Klettern im Elbsandstein-Gebirge

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Meine erste Bekanntschaft mit dem Elbsandstein-Gebirge vor ca. 25 Jahren war zuerst ein Sprung ins eiskalte Wasser. Damals zog mich der Erwin die Meurerturm-Westwand hoch, ich war hoffnungslos überfordert und gleichzeitig froh irgendwie auf dem Gipfel anzukommen. Rechts daneben kletterte ein noch begabterer Local über’s „Lineal“ im sächsischen Schwierigkeitsgrad IXa (8-) hinauf. Ohne jegliche Zwischensicherung zog er das Seil hinter sich her, um am Stand seinen Partner nachzuholen. Wahnsinn, irgendwie bin ich hier nicht auf den Geschmack gekommen, vielleicht wäre eine banale 4er-Tour für’s Erste besser gewesen. Der Kontakt zu Erwin verebbte im Laufe der Zeit und überhaupt war dieses Mittelgebirge viel zu weit von meiner Heimat entfernt …

Seit einiger Zeit kenne ich nun den Daniel, der mittlerweile im Allgäu wohnt. Wir besuchten seine Familie in der Nähe von Dresden mit der nicht ganz nebensächlichen Absicht, dem Elbsandstein-Gebirge wieder einmal einen Besuch abzustatten. Gespannt sah ich dem verlängerten Wochenende entgegen, wie es diesesmal lief. Das „Bielatal“ sei ein gutes Einsteiger-Gebiet, meinte sein Schwager Nils, und so starteten wir im Herbstnebel Richtung Sächsische Schweiz.

Wenige Kilometer vor dem Ziel war die Straße gesperrt und wir wurden dazu aufgefordert, eine Umleitung zu nehmen. Dieser Umweg hätte uns mindestens eine Kletterroute gekostet und das kam überhaupt nicht in Frage. Daniel fuhr weiter, bis wir vor einem Bagger standen.  „Da musste nur feste hupen, der fährt dann schon auf die Seite“ erklärte uns ein anwesender Straßenarbeiter sarkastisch. Was in Sachsen ungefähr heißt wie: „Seid ihr denn zu blöde, die ausgewiesene Umleitung zu nehmen?“

Daniel im Allgemeinen, ist an Gelassenheit kaum zu übertreffen, für seinen alten Passat bekam er zwei Wochen später die Diesel-Abwrack-Prämie. So fuhr er kurzentschlossen durch eine minimale Lücke am Bagger vorbei und schrammelte gleichzeitig den Lack seiner linken Autoseite an einer Leitplanke ab. Die Szene war filmreif, die Reifen drehten durch, ängstlich schlossen wir die Augen, aber Daniel war nicht mehr aufzuhalten. Wenige Minuten später waren wir ohne großen Umweg im wunderschönen „Bielatal“ und den ersten Felsen angekommen …

Allgemeines

Bereits beim Zustieg erwachte unsere Kletter-Herz beim Anblick dieser wilder Szenerie. Das Elbsandsteingebirge umfasst knapp 1200 Türme mit über 20 Tausend Kletterrouten. An den Massiven ist das Klettern verboten. Allein der Kletterführer „Bielatal“ ist mit unzähligen Wegen prall gefüllt. Die Orientierung ist dabei für Neulinge wahrlich nicht einfach, deshalb ist es angenehm einen Gebietskenner mit dabei zu haben.

Das nächste Problem für uns verwöhnte Plaisir-Kletterer ist die Absicherung. Hier steckt nicht jeden Meter ein Bohrhaken, dafür lediglich an den exponierten Stellen ein fetter Eisenring. Dazwischen muss in den Rissen mit Knoten- bzw. Sanduhrschlingen abgesichert werden. Neuerdings sind nach längeren Diskussionen auch textile Keile (UFO’s) erlaubt.

