„Comici“ an der großen Zinne in den Dolomiten

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Wer sich an die großen Wände der Alpen wagt, sollte früh dran sein. Bei der „Comici“ an der Großen Zinne müsste eigentlich 6 Uhr bei Dämmerung am Einstieg genügen. Aber weit gefehlt. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich hier an einem schönen Augusttag bereits eine Menschentraube am Berg, die zu nervenaufreibenden Wartezeiten verdammt. Und das Kurioseste: die Ersten sind die Langsamsten in der Warteschlange, sie sind für ein möglichst großes Zeitfenster früh aufgestanden. Das erlebte ich nun schon zum 3. Mal in der Tour, aber man lernt ja nix dazu …

Wir hatten jedoch das Glück, dass nach einer Stunde Pausieren die ersten Seilschaften wegen hoffnungsloser Überfoderung wieder abseilten. Da begegnen dir Stimmen aus allen Nationen: Holländer, Polen, Amerikaner usw. Irgendwann konnten auch wir in die Route einsteigen, fragten höflich, ob wir überholen durften, und hatten somit freie Bahn.

Die ersten 9 Seillängen, die Hauptschwierigkeiten der Tour, erfordern schon einen gewissen Einsatz. Die Tendenz zur Politur erschwert freies Klettern bis zum 7. Grad. Die Menge an alten Rostgurken und neu hinzugekommenen Haken verleihen ein zwiespältiges Gefühl der Sicherheit, da beim Sturz vielleicht nur jeder 2. Haken halten würde. Gelegentlich befinden sich abgespaltene Riesenschuppen in der Tour und man fragt sich, wie lange die noch an der Wand kleben.

Irgendwann landeten wir auf einem Band, am Beginn eines Verschneidungssystems. Eine vorausgehende Seilschaft war soeben weitergeklettert. Verschnaufpause, Essen, Trinken. Es folgte modrig-feuchte, schwer absicherbare Kletterei im 5. Grad mit Runouts bis zu 10 Metern. Für mich der unangenehmste Teil der Route, die paar Sicherungen hätten nie gehalten. Schließlich erreichten wir nach einigen Längen ein kaminartiges Podest mit einem Rinnsal, das seine Tropfen versprühte.

Und wieder standen wir im Stau bzw. unter der Dusche. Die englische Seilpartnerin musste ihrem Vorsteiger aus dem Kletterführer vorlesen, genauer gesagt hinaufbrüllen, wo es oben weiter ging: Turn left!!! Und das dauerte, bis der den richtigen Weg fand. In der Tat kann man sich hier leicht versteigen. Überholen war tabu, immer schön geduldig nach englischer Manier in der Schlange stehen und warten … Einige Zeit später befanden auch wir uns auf dem Ringband, das nur einen guten Meter hoch ist, und sahen die Engländer wie sie verlegen aus der Wand krochen und für immer verschwanden.

Wir querten auf die Südseite des Berges und deponierten bei einem Biwakplatz unsere Rucksäcke. Der weitere Weg auf den Gipfel war eine Turnübung, von den anderen beiden Zinnen war aufgrund des Nebels leider nichts zu sehen. Bald machten wir uns an den gut markierten Abstieg über Bänder und Steilstufen und standen später bei der Essensausgabe auf der Auronzo-Hütte gleich wieder im Stau …

Orientierung

Aufgrund ihres Bekanntheitsgrades  ist die Route stark frequentiert. Es empfiehlt sich, spätestens um 5 Uhr morgens ggf. mit der Stirnlampe einzusteigen, um nicht allzulange warten zu müssen. Die Kletterei bewegt sich in typisch gelb-grauen Dolomiten-Fels, der durch die häufigen Begehungen gut abgeklettert ist. Im unteren Teil ist die Wand steil, aber dennoch griffig. Gelegentliche Bänder und abgespaltene Schuppen laden zu Verschnaufpausen ein. Am Ende der Hauptschwierigkeiten, nach 10 Seillängen, gelangt man auf ein geräumiges Band. Hier zweigt nach rechts die Variante „Costantini“, ein langes Verschneidungssystem, ab. Wie die meisten Seilschaften, bevorzugten wir den Originalweg, der sich nach links orientiert.  Im oberen Teil legt sich die Wand zurück, der Fels ist jedoch oft modrig-feucht. Über einen Kamin gelangt man nach weiteren 7 Seillängen (man kann sicher auch ein paar Seillängen zusammenhängen) auf ein schmales, geröllbedecktes Kriechband, das den Ausstieg nach rechts zur Südseite des Berges vermittelt. Hier geht es über ein breites Band ca. 100 m nach links und entlang den Steinmännern bzw. Markierungen weiter zum Gipfel (2999 m).

