Rainer Treppte

Der Allgäuer Extremkletterer erzählt aus seinem Leben

Rainer, du stammst aus der Sächsischen Schweiz. Es liegt nahe, dass du deine ersten Klettertouren im Elbsandstein-Gebirge unternommen hast. Wie bist du denn damals zum Klettern gekommen?

Das war mein damaliger Klassenlehrer in der 5. Klasse. Ich bin ihm so dankbar dafür, dass er uns 3 Jungs mitgenommen hat. Die Eltern mussten schriftlich zustimmen, und los ging‘s.

Dein Aufstieg scheint „sehr steil“ gewesen zu sein. Bereits Anfang der 80er Jahre warst du Mitglied der Nationalmannschaft „Alpinistik“. Wie hast du diese Zeit erlebt und welche Berge habt ihr damals bestiegen?

Man konnte sich bewerben, ähnlich der heutigen Auswahl für den Exped-Kader des DAV. Es ging in die Hohe Tatra (Slowakei) und den Kaukasus (Russland). Die ersten Erfahrungen über 4000 m waren unter anderem der Zündfunke, wo wir schon bei deiner nächsten Frage sind.

1985 bist du bereits vor der Wende in den Westen umgezogen. Ich nehme an, die hohen Berge und namhaften Wände haben dich vor allem dazu bewogen?

Ja die Alpen haben uns gelockt, aber die größten Schlüssel-Erlebnisse waren eigentlich die Treffen mit Kurt Albert und Wolfgang Güllich und vielen Freunden aus der Fränkischen Schweiz. Die Bilder und Erählungen vom Klettern im Yosemite gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Das Buch „Yosemite“ von Rainhard Karl war zu unserer Bibel geworden.

Warum hast du dir ausgerechnet das Allgäu als neue Heimat ausgesucht?

Das war einfach, da meine Verwandtschaft in Kempten wohnt. Meine Großmutter kommt aus Ulm-Söflingen und ist vor dem Krieg mit Opa nach Dresden gegangen.

Es haben sich bestimmt einige Träume jenseits der „Mauer“ in dir angesammelt. Was waren deine ersten Alpinen Ziele, die du fortan verwirklichen konntest?

Die ersten Jahre im Allgäu waren nicht leicht, ich hatte Familie, 3 Kinder und konnte logischerweise nicht alle Träume verwirklichen. Eckbert Lehnert lernte ich als ersten Kletterer hier im Allgäu kennen und ich konnte mit „Ecke“ viele schöne Sachen klettern. Als ich dann die Pepperfreaks kennenlernte, wurde mein Kreis der Kletterer größer. Ich zog mit der Familie nach Immenstadt wo ich meine Heimat gefunden habe.

Wie allgemein bekannt, gibt es im Elbsandstein-Gebirge bei Erstbegehungen strenge Regeln, zwischen den Ringen ist Klettern angesagt. Wie hast du die Absicherung in den Alpen erstmals erlebt? Ich meine, da gibt es ja Routen, wo fast jeden Meter ein Haken steckt …

Es gibt aber genauso Routen wo die alten Haken dermaßen in die Jahre gekommen sind, dass ich mich wundere, dass da nicht mehr passiert. Vor allem bei den leichteren Routen habe ich schon furchtbare Sachen gesehen. Es gibt aber natürlich heutzutage viel bessere Möglichkeiten der Absicherung mit Keilen und Friends.

Aus deiner reichhaltigen Tourenliste in http://www.alpinwiki.at/portal/navigation/erst-besteiger/erstbesteigerdetail.php?erstbesteiger=15262 fällt es mir schwer ein paar Stationen auszuwählen. Irgendwie waren das oft anspruchsvolle Unternehmungen. Beispielsweise gelang dir 1998 zusammen mit Michael Schafroth und Gunter Gäbel die erste Wiederholung der 1400 m langen Extremroute „Royal Flush“ am Fitz Roy. Hat euch der Sturm in Patagonien damals auch so gebeutelt und wie sind deine Erinnerungen an die Tour?

