Prolog: Für den Anspruch dieser Tour ist der Text viel zu lang, aber vielleicht gerade deshalb …
Schon zu Beginn wird klar, hier sind wir nicht alleine unterwegs. Eine Menschentraube verharrt vor der Talstation am Dorfende von Zermatt und scharrt mit den Plastikschuhen bis um halb neun Uhr die erste Achter-Gondel endlich in Betrieb geht. Unter die obligatorischen Pistenfahrer mischen sich unverkennbar zahlreiche Tourengeher, den Gurt bereits angelegt, das Lawinensuchgerät vorbildlich umgeschnallt.
Die Glacier-Paradise-Bahn befördert uns mit einmal Umsteigen am “Trockenen Steg” unaufhaltsam aufs Kleine Matterhorn hinauf. Unter uns die frisch präparierten Pisten, hier möchte man am liebsten den ganzen Tag verbringen. Das Ambiente am schönsten Berg der Alpen hat mit fast 100 Franken für den Tages-Skipass allerdings seinen Preis. Immerhin sind die italienischen Skigebiete hinab nach Breuil-Cervinia auf der anderen Bergseite mit eingeschlossen, Pisten-Kilometer ohne Ende.
Von der höchsten Bergstation Europas auf 3820 Meter Höhe wandert die Masse zunächst durch einen finsteren, langgezogenen Tunnel. Die ersten Kreislauf-Patienten sitzen hier bereits auf den Bänken. Nach Verlassen der Röhre wird man von der Sonneneinstrahlung schier erschlagen, das Breithorn liegt zum Greifen nahe. Nach einer kurzen Abfahrt über ein Plateau trennen sich die Tourengeher von den Pistenfahrern und ziehen die Felle auf. Das Ausmaß des Sammelsuriums am leichtesten und meist begangenen 4000er der Alpen wird nun deutlich merkbar. Da wird gekeucht, eingecrémt, Spitzkehren geübt, diskutiert und Gletschkunde betrieben bis sich der Wurm für die schlappen 380 Höhenmeter langsam in Bewegung setzt.
Blickt man nach Verlassen der Klein-Matterhornbahn hinüber zum Normalweg an dessen Südwestflanke, dann präsentiert sich der immerhin 4165 Meter hohe Hauptgipfel als Schneebuckel, der erfahrenen Bergsteigern kaum Respekt einzuflößen vermag. Tatsächlich ist der Normalweg ein leichter Gletscherhatscher, wofür man maximal zwei Stunden für den gemütlichen Aufstieg und etwas mehr als die Hälfte der Zeit für den Abstieg veranschlagen sollte. Also eine echte „Schoggi-Tour“ (Schokolade), wie die Schweizer sagen würden.
Viele angehende Alpinisten wählen diesen Gipfel als ihren Erstling unter den Viertausendern, andere als geeignetes Akklimatisations-Programm oder vielleicht auch (so wie wir) als gemütliche Abschlusstour. Der Anstieg führt durch eine bis zu 30 Grad steile Flanke, die zur Skitourenzeit selten vereist ist. Es ist mit wenigen Spalten zu rechnen, die bei ausreichender Schneemenge randvoll zugeschneit sind. Wer der Ameisen-Straße folgt, kann im Winter oder Frühjahr bei entspechender Erfahrenheit auf Gletscherausrüstung verzichten. Der Gipfel ist mit Skiern zu betreten, dabei sind Harscheisen in den etwas kälteren frühen Vormittagsstunden eventuell hilfreich.
Bei gutem Bergwetter sicher alles kein Problem, bei Nebel, Schneefall oder starkem Wind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Am Breithorn haben sich schon etliche Dramen abgespielt. Im April 1977 verirrten sich fünf Skibergsteiger trotz Karte und Kompass auf dem Plateau und starben an Erschöpfung. Im Sommer 1991 ereilte das gleiche Schicksal in einem Sturm mit arktischen Temperaturen eine ganze Gruppe, und das in Sichtweite der Klein-Matterhorn-Bahn. Meine Bergfreunde Anne, Daniel und Joe haben einmal den Gipfel im Höhensturm erzwungen und sich dabei Frostbeulen zugezogen.
Der Rundumblick auf dem Breithorn ist so beeindruckend, dass selbst die verwöhntesten Alpinisten nicht mehr über den »Almauftrieb« oder die »Gipfelpromenade« meckern (man ist ja schließlich mit dabei), sondern jedem Bezwinger den Ausblick im Zentrum der Walliser Alpen gönnt: Matterhorn, Monte Rosa, Allalinhorn, Weißhorn und wie sie alle heißen …
Wer Spaß in den höheren Regionen haben möchte, sollte mehrere 4000er besteigen und dazwischen nach dem Motto „Climb high, sleep deep“ ausreichende Erholungszeit einplanen. Diese Strategie lohnt sich, wir waren am Breithorn Top akklimatisiert, allerdings in falscher Reihenfolge. Um den allzu lässigen Vormittags-Halbtages-Spaziergang noch etwas zu würzen, entschlossen wir uns spontan für die Abfahrt übers Schwarztor und dem Gornergletscher zurück nach Zermatt. Die Bedingungen im April 2018 waren so gut wie lange nicht. Bereits vom Breithorn-Gipfel beobachteten wir immer wieder Gruppen, die über den Schwärzegletscher abfuhren. Geführte Varianten-Fahrer querten vom Kleinen Matterhorn direkt hinüber zum Schwarztor. Ein Bergführer versicherte uns, dass die Spaltengefahr aktuell verhältnismäßig gering sei.
