erwachsene haben wir das zur Methode entwickelt. Auch Erwachsene spielen gern ;-). Dazu kommt, das Erlebte und Erfahrene zu Reflektieren und in den Alltag zu transferieren. Deswegen heißt erlebnisorientiertes Lernen auch „erfahrungsorientiertes Lernen“. Outdoors lässt sich das perfekt umsetzen. Die Erlebnisse sind intensiv, die Erfahrungen mit Bildern des Erlebten gekoppelt. So entstehen stabile Lernanker.

Die meisten Erlebnisse finden also in der freien Natur statt. Was können da deine Klienten langfristig lernen?

Eigentlich gerade schon beantwortet. Anders ausgedrückt: die Klienten lernen ganz viel über sich selbst und über die anderen Beteiligten – und darüber, wie sie gemeinsam „ticken“.

Ich nehme an, unter dem Label „Experience Outdoors“ bist du auch als Reiseleiter tätig. Wenn ja, was bietest du da an?

Ich biete nichts selbst an, sondern arbeite als Reiseleiter und Bergwanderführer für Bergschulen und Reiseanbieter.

Ach so, wo geht’s da immer hin?

Die Reisen führten schon in verschiedenste Ecken der Welt. Sehr oft nach Nepal und Pakistan, also in den Himalaja. Die Berge Ecuadors mit der Straße der Vulkane waren ebenfalls schon Ziel und heiß wurde es in der algerischen Sahara im Tassili- und Hoggar-Gebirge.

Du hast es ja schon gesagt: Fotografieren und Journalismus scheint bei dir auch eine wichtige Rolle zu spielen …

Ja, das ergibt sich fast automatisch aus der Reise- und Berglust. Meine erste Spiegelreflex, eine Olympus OM 1, hatte ich mir 16 Jahren gebraucht gekauft und intensiv in der Foto-AG des Gymnasiums genutzt. Schreiben fiel mir immer leicht. So war es fast logisch, dass irgendwann ein fotografierender Alpin-Schreiberling aus mir wurde, der immer wieder sporadisch für Berg- und Reisemagazine liefert. Meine Bilder und Panoramas finden aber auch immer wieder ihren Weg in Wohnungen und Arztpraxen.

Hältst du auch Vorträge über deine Reisen?

Ja, in manchen Jahren recht intensiv in anderen weniger. Ja nachdem, was gefragt ist. DAV-Sektionen mit ihren Vortragsveranstaltungen sind immer dankbare „Abnehmer“. Es gab schon einige Vortrags-Highlights, an die ich mich gerne erinnere. Zum Beispiel eine Sahara-Durchquerung mit alten Jeeps, LKW und Motorrädern, bei der ich inmitten der algerischen Wüste eine meiner schwersten Alpinklettereien realisieren durfte. Oder unsere selbst organisierte Kleinstexpedition mit 2 Kumpels an die Ama Dablam in Nepal.

Neben deinen Outdoor-Tätigkeiten bist du ja auch im Vorstand der IG-Klettern-Allgäu aktiv. Womit befasst sich eigentlich diese Organisation?

Die IG Klettern und Bergsport Allgäu – so der korrekte Name – befasst sich mit dem Erhalt der Klettermöglichkeiten im Allgäu. Auch Neuerschließungen unterstützen wir in gewissem Maße. Gerade in talnahen Klettergebieten sind Konflikte mit Grundstücksbesitzern, Jagd und Forst nicht immer auszuschließen. Oft kommt dann auch das Landratsamt als Untere Naturschutzbehörde oder Untere Jagdbehörde mit ins Spiel. Diese Prozesse zu moderieren, Lösungen und ein gutes Miteinander zu finden ist unsere Aufgabe. Zudem finanzieren wir die Sanierung und damit den Erhalt der Sicherheit in unseren Klettergärten. Aufgrund der Alpennähe haben wir bewusst den Begriff „Bergsteigen“ mit aufgenommen. Damit haben wir auch den Blick auf die alpinen Klettermöglichkeiten und waren aber auch kritische Begleiter des Projektes „Skibergstiegen umweltfreundlich“ des DAV.

Ohne die IG wären insbesondere die Kletterer alleine gelassen. Welche Erfolge habt ihr zu verbuchen, oder werden da oft Kompromisse mit den Betroffenen geschlossen?

Ohne Kompromisse geht es manchmal nicht. Die sind besser, als dass uns ein Klettergebiet komplett gesperrt würde. Aber natürlich nutzen wir die gesetzlichen Spielräume, um das Beste für die Kletterer herauszuholen. Wichtiger ist aber ein gutes Miteinander mit Naturschutz, Vogelschutz und Behörden – auf Augenhöhe. Das gelingt uns recht gut und damit auch gute Lösungen.

