Klettern bei Toulon

4.5
(2)

Seit vielen Jahren flüchten wir zum Jahreswechsel vor dem alljährlich milden Schmuddelwetter in den Süden. Diesesmal (2024/25) wäre es nicht dringend notwendig gewesen, denn es hat tatsächlich Schnee zumindest in den Bergen gegeben. Aber die Ferienwohnung war schon lange gebucht, die Kletterführer vorhanden, also ab nach Toulon an die Côte d’Azur. Wie immer stieg das Thermometer spätestens in der Provence kontinuierlich an. Vorort waren es dann 15 Grad im Schatten, in der Sonne entsprechend mehr …

Wenn man sich mit diversen Leuten unterhält, die noch nie oder schon mal in Toulon gewesen sind, hört man immer wieder die gleiche Leier: Hm … bestimmt recht speckig und/oder überlaufen. Doch wir wurden eines besseren belehrt. Sobald man sich vom Mainstream entfernt, ein paar Minuten weiter läuft, wird der Fels zunehmend rau und man ist wieder fast alleine unterwegs. Ein Local meinte: das sind insgesamt 15 verschiedene Gebiete, da verteilt sich die Masse ganz gut. Wenigstens ist es zum Jahreswechsel sehr ruhig da unten …

Der Kletterführer von Toulon lockt mit 2446 Routen, überwiegend Sportklettern bis hin zu 6-Seillängen-Touren. Und das Schöne daran ist: es gibt sehr viele moderate Klettereien im 4. bis 6. Schwierigkeitsgrad. Noch besser: die Absicherung ist allgemein sehr gut, die unteren Haken eng gesetzt. Der Clipstick kann somit zu Hause bleiben, ebenso Friends für die Mehrseillängen-Routen. Die Erschließer bzw. Sanierer haben sich alle Mühe gemacht, um ein attraktives, gut gesichertes Klettergebiet zu schaffen …

Wer sich am nördlichen Stadtrand von Toulon im Dreieck „Le Baou de Quatre Ouros/Revest-les-Eaux/Mont Faron“ einquartiert, kann im Zirkel von 5 Kilometern die wichtigsten Klettergebiete erreichen. Eine halbe Fahrstunde dazu gerechnet gibt es weitere Spots, die man nicht verpassen sollte. Gebiete wie „Destel, Jaume oder Cimaï“ sind so schön und gehören zum Programm eines Toulon-Kletter-Urlaubs. Außerdem möchte man ja – zumindest wir – die Gegend erkunden und nicht jeden Tag in das gleiche Gebiet einlaufen …

Die meisten Klettergebiete befinden sich direkt über dem Stadtrand von Toulon und bieten einen eindrucksvollen Blick auf die 180 000-Einwohner-Stadt. Man erahnt den Trubel in der Ferne, die Marineschiffe im Hafen, bekommt aber von all dem nichts mit. Geklettert wird oft an sonnenbeschienen Felswänden, die sich vor allem für die Wintermonate eignen. Es gibt aber auch ein paar nordseitige Wände, wie am Mont Faron oder in der Destel-Schlucht, die sich für die wärmeren Monate im Frühjahr oder Herbst anbieten. An windigen Tagen klettert man besser an den Ostseiten oder in den Schluchten von Destel oder Lierres …

Einzelne Klettergebiete wie „Le Baou de Quatre Ouros, Mont Coudon oder Mont Faron“ sind so groß, dass man dort jeweils einen ganzen Urlaub verbringen könnte. Nach einem 14-tägigen Kletterurlaub verlassen einen langsam die Kräfte und man ist noch längst nicht durch, um den ein oder anderen Wunsch-Sektor zu besuchen. Ich kenne nur wenige Regionen an der Mittelmeerküste mit einer solchen Vielfalt an Klettergebieten auf engstem Raum. Es muß nicht immer Finale oder die Calanques sein, da gibt es noch etwas anderes dazwischen …

Toulon, wir kommen wieder … allein schon wegen der vielen Boulangerie‘s mit ihren sagenhaften Backwaren und Baguettes …

Schwierigkeitsgrade
Die Bewertung ist in den Klettergebieten bei Toulon eher hart einzustufen. Verglichen mit der Nordalpen-Skala kann meist ein halber Grad dazugerechnet werden.

