Wer öfters in den Schweizer Klettergebieten unterwegs ist, dem sollte das „Sanetsch“ ein Begriff sein. In der Führerliteratur werden dabei immer wieder die „Remy’s“ erwähnt, ohne diesen Namen wären die Felsen vielleicht weniger bekannt. 1982 haben die berühmten Brüder mit „Au bord du vide“ das riesige Potential erstmals angetastet. Mittlerweile ist hier ein wahres Sportkletter-Juwel entstanden, das bis heute um die 100 Routen in fast allen Schwierigkeitsgraden umfasst. Das Angebot reicht von der 10-Seillängen-Tour bis hin zum familienfreundlichen Klettergarten incl. Boulderblöcke.
Doch was macht es aus, dass dieses Klettergebiet so begehrt ist? Es liegt ja nicht gerade um die Ecke, vielmehr am „Col du Sanetsch“ auf über 2000 m Meereshöhe. Vom Berner Oberland bzw. Wallis fährt man immerhin an die 30 km auf die karge Passhöhe. Der Grund dafür ist der äußerst raue und kompakte Hochgebirgskalk, den man hier vorfindet. Es sind die abgewaschenen Platten, ganze Teppiche von nadeligen Wasserrillen, mehr oder weniger große Abspaltungen, aber auch klassische Verschneidungen mit tiefen Rissen versehen. In manchen Routen findet man sogar überhängende, großgriffige Kletterpassagen. Die kurzen Zustiege von 5 bis 30 Minuten tragen sicher auch zur Beliebtheit bei.
Die meisten Anstiege wurden mittlerweile „sanft“ saniert, haben aber von ihrem ursprünglichen Charakter kaum etwas eingebüßt. À la Remy bedarf es nach wie vor entschlossener Angriffslust, um erfolgreich zu sein. Die Linien sind gelegentlich sehr nahe oder kreuzen sich sogar, was die Orientierung beim Klettern erschwert. Deshalb empfiehlt es sich, das Topo dabei zu haben bzw. dem jeweiligen Hakentyp zu folgen. Wir waren in der „Pas Perdus“ unterwegs, und haben uns einmal in die „Fantasio“ verstiegen. Aber alles kein Problem, der Fels ist hier überall schön …
Was uns auch beeindruckt hat, war die Landschaft rund um den Col du Sanetsch. Der weitläufige Pass ist zwischen den vergletscherten Massiven des Wildhorns und der Diablerets eingebettet. Eine besondere Attraktion bilden die ausgedehnten Karstfelder, die „Lapis de Tsanfleuron“, welche regelrecht als „horizontale Felswände“ bezeichnet werden können. Der hochgelegene Stausee bildet einen weiteren Blickfang. Eigentlich sollte man hier gleich mehrere Tage verweilen, idyllische Stell- und Biwakplätze gibt es in ausreichender Menge.
Das Wetter kann auf der Passhöhe allerdings sehr frisch sein. Man befindet sich auf der Wetterscheide Nord-Süd, wo der zähe Nebel vom Berner Oberland auf den Pass heraufzieht, während die 4000er im Wallis in der strahlenden Sonne liegen …
Schwierigkeit in der „Pas Perdus“
Überwiegend 5b bis 5c, nach oben hin leichter werdend. Gelegentliche Passagen 5c+ bzw. 5c obligatorisch.
Absicherung
Die plattigen Längen sind ausreichend mit Bohrhaken abgesichert. In einer Verschneidungslänge können zusätzlich mittelgroße Friends gelegt werden.
Ausrüstung
Einfachseil, 10 Exen, evtl. Friends für die Verschneidung
Ausgangspunkt
Ca. 2 km nördlich der Passhöhe befindet sich unter den beiden Massiven „Monton und Orphée“ am Straßenrand ein Parkplatz.
Zustieg
Vom Parkplatz über markierte Pfadspuren nach rechts hinauf zum Sektor Orphée. Am Wandfuß wenige Meter nach rechts zum angeschriebenen Einstieg.
Abstieg
Vom Ende der Tour 1 Seillänge über die Wiese empor. Anschließend nach links über eine absteigende Rampe, entlang den roten Markierungen, zuletzt über Schrofen und Geröll zurück zum Ausgangspunkt.
Topos
Kletterführer „Schweiz Plaisir West“ Band II www.kletterfuehrer.net
Webinfo
Bildgallerie