„Den nehm ich mit nach Hause“ schwärmte Marion nach der zweiten Seillänge am Gagenhaupt. Sie meinte damit den speziell strukturierten Granit mit seinen filigranen Kanten und Schuppen, der technische Kletterei mit viel Aufmerksamkeit erfordert. Für Martin, der sonst in den Bergen wie eine Gams rumrennt, fühlte sich 5b wie 6a an und wurde des öfteren auf die Probe gestellt. Was mich betrifft, sind die Routen am Gagenhaupt das fotogenste Klettergebiet der Alpen.
Schon vor Jahren bin ich mehrmals mit den Skiern über den Gornergletscher durch die enge Gornerschlucht abgefahren und wusste, dass es laut „Schweiz Plaisir“ dort oben etwas zu klettern gibt. Es hat sich nie ergeben, aber diesesmal wollten wir nach dem anstrengenden Zinalrothorngrat wieder die Seele baumeln lassen und landeten einen Volltreffer. Mit der Gornergratbahn fuhren wir bis zur Station Riffelberg hinauf und wanderten hinüber zum Gagenhaupt. Der allgegenwärtige Blick zum schönsten Berg der Alpen macht wahrlich süchtig und bei der nächsten Linkskurve wird die Sicht auf die gegenüberliegende vergletscherte Breithorn-Nordwand frei. Ziele ohne Ende, Klettern und Hochtouren liegen hier nah beeinander.
Der Gagenhaupt ist lediglich eine unscheinbare Graterhebung, die nach Süden hin steil zur Gornerschlucht abfällt. Die Einstiege der bis zu 160 Meter hohen Gletscherschliffplatten werden über ein Fixseil und einer Abseillänge erreicht. Ein grasiges Band leitet anschließend zu den verschiedenen Einstiegen der ca. 10 Routen bis zu jeweils 5 Seillängen. Je nach Anspruch kann hier bis zum Schwierigkeitsgrad 6a+ geklettert werden. Die gold-silberne Granitoberfläche ist gewöhungsbedürftig, Gletscherschliff mit feinen Strukturen, was die Kletterei trotz guter Bohrhakenabsicherung spannend macht.
In diesem Klettergebiet überwiegt jedoch das Ambiente: unten der rauschende Gletscherbach durch die Gornerschlucht, auf der anderen Talseite rießige Geröllfelder und zerrissene Seracs am Breithorn, daneben die weiten Schneehänge der 4000er Castor und Pollux. Schließlich das Matterhorn: surreal, schwer zu beschreiben, man muss es erlebt haben …
Oberhalb des Gagenhaupts befindet sich ein weiteres lohnendes Klettergebiet, das Riffelhorn. Hierfür fährt man mit der Gornergratbahn eine Station weiter nach Rotenboden, mit ähnlich kurzem Zustieg
Schwierigkeit
10 Routen bis zu 5 Seillängen im Schwierigkeitsgrad 4a+ bis 6a+. Aufgrund der ungewohnten Felsstruktur fällt die Bewertung etwas härter aus.
Absicherung
Sämtliche Routen sind mit Bohrhaken gut abgesichert. Keile und Friends erübrigen sich bzw. sind kaum einsetzbar.
Material
Es genügt ein Einfachseil, dazu 12 Exen
Talort
Zermatt in den Walliser Alpen. Zermatt ist autofrei, die Parkplätze befinden sich in Täsch, ca. 6 km vor Zermatt. Von Täsch verkehren regelmäßig Züge nach Zermatt.
Zustieg
Von Zermatt mit der Gornergratbahn bis zur Station Riffelberg. Es empfiehlt sich für den Rückweg ins Tal (breite Schotterwege) das Bike mit in die Bahn zu nehmen. Von der Station Riffelberg über einen Wanderweg nach rechts zu einer Kapelle. Anschließend linkshaltend, nach ca. 20 Minuten gelangt man zu verstreuten Weggabelungen mit Holzpflöcken. Unterhalb davon befindet sich ein Klettergarten. Am 3. Holzpflock verlässt man den Weg nach rechts in eine Senke, schließlich wieder nach links leicht ansteigend zu verschiedenen Blöcken mit der Aufschrift „Climbing“ bzw. einem Gesicht. Hier weiter nach links querend bis zum Beginn einer roten Fixseilkette, die bei einer Abseilstelle endet. Über ein grasdurchsetztes Band gelangt man nach links zu den nahegelegenen Einstiegen. Von der Gornergratbahn ca. 45 Minuten.
Abstieg
Von der verschiedenen Ausstiegen gelangt man jenseits des Gagenhauptkammes in wenigen Minuten zurück zu den Wanderwegen.
Übernachtung
Neben den vielen Hotels, Pensionen und Ferienwohungen empfiehlt sich die Übernachtung auf dem Campingplatz „Attermänze“, 1 km vor Täsch (ca. 30 Franken für 2 Personen mit Wohnmobil bzw. Zelt). Von hier aus verkehrt regelmäßig ein Shuttle-Bus nach Zermatt und zurück (7 Franken, billiger als die Bahn von Täsch aus)
Topos
Schweiz Plaisir West, Filidor Verlag
Keine Angst, das nimmt nicht überhand. Es gibt in den Alpen so viel zum Klettern. Die meisten hängen in den Klettergärten rum …
Solche Bilder ins Internet zu stellen musste verboten sein…