Routenlängen
Die Wandhöhen betragen bis zu 100 Metern. Dort gibt es Baseclimbs bis hin zu Mehrseillängen-Touren in allen Variationen. Oft sind es 2 bis 3 Seillängen, über die wieder abgeseilt wird.

Absicherung
Die Routen sind überwiegend gut bis hervorragend eingerichtet. Die unteren Haken sind oft eng gebohrt, um einen Sturz auf den Boden zu vermeiden. Es handelt sich meist um geklebte Ringhaken. An den Ständen befinden sich in der Regel Ketten mit Ösen, wo das Seil beim Ablassen gefädelt werden muss. Mobile Sicherungsgeräte sind in den Routen selten bis nicht erforderlich.

Ausrüstung
In den meisten Routen ist ein 70-Meter-Sportkletterseil ausreichend. In manchen Linien ist ein 80-Meter-Seil vorteilhaft, dies vor allem bei den Mehrseillängen-Touren, über die wieder abgeseilt werden muss. Für die Mehrseillängen-Touren sind in der Regel Helm und Abseilausrüstung erforderlich.

Felsbeschaffenheit
Es handelt sich oft um leicht geneigte Kalkwände mit allerlei Strukturen wie Löcher, Schlitze und Henkel. Manche Sektoren sind plattenlastig, es gibt aber auch steilere Wände mit Überhängen. Gelegentlich trifft man auch auf versinterten Fels in den rötlich gefärbten Abschnitten.

Ausgangspunkte
Die Parkplätze sind in den Kletterführern mit GPS-Daten bzw. QR-Codes vermerkt. In manchen Gebieten ist der Platz für die Autos begrenzt.

Zustiege
Von den Parkplätzen führen Pfade in die verschiedenen Sektoren. Die Zustiegszeit beträgt durchschnittlich 15 bis 30 Minuten.

Orientierung
Die Zustiege sind selten beschildert, jedoch oft selbsterklärend. Einmal an der Wand angekommen, orientiert man sich an den angeschriebenen Routennamen und vergleicht mit dem Kletterführer.

Abstiege
Bei den Mehrseillängen-Touren wird in der Regel wieder abgeseilt. Es gibt aber auch längere Routen (zum Beispiel am „Baou de Quatre Ouros“), für die es markierte Abstiegswege gibt. Am Mont Coudon im Sektor „Grandes Voies“ kann nach oben hin zur Straße ausgestiegen werden.

Exposition
Es gibt Routen in allen Himmelsrichtungen. Der überwiegende Teil ist jedoch südseitig ausgerichtet.

Beste Jahreszeit
Oktober bis Mai. Im Sommer kann je nach Hitze auch an den nordseitigen Sektoren geklettert werden.

Übersicht der Klettergebiete bei Toulon

Die wichtigsten Klettergebiete bei Toulon

Le Baou de Quatre Ouros
Mit ca. 421 Routen ist dies das größte und meistbesuchte Klettergebiet mit klassischem Charakter bei Toulon. Auf zwei übereinander gelegenen Etagen gibt es zahlreiche Sektoren mit Sportkletterrouten, aber auch ein paar Mehrseillängen-Touren. Es handelt sich um ein breitgezogenes Massiv, das sogar ein Gipfelkreuz besitzt. Ganz links befindet sich der Sektor Brasil, der mit einigen Routen im 4. bis 5. Grad vor allem für Anfänger geeignet ist.

Im rechten Wandteil gibt es die 6-Seillängen-Linie „Les E.T.“, der vielleicht meistbegangene Mehrseillängen-Weg bei Toulon. Es handelt sich um eine gute Einsteiger-Tour. Trotz zahlreicher Begehungen und Speckspuren ist sie immer noch schön zu klettern. In Wandmitte zweigt nach rechts die tolle Verschneidungs-Variante „Genévier“ ab. Vom Ausstieg führt ein Schuttfeld zum Gipfelkreuz hinauf. Hier geht man nach rechts ausholend weiter, um auf den Abstiegsweg zu gelangen. Blaue Markierungen führen rechtshaltend zum Ausgangspunkt zurück. Somit kann auch ohne Rucksack geklettert werden.