Die herrschenden Regeln sind streng traditionell, aber auch nachvollziehbar. Der Sandstein ist sehr weich und sollte für die nachfolgenden Kletter-Generationen erhalten bleiben. Deshalb sind Alu-Keile, Friends und Magnesia tabu, da sie die Felsoberfläche angreifen. Bei den Abseilstellen wurden mittlerweile bereits Eistenstangen angebracht, um die Felskanten vor Abrieb zu schützen. Wir haben an vielen Passagen zentimetertiefe Furchen zahlreicher Abseilaktionen gesehen. Nach längeren Regenfällen ist ein Tag abzuwarten, da die durch die Feuchtigkeit aufgeweichten Griffe labil werden. Ebenso ist das „Toprope-Klettern“ unerwünscht, um Schleifstellen an der Wand sowie eine „Dauerbelagerung“ einzelner Routen zu vermeiden.

Dies ist nur ein kleiner Auszug der umfangreichen Sächsischen Kletter-Regeln. Es gibt noch zahlreiche weitere Empfehlungen bzw. Vorschriften, was vor allem die Kletter bzw. Erstbegeher-Ethik betrifft. Darüber sollten jedoch besser die Kenner des Elbsandstein-Gebirges berichten. Sehr lesenwert und aus heutiger Sicht amüsant, ist übrigens auch der Kletter-Knigge für die Sächsische Schweiz. Siehe teufelsturm.de

Da wir nur zwei Klettertage zur Verfügung und wenig Erfahrung im Sandstein bzw. mit der ortsüblichen Absicherung hatten, suchten wir uns ein paar gängige Ziele aus. Daniel und Nils führten uns dabei ins „Bielatal“ und nach „Rathen“, wo es auch für uns Einsteiger ein reichhaltiges Angebot an moderaten Routen gab. In der Regel können an einem Tag mehrere Wege bis zu mehreren Seillängen geklettert werden. Meist wird über selbsterklärende Abseilwege oder die Routen abgeseilt. Die Sächsische Schwierigkeitskala ist hier nach zulesen, siehe wikipedia.org

Bielatal

Schiefe Zacke, Ostriss (V)

Gute Einsteiger-Tour. Der Überhang in Wandmitte lässt sich mit Knotenschlingen oder UFO’s gut absichern. Darunter und darüber lässig mit geringen Schwierigkeiten.

Kleine Hercules-Säule, Alter Weg (IV)

Über einen Kamin gelangt man seilfrei auf ein kleines Plateau. Die Kletterei beginnt mit einem kleinen Pfeiler und endet mit der exponierten Gipfelwand. Schöne Tour, die sich vor allem in der Gipfelwand gut absichern lässt.

Schraubenkopf, Alter Weg (IV)

Logische Linie, im unteren Teil über einen markanten Pfeiler mit wenigen Sicherungsmöglichkeiten. Die Gipfelwand ist sehr exponiert, kann jedoch mit Schlingen gut abgesichert werden. Schöner klassischer Weg.

Wegelagerer, Alter Weg (II)

Netter und kurze Tour, die sich auch in der Abenddämmerung noch schnell anhängen lässt. Absicherung kaum nötig.

Rathen

Talwächter, Pfeilerweg (V)

Anfangs über einen markanten Pfeiler, danach steile Gipfelwand. Sehr schöne Tour mit meist guten Absicherungsmöglichkeiten. Zwischenstand auf dem Pfeilerkopf.

Talwächter, Ostkante (VI)

Anfangs über einen markanten Riss, der auf dem Pfeilerkopf endet. Nun nach rechts zur exponierten Ostkante mit zwei Ringen. Mutiger Einstieg zum gemütlichen Riss. Die Ostkante ist exponiert und lässt sich nur gelegentlich absichern. Sehr schöner Weg.

Westlicher Feldkopf, Südwand (VI)

Gemütlicher Start nach rechts auf einen Pfeilerkopf (1. Stand). Nun wieder nach rechts über eine Verschneidungslinie, später über herrliche Platten auf ein Band (2. Stand). Zuletzt führt die steile Headwall hinauf zum Gipfel. Sehr schöne Tour, unten gut gesichert. Die Gipfelwand ist exponiert und bietet teilweise labile Verkrustungen, die nicht immer zuverlässig sind.

Türkenkopf, Südwand (V)

Sehr schöner Weg, der in einer Links-Rechts-Schlaufe auf den Gipfel führt. Sehr griffig und gut abzusichern. Zwei Seillängen lang.

