Timo Lang

Ein Allgäuer Nachwuchs-Talent erzählt …

Timo, wie bist du eigentlich zum Klettern gekommen, wann und mit wem hast du damit angefangen?

Eigentlich klettere seit ich denken kann. Ich bin über meine Eltern zum Klettern gekommen. Zuerst waren wir nur in der Halle. Dann fast nur am Fels, allerdings nur ca. 6 – 8 mal pro Jahr. Dementsprechend sind wir auch nur 5er und 6er geklettert …

Logisch, heutzutage fängt man meist in der Halle an …

So richtig motiviert diesen Sport regelmäßig auszuüben, hat mich das Bouldern in der Halle am Königsplatz. Da waren immer coole Leute und gute Musik. Es hat einfach Spaß gemacht, sich hier zusammen Boulder auszudenken. Da war ich über die Wintersaison dann zwei- bis dreimal die Woche.

Was waren deine ersten Unternehmungen am Fels? Wo seid ihr damals hingegangen?

Anfangs oft an den Grauen Stein, irgendwann oft zum Weihar am Oberjoch. Das war natürlich Sportklettern.

Was ich so mitbekommen habe, hast du dich beim Klettern ziemlich schnell gesteigert. Du hast sicher ein großes Talent, aber hast du dazu auch viel trainiert?

Das ist richtig. Als ich angefangen habe regelmäßig zu klettern und zu bouldern, habe ich schnell Fortschritte gemacht. Ich bin ein Mensch der keine halben Sachen macht. Ich kann einfach nicht nur Halbgas geben. Das hat seine guten und schlechten Seiten …

Bei mir war es so, dass ich einfach viel regelmäßig Leadklettern gehen musste, um vom 6. auf den 7. Grad zu kommen. Hauptproblem war hier nicht die Kraft, sondern die Ausdauer. Selbstverständlich wäre es auch mit einer guten Technik gegangen …

Vom Schwierigkeitsgrad 7 auf 8 stand dann die Technik im Fokus. Auf was ich genau achten musste, wurde mir bei den Trainerausbildungen gezeigt. Das habe ich selbständig beim Leadklettern umgesetzt. Ich bin mir sicher, dass Technikübungen an der Boulderwand zeitlich effizienter gewesen wären.

Für den 9. Grad habe ich dann lange gebraucht. Das lag mit Sicherheit auch am nicht zielgerechten Training. Ich war einfach 4 – 5 mal in der Woche in der Halle und habe nicht projektiert, sondern nur 3er Sätze gespult.

Ja ich habe ziemlich viel trainiert und tue es immer noch. Vor 5 Jahren waren meine Gedanken: „Wenn du mal einen 9er erreicht hast, ist das schon gut. Was willst du mehr?“

Letzten Sommer habe ich dann am Fels 8a geknackt und im Moment trainiere ich auf 8b und 7c flash. Das Ende ist noch lange nicht erreicht …

Ich nehme an, dass du auch schon an Wettkämpfen teilgenommen hast. Wenn ja, wie weit bist du da gekommen?

Tatsächlich habe ich selber nie an Wettkämpfen teilgenommen. Das mögen viel annehmen, weil ich die Allgäuer Nachwuchs-Leistungssportler trainiere, allerdings bin ich da eher Quereinsteiger.

Wir trafen uns neulich zufällig in der Dietmannsrieder Halle, da hast du ein paar Youngsters ziemlich gepusht. Mittlerweile trainierst du die Allgäuer Wettkampkletterer. In welcher Liga seid ihr da unterwegs und welche Erfolge konntet ihr bereits verbuchen?

Hauptsächlich auf den Bayerischen Meisterschaften und regelmäßig auch auf den Deutschen Meisterschaften. Mein Ziel ist es, die Athleten bis unter die Top 10 von Deutschland zu pushen. Dann übernehmen sowieso die Landestrainer. Aus diesen Platzierungen haben die Kids dann erst die Chance mal auf einem Europacup zu starten. Das fällt aber nicht mehr in meine Verantwortung.