Mont Faron
Zum Hausberg von Toulon führt eine Seilbahn hinauf. Der Blick auf die Stadt ist hier besonders eindrucksvoll. Eine Sackstraße führt zum Berg hinauf und auf der anderen Seite über viele Kilometer wieder hinab. Es gibt nord- und südseitig insgesamt ca. 423 Routen. Besonders beliebt ist der Sektor „Téléphérique“ auf der Südseite. Der Zustieg beträgt ca. 15 Minuten. Hier befinden sich ca. 77 Sportklettertouren. Trotz einiger Speckspuren an den plattenlastigen Routen ist es immer noch schön zu klettern. Es gibt auch viele Linien mit bis zu 2 Seillängen, die etwas steiler sind. Insgesamt tolle sonnige Lage, beliebt und sehr empfehlenswert.

Mont Coudon
Der breitgezogene Berg bricht nach Süden hin mit Felswänden ab. In verschiedenen Sektoren gibt es insgesamt ca. 283 Routen. Das Angebot reicht von Sportkletter- bis hin zu Mehrseillängen-Touren. Im linken Wandbereich befindet sich der Sektor „Grandes Vioes“. Hier gibt es viele Linien mit bis zu 4 Seillängen. Der Fels ist hier gut strukturiert, teils messerscharf und die Schwierigkeiten im Bereich 4 bis 6. Insofern ist dies ein geeigneter Sektor für Mehrseillängen-Fans. Das Gebiet ist sehr sonnig gelegen und bietet ein tolles Ambiente mit Blick auf Toulon. Eine Pass-Straße führt zum Mont Coudon hinauf. Man parkt weit oben bei einer Kehre und steigt wenige Meter zu einer Betonplattform ab. Hier führt leichte Kraxelei mit Fixseilen nach links zu den ersten Sportkletter-Sektoren hinab. Generell gilt: je weiter man absteigt oder quert, desto weniger sind die Routen abgespeckt. Ein langer Pfad führt nach rechts zu den „Grandes Voies“ hinab. Nach einer Mehrseillängen-Tour kann hier nach oben hin wieder zur Straße ausgestiegen werden.

Cimaï
Altes, fast schon berühmtes Klettergebiet mit ca. 290, überwiegend schweren Touren. Der Fels ist sehr kompakt und überwiegend geschlossen. Zahlreiche Begehungen hinterließen einiges an Speck, die Routen sind aber immer noch gut zu begehen. In manchen Sektoren finden sich am Wandfuß auch einige leichtere Linien im Bereich 4 bis 6. Sehr zu empfehlen ist der Weg durch eine vertikale Höhle mit insgesamt 5 kurzen Seillängen.

Destel
In der malerischen Schlucht nördlich von Toulon befinden sich ca. 266 Routen. Es handelt sich um ein Sommergebiet, das es einige schattige Wände bietet. Im Frühjahr und Herbst kann an den südseitigen Felsen geklettert werden. Im Winter ist es in der Schlucht sehr kalt. Es gibt Sportkletter-Routen aber auch Mehrseillängen-Touren. Der Zustieg erfolgt über ein Bachbett, das im Frühjahr evtl. Wasser führen kann. Wir kletterten die 6-Seillängen-Tour „Derniere Cartouche“ mit den Schwierigkeitsgraden 6a/5b/6a+/4c/5c+/5c (die letzten beiden Seillängen sind eine Ausstiegsvariante der Route „Prédator“). Die Tour ist meist sehr steil und bietet rauen Fels. Trotz gelegentlichem Bewuchs ist der Weg sehr empfehlenswert. Siehe www.brixendorf.de Vom Ausstieg kann über Pfade nach Evenos aufgestiegen werden. Das mittelalterliche Dorf bietet ein sehr schönes Ambiente. Sonst Abstieg nach rechts zurück in die Schlucht.

Jaume
Der breitgezogene Felsriegel ist im Hinterland von Toulon landschaftlich schön und ruhig gelegen. Insgesamt gibt es ca. 103 Routen. Der Fels besteht teilweise aus Sandstein und unterscheidet sich deutlich von den anderen Gebieten bei Toulon. Es handelt sich oft um Verschneidungs-Kletterei. Die Routen sind sehr schön und überwiegend lang. Insgesamt sehr zu empfehlen, auch weil weniger frequentiert als die Klettergebiete bei Toulon.