Schwierigkeit

Die unteren 10 Seillängen bewegen sich frei mit Stellen im 7. Grad, können aber auch gut A-Null geklettert werden (6 obligatorisch). Dazwischen gibt es immer wieder leichtere, gut griffige Passagen im 5. – 6. Grad. Der obere Teil ist nicht weniger anspruchsvoll: schlecht gesicherte Kletterei bis zum 5. Schwierigkeitsgrad in feuchten Verschneidungen. Dazu wird hier der Orientierungssinn auf die Probe gestellt: Nach dem Kamin geht es horizontal nach links (Verhauer) und schließlich hoch zum Ringband. Der Weiterweg über die Normalroute leitet mit Stellen 3 zum Gipfel. Die Schwierigkeitsangaben in den Dolomiten sind mit Vorsicht zu genießen und nicht mit den Nördlichen Kalkalpen vergleichbar. Da wird ein 3er schnell mal zum 5er, wie z. B. bei den letzten beiden Seillängen in der Comici. Deshalb sollte man sich hier zuerst in kürzeren Touren einklettern, um keine bösen Überraschungen bzgl. Absicherung bzw. Bewertung zu erleben.

Absicherung

Es befinden sich in der Wand viele zweifelhafte Normalhaken aus allen Epochen. Wer hier A-Null klettert, sollte diese vorsichtig belasten. Gelegentlich kann mit Schlingen oder mobil nachgesichert werden.

Material

Schlingen, Keile, Friends, 14 Exen

Zeitaufwand

Es empfiehlt sich, den Weg zum Einstieg aufgrund des frühen Aufbruchs bereits am Vortag zu erkunden. Von der Auronzo-Hütte geht es über einen Schotterweg in einer halben Stunde zum Paternsattel (2545 m) und in weiteren 20 Minuten horizontal nach links zum Einstieg bei einem Vorbau im rechten Teil der großen Zinne. Je nach Wartezeit bzw. Trainingszustand ca. 5 Stunden für die Wand und eine weitere halbe Stunde ab Ringband zum Gipfel

Abstieg

Entlang der Steinmänner und Markierungen. Ringbänder leiten zu mehreren kurzen Abseilstellen bzw. Abkletter-Passagen. Es gibt mehrere Verhauer bzw. Varianten, die v. a. bei Nebel verwirren können. Es empfiehlt sich, immer den deutlichsten Begehungspuren zu folgen, auf der Suche nach Steinmännern bzw. Markierungen. Je nach Orientierungssinn ca. 2 Stunden vom Gipfel zurück zur Auronzo-Hütte.

Stützpunkt

Rifugio Auronzo (2320 m). Erreichbar über eine Mautstraße vom Talort Misurina  (1756 m)

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1 Gedanke zu „„Comici“ an der großen Zinne in den Dolomiten“

  1. Hoi Pat,
    hab die Comici heuer auch als kleines Jubiläum wieder mal geklettert und hatten perfekte Bedingungen.
    Alles war trocken und ein Superhoch. Die Temperaturen waren auch beim frühen Start angenehm.
    Mit Trinkflasche am Gurt und leichter Gore-Jacke konnten wir ohne Rucksack das ganze dann richtig
    geniessen.
    Absicherung Standplätze war ok und konnte gut wenn nötig verbessert werden.
    Ansonsten war natürlich bezüglich der Zwischensicherungen jede Form der Korrosion, Oxidation und
    Pyrolyse anzutreffen 😉 Aber mit einem Satz C4 und einem Satz Stopper war es insgesamt doch gut
    abzusichern.
    Ggf., so hat´s ein Bekannter von mir mal gemacht, kann man auch (bei trockenen Verhältnissen und stabilem Hoch)
    erst Mittags einsteigen.
    Es hat dann ganz angenehme Temperaturen, der Stau ist u. U. schon weg.
    Abstieg schneller als Normalweg: Abseilen westlichen Ende des vom Ringbands dann über die “Marc Zambelli” in der Westwand.
    Ciao
    Bernt

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