„Tutto Bene“ an der Kanzel

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Was das Klettern an der Kanzel betrifft, könnte man es am besten mit „Sag niemals nie“ beschreiben. Es war schon sehr gewagt, als ich hier die ersten Kletterrouten in der steinbruch-anmutenden Wand über der Oberjoch-Pass-Straße erschloss. Auf den ersten Blick wirkt der Fels eher fragwürdig, doch mit geschultem Auge gelang es mir bis dato 4 lohnende Mehrseillängen-Touren einzurichten. Da gibt es immer wieder kompakte Zonen, die ich zu kletterbaren Linien zusammenkreierte.

Die neueste Route nennt sich nun „Tutto Bene“, die ich dem Allgäuer Urgestein Bene Thanner zum 75. Geburtstag widmete. Es sind also auch Rentner an der Kanzel willkommen. Die Tour ist diesesmal sehr abwechslungsreich geworden: steile Wandkletterei, kurze Überhänge, strukturierte Platten und ein fotogener Quergang sind Programm. Der Standplatz auf einer horizontalen Gratkante sorgt für Laune. Etwa in Wandmitte befindet sich eine besondere Überraschung, mehr will ich hier nicht verraten. Ein Teil der Stände sind wie gewohnt auf geräumigen Bändern. Hier kann nach einer anstrengenden Passage erstmal durchgeschnauft werden.

Mittlerweile sind an der Kanzel an guten Tagen fast täglich Seilschaften anzutreffen: Alpine Neulinge, Plaisir-Kletterer, Feierabend-Kletterer und wie sie alle heißen. Und gerade bei unsicherem Wetter sind die Touren auch für Geübte ein willkommenes Ziel. Durch die südseitige Lage kann fast das ganze Jahr über an der Kanzel geklettert werden. Auch nach längeren Regenfällen trocknet der Fels relativ schnell ab. Im oberen Teil kann im Notfall nach links zum benachbarten Ostrachtaler Klettersteig hinausgequert werden. Da die Zu- und Abstiegswege relativ kurz und überschaubar sind, eignen sich die Routen auch bei kurzem Zeifenster.

Einziges Manko: der herauftösende Motorradlärm von der Pass-Straße wirkt zuweilen störend. Doch dafür wird man mit dem eindrucksvollen Blick hinab nach Hindelang und hinaus in’s Illtertal bis hinüber zur Nagelfluhkette belohnt. Nach dem Klettern sollte man es nicht verpassen, dem Kanzel-Kiosk einen Besuch abzustatten. Wie ein Adlerhorst thront die kleine gemütliche Location über dem Ostrachtal. Von hier aus können bei Kaffee und Strudel die Kletterer in der gegenüberliegenden Wand studiert werden.

Schwierigkeit
Überwiegend 5 bis 6, gelegentlich leichter (5+ obligatorisch)

Absicherung
Die Route ist perfekt mit Bohrhaken abgesichert

Ausrüstung
50-Meter-Einfachseil, 12 Exen, Baumschlinge für den letzten Stand

Ausgangspunkt
Parkplatz Oberjoch auf der Passhöhe. Schnelle Seilschaften können auch am Kanzel-Kiosk starten. Zulässige Parkdauer 2 Stunden.

Zustieg
Vom Parkplatz Oberjoch P1 entlang der Straße zum Kanzelkiosk hinab. Hier führt der beschilderte Weg nach rechts zum Ostrachtaler Klettersteig hinunter. Der Einstieg befindet sich rechts des Klettersteigs über dem Steinschlaggitter. Vom Parkplatz ca. 30 Minuten.

Abstieg
Vom Ausstieg der Tour gerade hoch, dann linkshaltend über einen Pfad zum Aussichtspunkt Ifenblick hinauf. Hier führt ein Schotterweg nach rechts zum Parkplatz P1 zurück. Ca. 30 Minuten.

Webinfo
https://www.youtube.com/watch?v=uNhJaoiWY6E

Bildgallerie

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3 Gedanken zu „„Tutto Bene“ an der Kanzel“

  1. Hallo Helmut,
    danke für deine Einschätzung 🙂 das sehe ich auch so! Die Überraschungs-Wand wäre frei geklettert im 8., 9. Grad. Das würde insgesamt nicht in die Tour passen. Weiterhin viel Spaß an der Kanzel!
    Pat

    Antworten
  2. Kleine Anmerkung für frühe Wiederholer: Beim ersten großen Band kreuzt die Route die Südkante. Der Stand von „Tutto Bene“ ist hier bei der Kette mit Karabiner. Beim nächsten Band ca. 5 Meter nach rechts für den Weiterweg. Wird demnächst beschriftet. Viel Spaß 🙂

    Antworten
    • Servus Pat,

      habe mir die 2. Begehung gegönnt. Ich finde die Route mit am Besten an der Kanzel. Auch die „Überraschung“ ist Dir geglückt. Falls sich jemand darüber aufregen sollte: ich glaube, in diesem Areal ist das absolut vertretbar, wenn man auch die Sprengungen und den Klettersteig ins Kalkül mit einbezieht. Da ist das noch der geringste Eingriff. Gut gemacht !!

      Grüße
      Helmut Winkler

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