Klettern an der Aiguille Dibona

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Es ist schon merkwürdig, dass dieser Berg im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt ist. Außer dem Matterhorn kenne ich keinen imposanteren Gipfel in den Alpen und stünde diese Granitnadel in Nepal oder Patagonien, so wäre sie weltberühmt. Die meisten Bergsteiger aus unserer Ecke fahren den weiten Weg in die Dauphiné, um den allseits bekannten 4000er Barres d’Ecrins oder die sagenumwobene Meije zu besteigen. Vielleicht auch zum Plaisirklettern nach Ailfroide oder Briancon. Macht aber nichts, an der Aiguille Dibona herrscht ohnehin Stau, verursacht von Franzosen und Spanier, die diesen Berg anscheinend besser kennen.

Ausgangspunkt ist ein Hochtal, das nach La Bérarde (1713 m) führt, einer kleinen Siedlung auf der Südseite des Barré d’Ecrins. Die Gegend gehört für mich zum Besten, was die Alpen zu bieten haben: überhalb der Baumgrenze, völlig entlegen, tosende Gletscherbäche, wildes Ambiente, überall ragen steile Granitwände empor. La Bérarde ist im Winter von der Außenwelt abgeschirmt, im Sommer bietet sich hier dagegen ein Kletter- bzw. Wanderparadies an.

Der Zustieg zum Refuge Soreiller, dem Ausgangspunkt für die Aiguille Dibona (3130 m), ist mit seinen 2,5 Stunden noch human für diese Gegend. Wer den schweißtreibenden, aber landschaftlich schönen Aufstieg durch eine enge Schlucht auf sich nimmt, wird bereits nach einer Stunde mit dem Blick auf die atemberaubende Granitnadel belohnt. Da denkt sich manch einer: wie soll man diese 450-Meter-Wand hochkommen und bricht die Nadel nicht in sich zusammen? Vor Ort sieht die Lage dann doch humaner aus, die Wand lehnt sich zurück, da gibt es plötzlich Verschneidungen und viele kletterbare Strukturen. Die Hütte liegt gleich unter der Wand, d. h. die Einstiege können abends beim Bier auf der Terrasse gut studiert werden.

Wir wollten die Dibona als Tagestour besteigen und waren um 11 Uhr am Einstieg unserer Wunschtour „Visité obligatoire“. Dort herrschte jedoch Belagerungszustand, schnell war klar, dass das heute nichts mehr wird. So wichen wir in die benachbarte „Voie Madier“ aus, einer schönen Verschneidungslinie im rechten unteren Wandbereich. Bereits nach wenigen Seillängen bot sich aufgrund der vielfältigen Routendichte die Gelegenheit, diagonal in Richtung unserer Wunschtour weiter zu klettern. Der Stau war umgangen und wir hatten wieder freie Bahn. Oben am steilen Gipfelaufbau geht es nochmal richtig zur Sache, dort bieten sich verschiedene Varianten an, nach dem Motto „Klettern wo’s gefällt“. Zuletzt führen schließlich alle Wege auf dem schmalen Gipfelgrat zusammen und der erste Abseilstand ist dann wieder etwas stauanfällig …

Routenauswahl

Visité obligatoire (6a+), im unteren Teil etwas plattenlastig. Modetour, die aufgrund der zwingenden Passagen von vielen unterschätzt wird, und deshalb zu Staus führt.

Voie Madier (5c A0), schöne Verschneidungslinie, die teilweise mobil abgesichert werden muss.

Insgesamt befindet sich in der Südwand ein dichtes Routennetz, sodass zwischen verschiedenen Routen immer wieder variiert werden kann.

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Felsqualität

Granit vom Feinsten. Oft steile Platten mit Dellen, aber auch Überhänge, Risse und Verschneidungen

Absicherung

Mit Bohrhaken überwiegend ausreichend gesichert. Zwischen den Haken ist allerdings Klettern angesagt, d. h. gelegentliche Runouts müssen mit einkalkuliert werden. In den plattigen Längen sind mobile Sicherungen bedingt einsetzbar.

Material

12 Exen, Friends für Risse und Verschneidungen vor allem in der „Voie Madier“ nützlich, Abseilausrüstung

Zustieg

Die Einstiege befinden sich gleich hinter der Hütte

Abstieg

Vom Gipfel zweimal abseilen. Anschließend ca. 50 m ausgesetzt diagonal nach links abklettern, bis das Schuttkar erreicht wird. In einer großen Rechts-Links-Schlaufe zurück zur Hütte (ca. 1 Stunde)

Stützpunkte

Refuge Soreiller (2719 m). Auf bequemem Wanderweg in ca. 2,5 Stunden vom Tal aus erreichbar. In La Bérarde gibt es außerdem einen großen Campingplatz.

Topos (PDF)

Kletterführer Topoguide, Band 1

Talort

Les Etages. Ca. 5 Km vor La Bérarde

Anfahrt

Von Grenoble kommend Richtung Villard-Notre-Dame. Hier rechts ab, mehrere Kilometer taleinwärts und zum Schluss über eine steile, serpentinenreiche Straße ins Hochtal nach La Bérarde.

 

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2 Gedanken zu „Klettern an der Aiguille Dibona“

  1. Hallo Alex,
    das freut mich sehr, dass ihr den Berg noch bestiegen habt. Da kann man ja nichts falsch machen … Meinen Fuß geht es nun wieder besser, die Verletzung hat sich aber durch den ganzen Urlaub gezogen. Ich bin jedoch immer tapfer nachgestiegen. Falls du das ausgemusterte Seil noch hast, würde ich es demnächst bei dir abholen.
    Viele Grüße an euch von Pat

    Antworten
  2. Hey Pat! Danke für den genialen Tipp mit der Aiguille Dibona. Wir konnten uns, trotz morgendlichem Hüttenzustieg, Startplatz 2 in der “Visité” sichern und konnten somit die Kletterei ohne Stau genießen.
    Wir hoffen deinem Fuß geht es wieder besser!?
    Grüße
    Johanna und Alex

    Antworten

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