Seit der Corona-Zeit werden ja immer mehr Gebühren auf den Parkplätzen der Naturschauplätze erhoben. Wie lässt sich das erklären?

Ich glaube, das ist ein Mix aus mehr Besucherdruck – es gibt immer mehr Outdoor-Freizeitler – Begehrlichkeiten in den Gemeinden (die sind verantwortlich für Parkgebühren) und Finanzierung der Parkmöglichkeiten also, Bau und Erhalt. Insgesamt halte ich persönlich die aktuellen Parkgebühren großteils für maßlos überzogen.

Finde ich auch. Am Riedberger Horn zahlen die Skitourengeher mittlerweile 10 Euro für’s Tagesticket. Ziemlich viel für so eine kurze Tour. Kann man dagegen eigentlich nichts unternehmen?

Das ist schwierig. Öffentliche Parkplätze sind Gemeindesache, da muss man sich also mit jeder Gemeinde einzeln auseinandersetzen. Und die sind im Allgäu bei dem Thema wenig gesprächsoffen. Andere Parkplätze – zum Beispiel an Bahnen – sind private Parkplätze, das ist noch schwieriger. Die genannten 10 Euro gehören für mich in den genannten Bereich „maßlos überzogen“.

Zurück zu angenehmeren Themen. Bist du heutzutage mehr der Allrounder in Sachen Berge oder gibt es da auch Schwerpunkte?

Alpinklettern im Sommer und anspruchsvolle Skitouren sowie Steileisklettern sind immer noch meine liebsten alpinen Spielarten.

Welche Gebiete oder Touren sind dir bisher besonders in Erinnerung geblieben?

Eigentlich immer die bei uns nicht so bekannten und anspruchsvollen. Besonders gern denke ich an zwei Gebiete – Granit, und fast durchwegs selbst abzusichern. Zum einen das Gebiet rund um das Rifugio Pontese und zum andern die Klettereien rund um das Dorée Biwak. Aber auch exotische Ziele ohne Gipfelerfolg, wie der El Altar in Ecuador sind besonders tief in der Erinnerung verankert.

Was das Klettern betrifft, warst du ja auch als Erschließer von Neutouren aktiv. Stichwort „Fidereblick“ in den Allgäuer Alpen. Wie war das damals und kannst du die Route näher beschreiben?

Mein Namenskollege Stefan Tauscher und ich sind öfter auf der Fiderepass-Hütte und hatten schon länger die Südwände des Hammerspitzgrates im Blick. Mit der Idee, da müsse doch eine gute Klettertour hergehen. Irgendwann haben wir uns das genauer angeschaut und damit angefangen. Heraus kamen 6 schöne alpine Seillängen mit Schwierigkeit bis 6+ A0. Die beiden Schlüssellängen dürften im 7., eine vielleicht im unteren 8. Grad liegen, da gehen die Beurteilungen auseinander. In Kombination mit der Weiterführung des Ostgrates zur Hammerspitze ist das eine tolle Tagesaktion. Man kann aber die 6 Seillängen auch wieder abseilen.

In den hohen Bergen warst du ja auch schon unterwegs. Ich bin zufällig auf deinen Youtube-Kanal gestoßen und habe deinen Manaslu-Trek entdeckt. Das war bestimmt eine eindrucksvolle Unternehmung …

Die Manaslu-Umrundung durfte ich schon zwei mal machen und ist tatsächlich sehr eindrucksvoll. Wie alle Umrundungen von hohen Bergen vielseitig, aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven auf den Berg. Der Manaslu-Trek führt im Frühjahr zudem durch herrliche Rhododendron-Wälder. Einzigartig ..

Wie bereits erwähnt, warst du an der Ama Dablam auch schon zugange. Wie ist das eigentlich, tagelang bei dünner Luft und Kälte einen schwierigen Berg zu bezwingen?

Das ist eine Frage der Akklimatisation. Meint Trick-Tipp hier ist: ausreichend Zeit dafür zu nehmen. Wir haben vor der Ama Dablam einen anderen „kleinen“ Sechstausender als Trainingsberg gemacht. Das hat sehr geholfen. Aber trotz allem blieb uns ein endgültiger Gipfelerfolg verwehrt und wir kamen nur bis ca. 100 m unter den Gipfel. Berge, insbesondere die hohen, liefern eben keine Gipfelgarantie.

Welche Unternehmungen würden dich in den Alpen oder weltweit sonst noch reizen?

Südamerika und Patagonien sind für mich noch eher weiße Flecken auf der Karte. Da gäbe es noch viele Ziele. In den Alpen gibt es aber auch noch viel. Wo ich noch gar nicht war, aber unbedingt mal hin will, ist das Gesäuse.

Stefan, ich wünsche dir weiterhin viel Spaß bei deinen vielseitigen Touren in Berg und Tal!

Danke, dir auch und immer sichere Rückkehr 😉