Saint-Jeannet, das historische Touristendorf befindet sich ca. 25 Kilometer landeinwärts von Nizza. Mit seinen engen Gassen, einladenden Bars und von Olivenbäumen gesäumten Straßen ist der südländische Flair allgegenwärtig. Schon bei der Parkplatzsuche wird es eng: zahlreiche Gäste belagern den Ort und nicht wenige davon wollen den 884 Meter hohen Hausberg „Baou de Saint-Jeannet“ umrunden oder gar auf dem einfachen Normalweg besteigen. Das markante Massiv ist in der Tat ein Magnet, denn die Sicht reicht bis nach Nizza und auf’s in der Ferne schimmernde Mittelmeer hinaus.
Die bis zu 250 Metern steil abfallenden Felswände des „Baou de Saint-Jeannet“ bieten zahlreiche Mehrseillängen-Routen unterschiedlichen Niveaus bis hin zu Klettergärten am Fuß des Bergs. Bereits 1943 wurde die 10-Seillängen-Tour „La Innominata“ erstbegangen, für die wir uns auf den Weg machten. Die Erschließer folgten damals dem Weg des geringsten Widerstands inmitten der steil abfallenden Wandzonen. Sie gilt als eine der leichteren Linien am Massiv und ist deshalb sehr beliebt.
Im Kletterführer heißt es: „wenn der Weiterweg unklar ist, dann einfach dem Speck folgen“. So einfach war es dann nun doch nicht – bereits in der 2. Seillänge waren wir kurz vor dem Rückzug. Eine diagonale Querung führte nach links, umgeben von Umkehrschlingen, Fixkeilen und modernen Bohrhaken-Linien in’s scheinbare Nirwana hinaus. Dank der alpinen Erfahrung samt Beharrlichkeit erreichten wir schließlich eine Pfeilerkante, die den logischen Weiterweg ermöglichte.
Weiter oben überraschte uns ein abgespeckter Riss, die eigentliche Schlüsselstelle in der Tour. Im Topo mit 5a angegeben, entpuppte er sich frei geklettert als aalglatte 6a+ Passage. Wie herrlich rau muss der schmale Spalt zur Zeit der Erstbegehung gewesen sein. Mit einem großen Friend ließ sich aber auch diese Crux bezwingen und wir konnten über einen sehr schönen Pfeiler weiterklettern.
In der Headwall schickte uns das rudimentär beschriebene Topo dann noch in die falsche Richtung. Die letzten Seillängen umgehen den steilen Wandbereich am leichtesten nach links, um den Gipfelgrat zu erreichen. Bei Sonnenuntergang standen wir schließlich erleichtert auf dem höchsten Punkt einer karstigen Hochfläche – und tappten später im Dunkeln nach Saint-Jeannet zum wohlverdienten Bier hinab …
Alpin-ambitionierte Kletterer werden in der „Innominata“ durchaus auf ihre Kosten kommen. Dies merkt man gleich beim steilen Zustieg unter die Wand. Die Tour ist zwar nicht durchgehend schwer, dafür durchgehend spannend, wenn man hier das erste Mal unterwegs ist. Die Orientierung ist manchmal zweifelhaft und die Kletterei an den 6er-Passagen für den Grad anspruchsvoll. Der Weg wird gelegentlich von moderneren Linien gekreuzt, am besten orientiert man sich an den älteren Klebehaken. An manchen Stellen können auch Friends hilfreich sein. Die Route wirkt insgesamt etwas abenteuerlich und ist teilweise von Botanik umgeben. Dennoch gibt es überwiegend schöne Kletterpassagen, die einen Durchstieg rechtfertigen. Und schließlich bietet der Gipfel einen phantastischen Rundblick vom Mittelmeer bis zu den Seealpen hinauf. Wer in der Gegend von Nizza klettert, kommt an Saint-Jeannet fast nicht vorbei …
Schwierigkeit
Überwiegend 4 bis 5, gelegentlich 6, maximal 6+/7- bzw. 6 A0 (6 obligatorisch)
Absicherung
Die Tour ist ausreichend bis gut mit Klebehaken abgesichert. Gelegentlich können Friends dazu gelegt werden. Insbesondere die Schlüsselpassage, ein abgespeckter Riss (6+/7-) kann mit einem großen Friend entschärft werden.
Ausrüstung
Einfach- oder Doppelseil, 10 Exen, Friends, Schlingen
Ausgangspunkt
Der Touristenort Saint-Jeannet ca. 25 Km nördlich von Nizza. Ein geräumiger Parkplatz befindet sich etwa in Ortsmitte.
Zustieg
Vom oberen Dorf ca. 500 m horizontal nach links durch Gassen bis eine Kapelle erreicht wird. Gleich hinter der Kapelle nach rechts dem Pfad folgen. Nach ca. 10 Minuten bei einem Steinmann rechtshaltend teilweise felsig geradeaus hinauf. Man erreicht den Wandfuß der Hauptwand und quert nach links bis ein Fixseil erreicht wird. Das Seil leitet zum Einstieg bei einer roten Gufel. Vom Parkplatz ca. 1 Stunde.
Abstieg
Vom letzten Stand nach rechts entlang der Gratkante zum Gipfel hinauf. Von hier entlang der violetten Punkte rechtshaltend über den immer breiter werdenden Normalweg zurück zum Ausgangspunkt. Ca.1 Stunde.
Topos
Kletterführer Côte d’Azur www.kletterfuehrer.net
Webinfo
www.guides06.com
Unterkunft
www.allgaeu-plaisir.de
Bildgallerie
Anspruchsvolle abenteuerliche Tour, die man NIE vergessen wird!!
…und das aus Deinem berufenem Munde:-)
Schöner Bericht zu einer spannenden Tour.