Citerne
Wegen dem kurzen Zustieg von ca. 10 Minuten und der Nähe zu Toulon ist der breitgezogene Felsriegel beliebt und stark frequentiert. Es gibt ca. 75 Routen in allen Schwierigkeitsgraden. Im rechten Wandbereich sind die Touren eher leicht und deshalb ziemlich abgespeckt. Dieser Sektor ist anfängertauglich, es gibt einige Linien im 3. bis 4. Schwierigkeitsgrad. Weiter links sind die Routen etwas schwerer, sehr lang und recht schön. Die Felsen sind westseitig ausgerichtet und liegen ab Mittag in der Sonne. Man fährt ein kurzes Stück die Pass-Straße zum Mont Faron hinauf und parkt bei einem eingezäunten Gelände. Von hier dem Zaun entlang, danach linkshaltend zu den Felsen.

Ragas
Unweit von Revest-les-Eaux befinden sich über einem kleinen Stausee mehrere Felsmassive. In den verschiedenen Sektoren gibt es ca. 100 Routen mit mäßigen bis moderaten Schwierigkeitsgraden. Das Gebiet ist auch für Anfänger geeignet, da an den flacheren Wänden einige leichtere Touren zu finden sind. Der Fels ist oft henkelig, löchrig und gut strukturiert. Trotz des kurzen Zustiegs samt Beliebtheit ist die Kletterei noch überraschend rau. Die Sektoren befinden sich südseitig in einem Kessel, der windgeschützt ist. Nach dem Klettern kann der See umrundet werden, um wieder zurück in’s Dorf zu gelangen. Die kleinen Ortschaft Revest-les-Eaux bietet ein schönes Ambiente, das nach dem Klettern besichtigt werden kann.

Lierres
Es handelt sich um ein kleines Gebiet mit ca. 67 Routen direkt am nördlichen Stadrand von Toulon. Zustiegszeit ca. 10 Minuten. Die Felsen liegen sonnig in einem Canyon und sind in der Regel windgeschützt. Neben den schweren Touren gibt es auch einige leichte Linien im 3. bis 5. Schwierigkeitsgrad. Gleich am ersten Sektor befindet sich ein Pfeiler mit einer 3-Seillängen-Tour im 5. bis 6. Grad. Das Klettergebiet kann auch gut mit einem Besuch in Toulon verbunden werden.

Touravelle
Das Klettergebiet ist etwas entlegen und bietet in verschiedenen Sektoren ca. 75 Routen. Neben den schweren Routen sind auch einige leichte im Bereich 4 bis 6 vorhanden. In den entlegenen Sektoren ist der Fels teilweise noch messerscharf. Insgesamt weniger frequentiert als die Modegebiete bei Toulon. Laut Kletterführer soll man unten bei einem Supermarkt parken. Es führt jedoch eine Teerstraße zu einem geräumigen Parkplatz hinauf. Von hier sind es dann noch ca. 30 Minuten zum ersten Sektor.

Übernachtung
Es gibt zahlreiche Ferienwohungen bei Toulon. Es ist strategisch günstig, sich am nördlichen Stadtrand einzuquartieren. Von hier aus können die Klettergebiete schnell erreicht werden und es muss nicht durch die ganze Stadt gefahren werden. Es empfiehlt sich etwa in der Gegend zwischen Toulon und Revest-les-Eaux zu wohnen. Wir waren dort in einer 3-Zimmer-Wohnung für 5 Personen mit Heizung und warmen Wasser. Die Unterkunft ist preisgünstig und sehr zu empfehlen. Kosten für 2 Wochen ca. 1500 Euro. Siehe www.booking.com

Topos
Kletterführer Toulon www.kletterfuehrer.net
Kletterführer Côte d’Azur www.kletterfuehrer.net

Webinfo
www.outdooractive.com
www.brixendorf.de
www.lapascalinette.de
www.lapascalinette.de

Bildgallerie

Wie hat dir die Tour bzw. das Klettergebiet gefallen?

Klicke für eine Bewertung!

Durchschnittliche Bewertung. 4.5 / 5. Anzahl der Bewertungen. 2

Es gibt bisher keine Bewertung! Sei der erste, der sie bewertet.

3 Gedanken zu „Klettern bei Toulon“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.