Türkenkopf, Wolkenkante (VI)

Zuerst über den Alten Weg einfach auf einen Absatz (Standplatz). Nun nach links über die Kante und anschließend nach rechts weiter zum Gipfel. 2 Ringe, dazwischen wenige Sicherungsmöglichkeiten. Nach der Kante sehr schöne Kletterei.

Fazit

Das vielleicht schönste deutsche Mittelgebirgs-Klettergebiet wird auch oft als die „Wiege des Freikletterns“ genannt. Die Sächsischen Kletter-Regeln stammen aus einer alten Tradition, die noch vor der Öffnung des Eisernen Vorhangs entstanden ist. Wer hier klettert ist vor allem Klassischer Bergsteiger. Bis auf wenige vorhandenen Eisenringe ist man selbst für die Absicherung verantwortlich, was die eigene Kreativität und den Mut wachrüttelt. So liefert man sich meist einem mehr oder weniger großen Abenteuer aus, um erfolgreich am Gipfel anzukommen. Auf jedem Turm befindet sich ein Buch, indem sich der jeweilige Erstankömmling zuerst eintragen darf.

Aber keine Angst, in der Regel tastet man sich an den Schwierigkeitsgrad ran. Es gibt auch viele leichte Wege, die zum Erfolg führen. Mittlerweile gibt es sogar schon einen Plaisir-Kletterführer für die Sächsische Schweiz. (Den wünsch ich mir zu Weihnachten -:).

Die Gegend ist aber auch wegen seiner landschaftlichen Schönheit und Ruhe sehr reizvoll. Besonders im Herbst lohnt sich ein Besuch, da die umliegenden Laubbäume in goldener Verfärbung anzutreffen sind. Von manchen Gipfeln bekommt man einen tollen Blick auf die nahegelegene Elbe. Und nach dem Klettern bietet sich schließlich ein Besuch in Dresden an, das einiges an Kultur zu bieten hat. Die Wiederholungsgefahr ist sehr groß, wieder in die Sächsische Schweiz zur reisen …

Topos

www.bergverlag-roelke.de

www.kletterfuehrer.net

www.panico.de

geoquest-verlag.de

www.tmms-shop.de

www.freytagberndt.com

www.buecher.de

Webinfo

www.bergzeit.de

teufelsturm.de

www.oberelbe.de

www.kleimbing.de

www.saechsische-schweiz.info

www.rock-trail.de

myclimb.de

bergsteigerbund.de

 

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2 Gedanken zu „Klettern im Elbsandstein-Gebirge“

  1. Hallo Katja,

    der Daniel ist in der Tat ein sehr netter und vielbegabter Zeitgenosse. Den kann ich dir gerne mal vorstellen, ich glaube, aktuell ist er grad wieder zu haben. Im Elbsandsteingebirge hat er bereits viele schwere Routen Free Solo begangen und ist sicher bereit, dich bei seinen Abenteuern mitzunehmen. Mit oder ohne Seil – wie du willst. Daneben ist er ein begnadeter Liedermacher und gibt mit mir demnächst ein paar Konzerte im Allgäu. In seiner Freizeit baut er auch gerne Wohnmobile aus und fährt ganz nebenbei noch Autorennen mit seinem alten 400-PS-Passat. Deshalb ist er auch ganz souverän zwischen Bagger und Leitplanke hindurch gefahren, wie oben beschrieben. Am Wochenende geht er bestimmt wieder mit auf Skitour, da kannst du dich ja ganz unauffällig dazugesellen …

    Schöne Woche noch, Pat

    Antworten
  2. Hallo Pat, danke für den interessanten Bericht übers Elbsandsteingebirge. Klingt wirklich toll und ich werde das für 2020 auf jeden Fall einplanen. Vielleicht hast du ja Lust, mitzukommen! Noch eine Frage: Dieser Daniel klingt nach einem sehr interessanten Mann, den würde ich ja echt mal gern kennenlernen 🙂 Wer weiß, vielleicht laufe ich ihm ja eines Tages über den Weg. Beste Grüße Katja

    Antworten

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