Ich verfolge natürlich die Erfolge der ehemaligen Athleten meiner Trainingsgruppe ganz genau. Aktuell sind wieder zwei Athleten in den Nationalkader gekommen und starten auch international. Die zwei hat aber zum Großteil der Dani, ein sehr guter Freund und 7 Jahre lang Trainerkollege, gepusht.

Neulich war ich in Siurana im Kletter-Urlaub. Es war wirklich beeindruckend, wieviele gute Kletterer wir dort gesehen haben. Der 10. Grad war bei vielen ganz normal. Kannst du mir mal erklären, wie man soweit kommen kann?

Das ist ganz einfach. Die Motivation ist dabei entscheidend. Ich denke es gibt generell kein: „Ich kann nicht“, das heißt in die Wahrheit übersetzt: „Ich will nicht.“ Manchen mag es natürlich leichter fallen, anderen schwerer, aber jeder kann mit entsprechendem Aufwand den 10. Grad erreichen. Das kostet allerdings viel Zeit und Schweiß …

Ich habe den Eindruck, dass sich ein Großteil der Menschen, nicht in dem notwendigen Maß anstrengen will. Zudem ist oft die Zeit der zweite limitierende Faktor. Daraus resultierend, ist der Einstieg ins schwere Klettern in jungen Jahren nach dem Abitur und während dem Studium am einfachsten. Da kommen die Faktoren “jung, motiviert und viel Zeit” zusammen.

Trotzdem kann man auch später noch sehr stark werden. Es ist alles eine Frage der Motivation.

Eine baskische Seilschaft klärte uns abends in der Kneipe auf: Bouldern und Projektieren bringt einen weiter. Kannst du dem zustimmen?

Definitiv. Um besser zu werden muss der Körper neue, andere Bewegungen lernen, sehr spezifisch Muskelkraft aufbauen. Das funktioniert nicht ohne die Komfortzone zu verlassen, dafür muss man projektieren. Auch bringt es wenig, nur wenig über dem persönlichen Flashgrad zu projektieren. Aus meiner Erfahrung bringt es am meisten, wenn man sich beim ersten Auschecken der projektierten Route bei jedem Bohrhaken oder Zwischensicherung reinsetzten muss und bei maximal zwei Stellen noch gar keine Lösung gefunden hat.

Bouldern gehe ich hauptsächlich, um sehr einfach besonders viele Klettermeter mit schweren Zügen zu sammeln. Das ist beim Bouldern sehr viel effizienter als beim Lead. Hier ist auch wieder der Faktor Zeit relevant. Das Training muss so effizient wie möglich sein.

Ein berühmter Kletterer meinte einmal: “Bouldern ist die Seele des Kletterns“ … Ist da aus deiner Sicht etwas dran?

Eine schwierige Frage. Aus meiner Sichtweise ist die Ursprungsform des Kletterns der Alpinismus. Klettern ist ja ursprünglich eine Übung gewesen, um sich besser auf Alpine Schwierigkeiten vorzubereiten. Beim Bouldern wurden die Schwierigkeiten des Sportkletterns skaliert. Somit ist ein Boulderzug im Prinzip das kleinste Segment einer jeden Kletterroute. Somit kann man Bouldern durchaus als „Seele des Kletterns“ bezeichnen. Ist der Alpinismus dann der Geist des Kletterns?

Beweglichkeit spielt beim Klettern sicher auch eine große Rolle. Soviel ich weiß, führen deine Eltern eine Yoga-Schule. Machst du da auch ab und zu mit?

Ja, natürlich …

Ab und zu trifft man dich auch in den Klettergärten an. Was sind deine Allgäuer- oder andere Lieblingsgebiete und welche anspruchvolleren Routen konntest du bereits punkten?

Im Allgäu mag ich am liebsten den Rottachberg, die Starzlachklamm, den Ifen und das Neue Tiefenbach. Sonst bin ich gern in Arco, aber nicht zu Sportklettern, und Cadarese hat mich letztes Jahr auch überzeugt. So richtig viel war ich sonst noch nicht unterwegs. Einerseits, weil mein Fokus im Moment auf dem Alpinismus liegt und andererseits, weil ich mir gedacht hab: Wenn ich in so bekannte französische und spanische Gebiete fahr, will ich auch was Schweres klettern. Dafür fühle ich mich aber noch nicht stark genug.

