Der Ostallgäuer Andreas Baur hat sich mittlerweile zum tatkräftigen Erschließer im Raum Ammergauer bzw. Tannheimer Berge gemausert. Seine ersten Erfahrungen sammelte er an der Wetterwand, wo er zusammen mit Marcus Noichl die 36-Seillängen-Tour „Therapie“ vollendete. Andi erzählte mir später von haarsträubenden Geschichten, die er zusammen mit Marcus erlebte. Katastrophale Stürze mit knappem Ausgang, herabfallende Blöcke, Klettern im Föhnsturm und in der Dämmerung mit anschließendem Biwak auf dem Zugspitzplatt.
Andi half mir später auch die „Aquaria“ an der Plattspitze einzurichten. Damals erreichten wir im Juli bei winterlichen Verhältnissen den Gipfel und mühten uns anschließend noch bis zum Münchner Haus auf die Zugspitze hinauf. Ein notorischer Grantler, genauer gesagt der Hüttenwirt, empfing uns um 21 Uhr mit dem Kommentar: Ja seid‘s ihr beide denn überhaupt angemeldet, zum Essen wollt’s auch noch was und habt‘s ihr überhaupt a Genehmigung für eine Erstbegehung? Klar, mit den Touris lässt sich untertags am Bratwurststand auf der Hütten-Terasse mehr Geld verdienen. Andi lehnte sich kurze Zeit darauf über’s Terassen-Geländer und übergab sich vor Erschöpfung …
Mittlerweile ist Andi der Chef und sucht sich seine eigenen neuen Linien aus. Scheinbar ist er durch eine harte Lehre gegangen, wie seine jüngsten Erstbegehungen bezeugen. In den Ammergauer Bergen hinterließ er mit „Badelatschen“ und „Alter Papa“ zwei Touren, die vom alpinen Charakter geprägt sind. Risse und Verschneidungen müssen mobil abgesichert werden, in den plattigen Passagen setzt der Ostallgäuer gelegentlich einen Bohrhaken. Dabei scheinen ihn brüchig anmutende Zonen nicht nicht weiter zu stören, wenn es danach wieder brauchbar weiter geht …
So auch am Gimpel-Vorbau in den Tannheimer Bergen. Rechts von „Wirklich oben bist du nie“ ignorierte er die grasigen Bänder und legte seine neue Tour durch die kletterbaren Felsbereiche, was gar nicht so einfach war. Nach der 2. Seillänge steilt sich der „Gimpelgeist“ plötzlich rapide auf und bietet kompakte, teils diffizile Wandkletterei mit Tendenz zur 7. Dazu hat Andi die Route mit einer sportlichen Absicherung versehen, sodass der angegebene Schwierigkeitsgrad zwingend beherrscht werden muss.
Die etwas leichteren Seillängen verlangen außerdem behutsames Klettern, da aktuell (2018) noch ein paar wackelige Griffe lauern. Nach einer geplanten Säuberungs-Aktion und den ersten Begehungen wird sich dies jedoch zunehmend verbessern. Somit finden alpin ambitionierten Sportkletterer in den Tannheimern wieder ein spannendes Kletter-Objekt. Links daneben hat Andi noch eine weitere, etwas schwerere Tour eingerichtet, die sich allerdings noch im Projektstatus befindet …
- Seillänge
Der Einstieg befindet sich am rechten Rand des horizontalen Bandes, das zur „Wirklich oben bist du nie“ hinüber zieht. Man klettert zunächst geradeaus empor und später rechts einer Verschneidung, die zu einem grasigen Band führt. Von hier in wenigen Metern zum ersten Stand. Gelegentlich ist mit wackeligen Griffen zu rechnen. (5+)
- Seillänge
Nun wieder rechtshaltend. Eine steile Wandstelle führt zu einer plattigen Passage, die in eleganter Kletterei zuerst geradeaus hoch, später nach links und zuletzt über Steilgras hinauf zum nächsten Stand führt. (6-)
- Seillänge
Eine leicht geneigte, etwas labile Wandstelle führt zu einem Bäumchen hinauf. Von hier nach nach rechts und schließlich S-förmig über eine kompakte kleingriffige Platte in schwieriger und spannender Wandkletterei zum nächsten Stand. Um Seilzug zu vermeiden, sollten die Fixpunkte gelegentlich verlängert werden. (7-)
- Seillänge
Über kompakte Platten gelangt man zum steilsten Wandbereich, der von rechts nach links angegangen wird. Sehr ausgesetzte und schwierige Kletterei an wenigen kleinen Haltepunkten führen zum Stand in eine kleine Gufel. Wer etwas genauer hinsieht, hier haust der Gimpelgeist. Die Seillänge ist ca. 35 Meter lang, deshalb sollten die Haken an geeigneter Stelle verlängert werden. (7- mit Tendenz zur 7)
- Seillänge
Direkt über dem Stand wird ein Überhang überwunden, der auf ein schrofiges Band führt. Hier geradeaus weiter und über einen breiten Winkel hinauf zum Ende der Tour. Vorsicht, nicht alles ist in dieser Seillänge fest. (6)
Schwierigkeit
Maximal 7, 7- obligatorisch. Rest 5 bis 6.
Absicherung
Sportliche Absicherung mit Bohrhaken. Der angegebene Schwierigkeitsgrad muss beherrscht werden. Gelegentlich kann mit mobilen Sicherungen optimiert werden.
Material
60-Meter-Doppelseil, 12 Exen, Schlingen zur Verlängerung, Evtl. mittelgroße Friends, Abseilausrüstung
Talort
Nesselwängle im Tannheimer Tal (Tirol). Der Parkplatz befindet sich am westlichen Ortsrand
Stützpunkte
Gimpelhaus, siehe www.gimpelhaus.at Die Tannheimer Hütte ist wegen Sanierungsarbeiten bis auf Weiteres geschlossen.
Zustieg
Auf dem Wanderweg Richtung Rote Flüh bzw. Gimpel. Nach Erreichen des Gimpel-Vorbaus nach rechts und über ein Schuttkar hinauf zum Einstieg. Von der Hütte ca. 45 min.
Abstieg
Vom Ausstieg über ein Grasband links hinab zu einem Fixseil, das zur Abeilpiste leitet. Nach 3maligem Abseilen erreicht man wieder den Einstieg