Als ich 1996 den Vortrag von Bernd und Kurt über „Royal Flush“ gesehen habe, wurde mir bewusst, dort muss ich hin. Es hat dann noch ein paar Jahre gedauert, aber 1998 war es dann endlich soweit. Es war noch die alte Zeit in Patagonien, worüber ich sehr dankbar bin, dass ich das erleben durfte. Man zeltete am Rio Blanco im sturmgebeutelten Wäldchen. Der Zeltplatz war lediglich mit einem Schild „Only for Climbers“ gekennzeichnet. Oben unter der Ostwand am Passo Superior buddelten wir uns eine Schneehöhle, in der wir tagelang auf das gute Wetter warteten. Dass es uns gelang „Royal Flush“ zu klettern, verdankten wir natürlich auch den wertvollen Tipps von Bernd und Kurt. Sie waren auch wieder vor Ort und eröffneten Neuland. Der Trick bei der Sache war damals, am Start zu sein, wenn das Wetter schön ist, denn nach 2, max. 3 Tagen ist das Fenster wieder zu. Also oben in der Nähe der Wand geschützt, in der Schneehöhle am Passo Superior. Wetterbericht-Telefon gab es damals noch nicht. Letztendlich hatten wir Glück eine ungewöhnlich lange Schönwetterperiode anzutreffen, in der wir auch noch die erst wenige Tage vorher von Bernd und Kurt erstbegangene Route „El Condorito“ klettern konnten.

Eine deiner großen Unternehmung war auch der „Fisch“ an der Marmolada-Südwand. Was macht diesen Weg eigentlich so anspruchsvoll bzw. berühmt?

Den Fisch habe ich zweimal auf unterschiedliche Weise geklettert. Mit Michl und Jürgen Schafroth konnten wir die Schlüssellängen nicht frei klettern. Mit Floh Behnke gelang uns dann die Rotpunktbegehung. Die Schwierigkeit besteht dabei, dass der Fels schwierig zu lesen ist, und man kann unwahrscheinlich weit stürzen. Das zusammen macht es sehr anspruchsvoll.

2001 warst du mit Robert Jasper 5 Tage in der Matterhorn-Nordwand unterwegs. Was machten damals die Schwierigkeiten eurer Neutour „Feedom“ aus und wie waren deine Eindrücke? Die Biwaks waren sicher nicht sehr angenehm …

Also die Biwaks waren echt bequem, wir hatten ein Portaledge dabei. Aber es war kalt und es ging immer ein eisiger Wind um die Zmuttnase. Der Fels war erstaunlich gut und griffig zum klettern. Wahrscheinlich ist der ganze Bruch runtergefallen und es blieb nur der gute Fels oben übrig.

2000 warst du bei der 3. Begehung der Güllich-Albert-Route „Eternal Flame“ am Nameless Tower im Karakorum mit dabei. Damals war’s bestimmt die Höhenluft, die euch zu schaffen machte. Kann man in einer Höhe von 6000 m eigentlich noch schwer klettern? Und wie war diese Tour?

Also, dass man dort oben schwierig klettern kann, zeigten ja erst letztes Jahr Babsi und Jacobo. Für mich war es nicht möglich, auch nur ansatzweise rotpunkt zu klettern. Aber ich bin schon ein wenig stolz, Eternal Flame auf der Originalroute frei zu klettern. Die technischen Passagen kletterten wir wie die Erstbegeher Kurt, Wolfgang, Milan und Christoph.

Im Karakorum hat man ja die höchsten Berge direkt vor Augen. Haben dich die 8000er eigentlich auch jemals gereizt?

Manchmal habe ich daran gedacht, aber nicht wirklich verfolgt.

Im Yosemite-Valley hast du ja einige deiner Jugendträume erfüllt. Wie waren damals deine eindrucksvollsten Erlebnisse und was habt ihr gemacht?

Meine erste Route am Big Stone war „The Shield“. Was für eine Route! Nach den Triple Cracks verlierst du das Gefühl für‘s Senkrechte. Die Wand hängt stetig über, der Wind weht dir deine Seile waagerecht bis über dich. Es ist unbeschreiblich.

Bereitest du dich eigentlich auf schwierige Unternehmungen speziell vor? Oder ziehst du ohne intensives Training los?

Keine Zeit für Spezielles … ?

Soviel ich weiß, hast du auch extreme Solo-Touren unternommen. Da braucht man sicher gute Nerven und ganz ungefährlich ist es auch nicht. Reizen dich solche Aktionen immer noch, oder hast du damit aufgehört?

Manche Dinge muss man tun, wenn es soweit ist.

Auf deiner Webseite https://www.rainer-treppte.de/our-guide/rainer-treppte/ schreibst du: „Seit 40 Jahren bin ich unfallfrei in den Bergen unterwegs“. Wie würdest du das begründen: war es deine Besonnenheit, Erfahrung oder Glück? Was kannst du den Bergsteigern und Kletterern dabei raten?

Man muss auch umkehren können, das ist sehr wichtig. William Saroyan schrieb einmal: „Erfahrung ist die Summe der begangenen Fehler, dividiert durch die eigene Dummheit“. Naja so irgendwie. Eine gewisse Portion Glück braucht jeder, niemand ist fehlerfrei.