Wie sieht es bei dir mit Alpinen Klettertouren aus? Wie wichtig ist das neben dem Hallen- und Sportklettern für dich?

Sehr wichtig, im Moment ist das Sportklettern auch nur eine Trainingsform um schwerer Alpinklettern zu können. Ich bin im Moment tatsächlich ziemlich bigwall-motiviert.

Welche deiner Alpinen Unternehmungen sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Die ersten Mehrseillängen-Routen in den Tannheimern. Die gut gesicherten Linien machen den Einstieg relativ leicht. Dann war da mal eine Erstbegehung in den Ammergauern, das war für mich das erstemal im Vorstieg bohren. Ich konnte nur alle 6 Meter einen Haken setzen, weil ich mich sonst nirgens g’scheit festhalten konnte. Das war sehr anstengend. Als mein Kletterpartner an den Stand kam meinte er, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe … Ich schätze die Länge auf 8- ein.

Zum Bohren im Vorstieg hatte ich bis dahin nur die Worte von Siebe Vanhee im Kopf: „You climb until you shit your Pants. Than you place a Bolt. Than you change underware. Repeat.“ Das hab ich dann so gemacht. Hat wunderbar funktioniert …

Und letzten Sommer war ich drei Wochen in Charmonix. Für mich das erste Mal. Im Prinzip war die erste Tour in Chamonix der Walker-Pfeiler. Ist mir auch sehr positiv in Erinnerung geblieben. Ein fantastisches Erlebnis …

Einige der „jungen wilden“ Kletterer bevorzugen heutzutage Routen, die überwiegend mit Friends abgesichert werden müssen. Bohrhaken werden nur geduldet, wenn nichts anderes mehr geht. Wie siehst du das?

Kommt sehr stark auf das Gebiet an. Ich mag Tradklettern auch sehr gerne. Dennoch würde ich zum Beispiel in den Tannheimern nie eine Tradroute erschließen, das passt nicht in das Konzept der Tannheimer. Genausowenig würde ich in einem Tradgebiet eine Bohrhakenlinie erschließen. Insgesamt muss es sicher sein und zum Gebiet passen. Das coole an Arco ist, dass es hier nebeneinander funktioniert, und auch in den Westalpen gibt es einige Bohrhakenlinien neben der Tradkletterei.

Meiner Meinung nach ist es dem Erschließer überlassen, wie er sichert. Ich für meinen Teil würde mich an den vorhandenen Linien orientieren. Auch weil ich lieber Klettern geh, als mit irgend jemandem rumdiskutieren zu müssen.

Oder anders formuliert: Würdest du dich eher als Alpinist oder Alpinen Sportkletterer bezeichnen?

Scheißegal Hauptsache vertikal!

Ich persönlich, bleibe wohl der ewige Plaisir-Kletterer und bevorzuge Gebiete mit engen Bohrhakenabständen. Was hältst du von dieser Entwicklung des Klettersports, wie es beispielsweise in Arco, im Maggiatal oder Inntal der Fall ist?

Durchaus berechtigt. Beim Mehrseillängenklettern ist eine neue Interessensgruppe entstanden. Die, die einfach nur langen Klettereien genießen wollen. Solange es auch für Alpinisten genug Übungsgelände gibt, wovon auszugehen ist, freut mich diese Entwicklung, dass es den Einstieg erleichtert und es dadurch stärkeren Nachwuchs gibt.

Mit dem Andi Baur hast du vor ein paar Jahren in der Säuling-Westwand eine neue Klettertour erstbegangen. Kannst du die Route näher beschreiben bzw. was ist dir dabei in Erinnerung geblieben?

Eine schöne Linie, lohnend ist die 3te und 5te Seillänge. Einmal eine löchrige Platte mit komplexen Bewegungen und ein steiler ausgesetzter Überhang.

Was ich so mitbekomme, bist du auch im Winterbergsteigen ziemlich fit. Da bist du sicher oft in Drytooling-, Mixed- oder Eistouren unterwegs?