In der Tat. Wir trafen zwischen den Seracs auf pistenähnliche Verhältnisse, daneben gab es noch genügend Pulver-Spaß. Die Skiabfahrt ist in den meisten Wintern, was die Spaltengefahr betrifft, mit Vorsicht zu genießen. Der schneereiche Winter 2018 bescherte uns eine 2000-Höhenmeter-Traumabfahrt über 12 Kilometer bis hinab nach Zermatt. Und sogar das sonst exponierte Gletschertor am unteren Ende des Gornergletscher war diesesmal randvoll eingeschneit.
Für die ambitionierten 4000er Sammler bietet sich vom Schwarztor aus die Besteigung des Pollux an. Hierbei ist eine ausreichende Eisausrausrüstung anzuraten, da meist mit Blankeis-Passagen zu rechnen ist. Für den Zugang zur Monte Rosa Hütte eignet sich folgende Variante: Auffahrt aufs Kleine Matterhorn, Besteigung des Breithorns, Abfahrt zum Schwarztor und weiter hinab zum Gornergletscher. Von hier nach rechts in ca. 1 bis 2 Stunden Aufstieg zur Hütte.
Ausgangspunkt
Der Zugang nach Zermatt ist für PKW’s gesperrt. Üblicherweise wird in Täsch geparkt und mit der Bahn nach Zermatt gefahren. Ich empfehle folgende Taktik: Wenige Kilometer vor Täsch befindet sich bei Randa der Campingplatz „Attermenzen“. Siehe www.camping-randa.ch. Zur Skitourenzeit liegt hier auf ca. 1500 m Höhe noch Schnee, nur wenige Stellplätze sind freigeräumt. Der Campingplatz bietet im Hauptgebäude (Restaurant) wenige Zimmer zum Traumpreis von 25 Franken pro Person an. Frühstück kann mit gebucht werden. Von hier verkehrt regelmäßig ein Shuttle-Bus für 7 Euro pro Person nach Zermatt. Mit dem kostenlosen Skibus kann die Bahn aufs Kleine Matterhorn erreicht werden.
Aufstieg zum Breithorn
Von Zermatt mit der Glacier-Paradise-Bahn Auffahrt zum Kleinen Matterhorn (3883 m), umsteigen am „Trockenen Steg“. Man durchschreitet einen Tunnel und fährt auf eine weitläufiges Plateau ab. In einer weiten Links-Rechts-Schlaufe gelangt man in ca. 1 bis 2 Stunden aufs Breithorn (4164 m).
Abfahrt zum Schwarztor
Abfahrt vom Breithorn wie Aufstieg. Im unteren Teil hält man sich links, um möglichst wenig Höhe zu verlieren. Eine horizontale Querung nach links führt schließlich in ca. 45 Minuten zum breiten Schwarztor. Von hier bietet sich die Besteigung des Pollux (rechts) an.
Abfahrt vom Schwarztor zurück nach Zermatt
Bei zunehmender Erwärmung und schneearmen Wintern sollte nach ca. 14 Uhr nicht mehr abgefahren werden. Vom Schwarztor hält man sich auf dem Schwärzegletscher nach rechts und quert ca. 500 m leicht abfallend den Nordhang des Pollux. Nun tendenziell immer nach links über weite Hänge zwischen den Seracs hinab zum Gornergletscher. (Nach rechts kann nun zur Monte Rosa Hütte aufgestiegen werden). Von hier talauswärts nach links bis zu dessen unteren Ende, dem sogenannten „Gletschertor“. Diese Passage bietet in schneearmen Wintern eine exponierte Durchfahrt durch die enge Schlucht. Nun entlang des beschilderten Sommerwegs unter einem Eisensteg hindurch bis man eine Hängebrücke erreicht. Von hier nach links über die Brücke (Richtung Furi), die ins Skigebiet von Zermatt leitet. Über die Piste zurück in den Ort.
Tourdaten
Auffahrt zum Kleinen Matterhorn: mit Wartezeiten ca. 1 Stunde
Aufstieg zum Breithorn: ca. 1 bis 2 Stunden (ca. 380 Hm)
Abfahrt zum Schwarztor: ca. 1 Stunde (ca. 400 Hm)
Abfahrt nach Zermatt: ca. 2 Stunden (ca. 2000 Hm)
Lawinenlage: Die gesamte Unternehmung ist nur bis Stufe 2 ratsam
Ausrüstung: Skitouren- und Gletscherausrüstung
Beste Zeit: März bis Mai
Unterkunft
Zahlreiche Pensionen im Mattertal
Sehr zu empfehlen: Camping „Attermenzen“ bei Randa, kurz vor Täsch. Siehe www.camping-randa.ch.
Literatur
- Schweizer Landeskarte Skitour Mischabel 1:50.000
- Die klassischen Skitouren. Sanga G. Verlag des SAC. Bern. 1. Auflage. 2015
- Walliser Alpen. Zwischen Furka und Grossem St. Bernhard. 53 Skitouren. Häußlinger A, Waeber M. Bergverlag Rother. München. 1. Auflage. 2012
Galerie
Hey Gordon, da kommst du auch noch hoch! Das ist ne Plaisir-Tour …
Gruß, Pat
Gut beschrieben, einige super Bilder! Neidisch…