Du hast uns ja auch schon einige schöne Erstbegehungen beschert. Deine Lechtal-Touren sollen ganz gut sein. Welche Linien kannst du uns besonders empfehlen?

Zone 40 und Tendenz 9“ am Ostsporn der Roten Platte (Hehlzapfen).

Wie sieht für dich eine gelungene Erstbegehung aus? Gerade die jüngeren „Freaks“ verzichten heutzutage oft auf Bohrhaken und sichern stattdessen lieber mit Friends ab. Ist es bei dir auch so?

Es gibt Ausnahme-Routen, z. B. von Beat Kammerlander im Rätikon, die mit Bohrhaken abgesichert sind und extrem anspruchsvoll sind. Dort kann beim besten Willen nicht mit mobilen Sicherungen abgesichert werden. Für mich besteht der Wert einer Route im Klettern und nicht in der Absicherung. Ich finde es unsinnig, sich an schlechten Schlaghaken oder mobilen Sicherungen zu sichern, wenn ich mit einem einzigen soliden Bohrhaken eine top Sicherung anbringen kann. Aber das muss natürlich immer jeder für sich selber entscheiden und seinen Weg finden. Ich für meinen Teil, möchte Erstbegehungen hinterlassen welche gern wiederholt werden. Darüber freue ich mich.

Mittlerweile gibt es ja massenhaft Plaisir-Gebiete, wie z. B. Arco, Maggiatal, Ailefroide usw. Das sind oft Routen mit guter Bohrhaken-Absicherung. Der Klettersport hat sich mittlerweile vom Abenteuersport zum Funsport entwickelt, zumindest was die Masse betrifft. Was hältst du von dieser Entwicklung?

Ach, das soll es auch geben, passt für mich in die heutige Konsumzeit.

Von der Sanierung namhafter Alpiner Klassiker ganz zu schweigen. Beispielsweise gibt es in der Cassin am Piz Badile bereits schon Bohrhaken. Was hältst du davon?

Würde mich da nicht so festnageln lassen. Zum Beispiel wollte ich letztes Jahr die Pumprisse mit dem Direkteinstieg klettern und bin nach der dritten Länge abgeseilt. Die meisten Haken habe ihre beste Zeit hinter sich oder waren abgebrochen, es war brüchig, zum Hakenschlagen nicht möglich, und gefährlich für den Sicherer am Stand. Ein einziger Bohrhaken würde dort platziert alles entschärfen. Die Route würde dort null an ihrem Charakter einbüßen. Was anderes ist es, wenn z. B. die Route Supertramp am Bockmattli saniert wird und mit zusätzlich 30 Bohrhaken komplett verändert wird. Zum Glück wurde das rückgängig gemacht. Das richtige Maß ist bei dem Thema sehr wichtig.

Seit 2010 bist du Staatlich geprüfter Berg- und Skiführer. Was hat dich dazu bewogen?

Das war eine Laune.

Was bietest du hauptsächlich an? Sind es Kurse oder auch Alpine Führungen?

Was ich sehr gern mache sind Kurse. Die letzten Jahre habe ich zusammen mit Fritz Miller einige Nachwuchscamps des DAV geleitet. Diese Camps sind für ambitionierte Mädels und Jungs, welche sich vielleicht mal Richtung Expedkader oder Bergführer entwickeln möchten.

Du bist ja auch in der Kletterhalle Seltmans aktiv. Als eine der ersten Hallen Deutschlands ist die noch richtig kultig. Habt ihr die Corona-Zeit und den Boom der umliegenden Hallen einigermaßen gut überstanden?

Ging so, jetzt läuft es wieder ganz gut.

Im Allgäu trifft man dich auch immer wieder in den Klettergärten. Für’s Sportklettern kannst du dich offensichtlich auch begeistern.

Ich bin begeisterter Kletterer, Alpin wie auch im Klettergarten. Alles zu seiner Zeit.

Nach dem Motto „Back to the Roots“: kehrst du eigentlich immer wieder mal in’s Elbsandstein-Gebirge zurück?

Ich bin sogar sehr oft im Sächsischen Sandstein unterwegs. Hab dort auch eine Ferienhütte, welche auch vermietet wird. Es macht mir unheimlich Freude dort zu klettern. Die Vielfältigkeit im Elbsandstein ist einmalig.

Wir werden ja alle nicht jünger. Welche alpine Wunsch-Touren stehen bei dir noch auf dem Programm?

?

Rainer, ich danke dir recht herzlich für den Einblick in dein Bergsteigerleben und wünsche dir noch viele schöne Unternehmungen in Berg und Tal!