Ja, aber könnt mehr sein, bisher hat mir die Zeit dazu gefehlt. Gerade in Corona habe ich die Kletterhalle mit Drytoolen in der Starzlachklamm ersetzt. Das hat es mir ermöglicht, beim Mixedklettern die Einsteigerrouten wegzulassen und gleich mit ein bisschen Anspruchsvollerem anzufangen.

Zum Eisklettern bin ich diese Saison auch wenig gekommen. Hier ist aber auch die Technik ein wichtiger Faktor, sodass gar nicht so viele Touren notwendig sind um das Niveau zu halten. Steigern, ist mein Ziel für nächstes Jahr.

Soviel ich weiß, fährst du im Winter manchmal vor der Arbeit zur Rubihorn-Nordwand und rennst da schnell mal solo durch. Für mich ist dies eine komplette Tagestour. Wie schaffst du das eigentlich in so kurzer Zeit?

Naja, ich jogge bis zum Einstieg. Ab hier ist dann volle Konzentration gefordert. Und der Abstieg erfolgt soweit möglich auf dem Hosenboden. Zudem ist leichte und wenig Ausrüstung hilfreich. Mein Trailrunning-Rucksack beinhaltet meist nur einen leichten Hochtourenpickel, sehr leichte Steigeisen, eine Jacke und eine Rettungsdecke, und ein ordentlicher Beat auf den Ohren. Wenn man dann auf den Gipfel kotzt, hat man seine persönliche Grenze erreicht …

Außer der Rubihorn-Nordwand: was hast du im Winter sonst noch Nennenswertes gemacht?

Ein paar andere Routen in der Rubihorn Nordwand, zu mehr war noch keine Zeit.

Oder im Sommer Eiswände?

Bisher waren in den Monaten in denen in den Eiswänden gute Bedingungen waren immer Prüfungsphase. Deswegen leider nein. Auch der Vorschlag, die Vorlesungen mal an die Zeitfenster beim Bergsteigen anzupassen, kam bei den Professoren nicht so gut an …

Wir schöpfen unsere Träume oft aus den Geschichten bekannter Bergsteiger, wie Reinhard Karl, David Lama und wie sie alle heißen. Haben dich diese Legenden auch schon inspiriert? Ich meine, dass du vielleicht mal Patagonien oder das Yosemite-Valley besuchen möchtest …

Definitiv.

Würdest du auch mal wirklich hohe Berge besteigen wollen? Im Eis und Schnee unterwegs zu sein, scheint dir ja zu liegen. Ich denke dabei an’s Karakorum oder den Himalaya …

Im Prinzip ja, aber meine Prioritäten liegen im Moment sehr auf dem Klettern. Mich reizen einsame, technisch anspruchsvolle Anstiege mehr als überfüllte Basislager und Höhentourismus. Deswegen denke ich nicht, dass ich an die wirklich hohen Berge will. Es wäre natürlich ein Traum, eine Erstbegehung an einer hohen Südwand im Karakorum zu machen …

Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, Bergführer zu werden? Soviel ich weiß, bist du ja auch beruflich erfolgreich. Könntest du dir vorstellen deinen Job gegen die Berge einzutauschen?

Ja, ich werde diesen Sommer hoffentlich die Eignung bestehen. Mein Job lässt sich, dank des Arbeitgebers auch gut mit Führen kombinieren. Ganz eintauschen, kann ich mir aber nicht vorstellen.

Welche Wunsch-Touren würdest du noch gerne unternehmen?

Da gibt es so viele, es wird sich zeigen was sich realisieren lässt. Der Wunsch ist, alles zu klettern was es gibt. Das ist natürlich nicht realistisch, deswegen gibt es ein paar klassische ToDo´s und der Rest ergibt sich. Dazugehören zu Beispiel: Matterhorn-Nordwand, Eiger-Nordwand, Grand Jorasses-Colton McIntyre, Peuterey-Integral, Hasse-Brandler und noch weiter Klassiker, die mir grad gar nicht alle einfallen …

Timo, danke für’s Gespräch und weiterhin viel Spaß und Erfolg bei deinen Unternehmungen!

Gerne doch!