Die Zwerchwand zwischen Gimpel und Schäfer wurde lange Zeit von den Erstbegehern nicht beachtet. Da gibt es keinen nennenswerten Gipfel zu erklimmen, keine offensichtlichen Linien zu bezwingen, stattdessen oft splittrige Felszonen mit Schrofen und Gras, wo die Gemsen beim Bouldern unterwegs sind. Felsstrukturen wie Risse und Verschneidungen sind für den Einsatz von Schlaghaken bzw. mobilen Sicherungsmitteln eher Mangelware. Da tut man sich im Zeitalter der Bohrmaschine schon leichter.
Je öfter und länger ich die breitgezogene Wand aus der Ferne studierte, desto mehr entstanden in meiner Phantasie sehr wohl logische Linien: Es müssten nur einzelne Felspfeiler bzw. kompakte Wandpartien übereinander gereiht und zu einer Route zusammengebastelt werden; grasbewachsene Bänder könnten dabei als Standplätze dienen.
Gedacht, getan. So richtete ich an der Zwerchwand im Laufe der Jahre an die zehn Kletterrouten nach dem Patchwork-Prinzip ein. Und kaum zu glauben, dort tummeln sich mittlerweile mehr Kletterer als an in den Klassischen Wänden von Gimpel, Rote Flüh und Hochwiesler. In den leichteren Touren steht man an einem schönen Samstagmorgen schon mal im Stau. Dies liegt vor allem an der Überschaubarkeit und perfekten Absicherung: die Haken stecken immer an der richtigen Stelle, dazwischen ist Klettern angesagt. A-Null gibt’s nur, wenn sich eine Stelle deutlich schwerer von den Gesamtschwierigkeiten abhebt. Auf gut eingerichteten Abseilpisten gelangt man schließlich sicher zurück zum Einstieg.
Da fällt es schwer eine Auswahl zu treffen … die „Miss Nesselwängle“ gehört vielleicht zu den schönsten Kletterrouten an der Zwerchwand. Gleich am Anfang geht es richtig zur Sache: Kaltstart, ein Überhang im 7. Schwierigkeitsgrad bringt einen schnell auf die richtige Temperatur. Die nächsten Seillängen im 6er-Bereich sind dafür richtig gemütlich und schön, Aufschwünge, Quergänge, Verschneidungen und löchrige Wandkletterei vom Feinsten. An der Schlüsselstelle (8-) gilt es, eine plattige Wandstelle zu überwinden (mit Hakenhilfe 6+). Zur Krönung bietet die Headwall eine der besten Plattenlängen in den Tannheimern.
Schwierigkeit
Überwiegend im 6. Grad, erste Seillänge 7, Schlüsselstelle 8- bzw. 6+ A0
Material
12 Exen, Doppelseil, Abseilausrüstung, Helm
Zustieg
Vom Gimpelhaus bzw. Tannheimer Hütte auf dem Wanderweg Richtung Gimpel/Rote Flüh. Auf der Kuppe im Bereich des großen Gedenkkreuzes, rechts ab und über Schrofen geradeaus hinauf zum Einstieg bei einem Überhang.
Abstieg
Vom Gipfelgrat ca. 50 m nach links über eine Wiese in eine Senke absteigen. Die erste Abseilstelle befindet sich wenige Meter südlich darunter.
Topos
Klettern in den Tannheimer Bergen, Sofa-Verlag
Kletterführer Allgäu/Ammergauer incl. Tannheimer Tal, Panico Verlag
Talort
Nesselwängle im Tannheimer Tal/Tirol. Großer Parkplatz am westlichen Ortsrand
Übernachtung
Gimpelhaus bzw. Tannheimer Hütte. In einer guten Stunde von Nesselwängle erreichbar